Straßenbaukritiker werfen der Stadt vor, sich den geplanten Rosensteintunnel schönzurechnen.

Stuttgart - Die Straßenbaukritiker sprechen von Tricks, mit denen die Stadtverwaltung die verkehrlichen Wirkungen sowie die Lärm- und Schadstoffbelastung durch das 193 Millionen Euro teure Tunnelbauwerk schönrechnet.

Seit einem Monat kann man in den aktualisierten Plänen für das derzeit größte Straßenbauprojekt in der Landeshauptstadt stöbern. Die öffentliche Planauslage zum Bau des Rosensteintunnels samt Neuordnung des Leuzeknotens ist Teil der Bürgerbeteiligung beim Neubau der Bundesstraße 10 zwischen Löwentor und Wilhelma. Die vierspurige Tunnelröhre soll das Staunadelöhr Pragstraße aufweiten, durch das sich heute über 60.000 Fahrzeuge täglich quälen. Es ist der zweite Anlauf der Stadtverwaltung, beim umstrittenen Tunnel zum Baurecht zu kommen. Bei der Erstauslage im vergangenen Sommer hatte es 660 Einsprüche gegeben. Außerdem basierte es laut Verwaltung auf zu hohen Prognosen für den Lkw-Verkehr.

Noch bis 29. August sind die 36 Ordner mit Unterlagen und Umweltgutachten im Stadtplanungsamt für das knapp 1,1 Kilometer lange Tunnelprojekt einzusehen. Zum gleichen Datum endet die neuerliche Einspruchsfrist. An Auslegungszeitraum und Planumfang entzündet sich grundsätzliche Kritik von Bürgerinitiativen und dem Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). "Es ist niemandem zuzumuten, sich in den Sommerferien durch dicke Ordner zu wälzen", kritisiert Annemarie Raab.

Mit Mitstreitern hat sich die Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Krailenshalde dennoch die Mühe gemacht, alle Unterlagen zu studieren. Dabei sei man auf Ungereimtheiten gestoßen. "In den Plänen wird die Verkehrszunahme verniedlicht und die Schadstoff- und Lärmzunahme schöngerechnet", bemängelt Joseph Michl vom BUND. An den Ausbauplänen der B 10 zu einer Stadtautobahn habe sich prinzipiell nichts geändert, nur die Gutachten seien umgeschrieben worden. "Alter Wein in neuen Schläuchen", nennt Michl die Aktualisierung.

Prognose um 6000 Lkw korrigiert  

So sei im vergangenen Jahr noch mit 14.000 Lastkraftwagen gerechnet worden, die nach Bauende 2020 durch die Tunnelröhren rollen. Im aktualisierten Plan seien die Lkw-Zahlen auf 8300 gesunken. Beide Zahlen haben nach Michl nichts mit der Realität zu tun. "Die zweite Zahl ist aber deutlich zu niedrig angesetzt", vermutet er die Schadstoffbilanz des Schwerverkehrs als Motiv. "Weil ein Lkw etwa so viel Schadstoffausstoß wie zehn Pkw verursacht, wird klar, warum ein Jahr später so viele Lkw aus der Prognose verschwinden."

Zudem gingen die Straßenplaner plötzlich von einer stärkeren "natürlichen" Verkehrszunahme auf täglich 70.000 Fahrzeuge auf der B 10/B27 aus, auch wenn der Rosensteintunnel nicht gebaut werde. Vor einem Jahr war von 65.000 Fahrzeugen die Rede. Demnach würde der Rosensteintunnel kaum Mehrverkehr verursachen, während zuvor die Sogwirkung höher angesetzt war.

Zugleich enthält das neue Gutachten eine Prognosespalte, die weitere Maßnahmen im Zuge des B-10-Ausbaus berücksichtigt. So würden im Jahr 2020 nur dann täglich 90.000 Fahrzeuge über die B 10/B27 in Zuffenhausen rollen, wenn neben dem Tunnel auch die Rondell-Auffahrt an der Friedrichswahl beseitigt und der Vollanschluss Neuwirtshaus realisiert würde. "Dafür gibt es Gemeinderatsbeschlüsse", lässt Christina Kolb, Vorsitzende des Bürgervereins Zuffenhausen, diese Trennung nicht gelten. Zudem sei es nicht nachvollziehbar, dass nach Tunnelinbetriebnahme und B-10-Ausbau insgesamt 23.000 Fahrzeuge täglich mehr über den Pragsattel, aber nur 300 Autos mehr durch Zuffenhausen fahren sollen.

"Mit derartigen Zahlentricks soll den Bürgern weisgemacht werden, dass der Bau von Rosensteintunnel samt Leuzetunnel weit geringere Auswirkungen hat", so Raab. Tatsächlich entstehe eine Stadtautobahn, die vor allem in Zuffenhausen und im Cannstatter Neckartal zu mehr Lärm und schlechterer Luft führe. Für die Bürgerinitiativen braucht es deshalb keinen Rosensteintunnel. "Mit verkehrslenkenden Maßnahmen wie einem Lkw-Durchfahrtsverbot und Geschwindigkeitsbeschränkung lässt sich die Situation auf der Pragstraße billiger und schneller verbessern", sagt Raab.

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