141 Jahre alt ist die Gaststätte Restauration in Ergenzingen und ist bis heute noch im Familienbesitz. Nun hat sie ihre Pforten für immer geschlossen. Foto: Ranft

Inhaberfamilie gibt Betrieb von Traditionslokal auf.  Im Volksmund auch "Bahnhöfle" genannt.

Rottenburg-Ergenzingen - Das Traditionslokal Restauration, im Volksmund auch "Bahnhöfle" genannt, hat seine Pforten geschlossen. Bedingt durch die Auflagen der Corona-Pandemie, sei man nicht mehr in der Lage, den Betrieb aufrecht zu erhalten.

Die Betreiber Christa (70) und Roland Welte (76), die in vierter Generation tätig waren, teilten dies unlängst zunächst ihren vielen Stammgästen, dann der breiten Öffentlichkeit mit. Damit geht – die Kriegszeiten einmal ausgenommen – die 141-jährige Wirtshausgeschichte der Restauration zu Ende. "Eigentlich wollten wir noch eine Weile machen", erklärten beide übereinstimmend, aber unter diesen Umständen gehe es einfach nicht mehr.

Bahnlinie versprach Gäste 

Wie in der Ergenzinger Pfarrchronik zu lesen ist, wurden im Jahre 1879, zum Leidwesen des damaligen Pfarrers, in Ergenzingen gleich zwei neue Wirtschaften eröffnet. Der Gasthof Rose und die "Bahnhofsrestauration", letztere von dem Ziegler Anton Baur. Dieser hatte wohl die Zeichen der Zeit erkannt, denn am 1. September 1879 wurde auch die Bahnlinie eröffnet, das versprach Gäste. Es hat dann wohl noch den einen oder anderen "oazechta" (einzelnen) Baur gegeben, der die Restauration führte, bevor Christa Weltes Großeltern Christine und Josef Baur das Gasthaus übernahmen. Diese führten die Restauration bis 1954, ab dato zeigten sich Lena und Hermann Baur für das Gasthaus verantwortlich. Sie erlebten die Wirtschaftswunderzeit, in welcher sich die Menschen am Feierabend auch gerne ein Bierchen gönnten, in der der eine oder andere Verein zu Gast war und auch, dass das umfangreiche Bauarbeiten auf der Liebfrauenhöhe in den 1960er-Jahren viele Bauarbeiter und Monteure in den Ort spülte, die natürlich auch gerne einkehrten, unter anderem in der Restauration. Dieses urgemütliche Lokal – nicht zu groß und nicht zu klein – hatte mit Hermann Baur zudem einen Wirt, dem der Schalk im Nacken saß. Er war lustig, leutselig und meistens auf dem neuesten Stand der Dinge.

Der erste erwähnenswert größere Stammtisch gründete sich dann im Jahre 1971. Der sogenannte "Sportschaustammtisch" traf sich bis zum Ausbruch von Covid-19 jeden Samstag und das 49 Jahre lang. Dazu gesellten sich im Zuge der Zeit die Fußballer des Turn- und Sportvereins, die Montags- und Mittwoch-Gymnastikgruppen, der Musikverein und der Liederkranz, die die sich allesamt nach ihren Übungsabenden in der Restauration wohlfühlten. Natürlich fehlten auch diverse Jahrgänge nicht, die ihren turnusmäßigen Treff abhielten.

Die Restauration war auch über Jahre hinweg Stammlokal der Sprudelfahrer aus dem Eyachtal. Nicht selten waren es drei oder vier Lastzüge, die entlang der Gäustraße darauf hinwiesen, dass die "Sprudelkutscher" im Lokal fein säuberlich nach "Fürtstenquelle" und "Apollo" getrennt, eine letzte Rast einlegten, bevor es auf die Heimreise ging.

Kulinarisch berühmt wurde die Restauration aber vor allem durch gute Vesper und die legendären "Göckele", die auf zwei Grills in der Küche – auch zum Mitnehmen – zubereitet wurden. Der damals weitum bekannte "Göckelesfrieder" in Mötzingen, ein Kumpel von Restaustaurationswirt Hermann Baur hatte diesen dazu inspiriert, es im gleich zu tun.

Nach dem Tode von Hermann Baur (1995) führte seine Frau Lena das Lokal weiter, kräftig unterstützt von ihrer Tochter Christa, die von Jung auf mit in die Arbeit in der Gaststätte eingebunden war, aber auch von deren Ehemann Roland. Kultstatus in Sachen Fasnet und tiefgründigem Humor erlangte die Restauration Ende der 1990er-, Anfang der 2000er-Jahre. Unter anderem verwies ein Gast nach dem Fastnachtsausklang einmal darauf, dass ein echter Narr am Aschermittwoch auch zum "Äschera" in die Kirche gehen müsse. Wobei ein Anderer meinte, dass man das doch auch gleich im Lokal erledigen könne. Wie von Zauberhand erschien dann Seniorwirtin Lena Baur mit einem silber-glänzenden Gefäß, gefüllt mit Asche auf der Bildfläche und dann wurde nicht lange gefackelt. Die beiden Altnarren Günther Kleindienst und Klaus Ranft streuten den Gästen so viel Asche auf das verschwitzte Haupt, dass diese wohl oder übel vor dem zu Bett gehen noch Duschen mussten. Die ersten die es traf, waren die beiden Musikusse Alfons Schach aus Poltringen und Heiner Binder aus Göttelfingen.

Ritual wurde zum Renner

Kurzum, dieses Ritual wurde für einige Jahre zum Renner schlichtweg, weil die beiden Äscherer für jeden Einheimischen ein Sprüchle parat hatten und das Ganze auch regelrecht zelebrierten. Das hatte dann allerdings zur Folge, dass viele Gäste vom Nachmittag an sitzen blieben und somit abends kein Platz mehr für die Einheimischen war. Aus diesem Grunde wurde die ganze "Äscherei" dann nach geraumer Zeit eingestellt.

Dafür wählte man in den Folgejahren 2006/2007 einen Besenkönig, beziehungsweise eine Besenkönigin getreu den Richtlinien des Vatikans. Nach der Wahl mussten alle Gäste das Lokal verlassen und durften, nachdem weißer Rauch aus dem Schornstein der Restauration quoll, wieder zurückkehren, um dem neuen Besenkönig oder der neuen Besenkönigin zu huldigen. Legendär während dieser Zeit war auch die von Roland Welte gegründete "Linie 8". Wenn ein Gast nach dieser verlangte, wurde er nach Hause gefahren.

Im Jahr 2010 verstarb dann Lena Baur. 2011 übernahmen ihre Tochter Christa und Schwiegersohn Roland offiziell das Lokal. Die Öffnungszeiten wurden im Laufe der Zeit den veränderten Bedingungen angepasst. Dass nun Schluss ist, wird im Ort bedauert. Auch von Christa und Roland Welte. "Das tut schon irgendwie weh", sagt Christa Welte, "wenn ein Lokal das 141 Jahre in Familienbesitz und Betrieb war und wir nun diejenigen sind, die es schließen müssen."