Bei Aktionen zum Schutz der Bienen ist die in Berlin ansässige Aurelia-Stiftung mit dabei. Sie wendet sich gegen den Einsatz von Pestiziden.Foto: Amrhein/Aurelia Stiftung Foto: Schwarzwälder Bote

Interview: Ex-Mellifera-Vorsitzender Thomas Radetzki setzt sich bei der Aurelia Stiftung für Wandel der Landwirtschaft ein

Rosenfeld/Berlin. Thomas Radetzki hat den Imkerverband Mellifera in der Fischermühle mitgegründet. Jetzt betreibt er Lobbyarbeit in Berlin als Vorsitzender der Aurelia-Stiftung, die sich als "Anwältin der Bienen" versteht. Er hat Fragen des Schwarzwälder Boten beantwortet.

Herr Radetzki, welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrer Aurelia-Stiftung?

Die Aurelia-Stiftung versteht sich als unabhängige Anwältin und Fürsprecherin der Bienen. Wir arbeiten daran, dass wir als Gesellschaft dem Bienen- und Insektensterben wirksam entgegentreten können. Dafür entwickeln wir zivilgesellschaftliche Bündnisse und Kampagnen, stärken die Forschung und Allgemeinbildung über Bienen und wollen möglichst viele Menschen zu persönlichem Engagement motivieren. Wo es nicht anders geht, streiten wir auch vor Gerichten für die Bienen, zum Beispiel, wenn es um eine dringend notwendige Anpassung des Zulassungsverfahrens für Pestizide an aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse geht.

Was sind Ihre persönlichen Ziele?

In mehr als 45 Jahren eigener Arbeit mit Bienen, der intensiven Beschäftigung mit ihrem Stellenwert für die Vielfalt unserer wunderschönen Landschaften und die Produktivität unserer Landwirtschaft habe ich gelernt, dass wir eine echte ökologische Agrarwende brauchen. Das ist eine existenzielle globale Herausforderung geworden. Den Untersuchungen der UNO folgend, ist die Landwirtschaft einer der größten Treiber des Klimawandels und Artensterbens. Das ist nur mit einem Umbau der Landwirtschaft aufzuhalten, bei dem wir die Landwirte nicht alleinlassen dürfen. Wir brauchen jetzt einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel. Dazu gehört eine gemeinwohlorientierte Wirtschaft, die die Bewahrung der natürlichen Ressourcen sowie soziale und kulturelle Erfordernisse vor kurzfristige ökonomische Interessen stellt.

Was waren die Beweggründe für Sie, nach jahrelanger Arbeit bei Mellifera in Rosenfeld nach Berlin zu gehen?

Ich habe den Mellifera e.V. im Jahr 1986 gegründet und fast 30 Jahre lang als geschäftsführender Vorstand geleitet. Besonders im vergangenen Jahrzehnt dieser Tätigkeit habe ich mich auf die politische Kampagnen- und Netzwerkarbeit konzentriert, was heute eine Kernaufgabe der Aurelia-Stiftung ist. Auch die juristische Bündnisarbeit zum Schutz der Bienen, die seit 2015 von Aurelia organisiert und finanziert wird, nahm in dieser Zeit ihren Anfang. Ich wollte mich diesen Aufgaben mit vollem Einsatz widmen und nach drei Jahrzehnten bei Mellifera einen Generationenwechsel möglich machen. Deshalb habe ich 2015 gemeinsam mit sieben Stifterinnen und Stiftern die Aurelia-Stiftung gegründet. Die ersten Schritte mit Aurelia haben wir zwar noch in Rosenfeld gemacht. Uns war aber klar, dass die Stiftung ihren Sitz in Berlin haben muss, um den Bienen eine möglichst starke, unabhängige Stimme in der deutschen Hauptstadt zu geben. Die mittlerweile europaweite Projekt- und Bündnisarbeit der Aurelia-Stiftung zeigt, dass der Umzug nach Berlin genau die richtige Entscheidung war.

Wie verläuft die Lobby-Arbeit, und welche Erfolge oder Misserfolge hat die Stiftung erzielt?

Es macht mich stolz und glücklich, wie rasant und positiv sich die Stiftung seit ihrer Gründung vor fünf Jahren entwickelt hat. Als "Anwältin der Bienen" hat Aurelia die bei Mellifera begonnene juristische Bündnisarbeit konsequent fortgeführt und wegweisende Urteile für Bienen und bestäubende Insekten auf europäischer Ebene erkämpft. Wir haben uns unter anderem erfolgreich dafür eingesetzt, dass einige besonders bienenschädliche Insektengifte aus der Wirkstoffgruppe der Neonicotinoide europaweit im Freiland verboten wurden. Weil die Hersteller-Konzerne gegen das Verbot geklagt haben, sind wir als Prozessbeteiligte durch alle Instanzen gegangen, um das Freilandverbot zu verteidigen. In Kürze wird der Europäische Gerichtshof als höchste Instanz ein letztgültiges Urteil dazu fällen. Ich bin optimistisch, dass auch dieses Urteil durch unser Mitwirken zugunsten der Bienen und Umwelt ausfallen wird.

Noch ein Erfolgsbeispiel: In Brandenburg haben wir die erfolgreiche Volksinitiative "Artenvielfalt retten – Zukunft sichern!" mitorganisiert. Wir verhandeln aktuell mit der Landesregierung und den Landwirtschaftsverbänden über einen besseren Umwelt- und Artenschutz in Brandenburg.

Stehen Sie noch in Verbindung mit Mellifera und Rosenfeld? Kommen Sie noch in die Fischermühle?

Leider viel seltener, als mir lieb ist. Aber ein enger Kontakt zu dem Verein und einigen alten Freunden besteht natürlich weiter. Bei manchen Projekten arbeiten die Aurelia-Stiftung und der Mellifera e.V. eng zusammen. Natürlich bin ich auch der wesensgemäßen Imkerei, die ich ja bei Mellifera mitentwickelt habe, weiterhin tief verbunden. Gerne würde ich auch bald einmal wieder die Fischermühle besuchen, aber meine Aufgaben in Berlin und die aktuelle Corona-Lage lassen das momentan einfach nicht zu.

Wie beeinflusst die Corona-Pandemie die Arbeit Ihrer Stiftung?

Natürlich haben auch wir bei Aurelia die Corona-Krise deutlich zu spüren bekommen. Da ging es uns wie vielen anderen gemeinnützigen Organisationen auch. Das Spendenaufkommen ist zurückgegangen, auch bereits zugesagte und budgetierte Fördermittel sind kurzfristig weggebrochen. Das hat uns trotz erfolgreicher Arbeit in eine finanziell schwierige Lage gebracht. Wir haben aber eine großartige Solidarität von mehr als 1000 Unterstützern erfahren, die auf unseren Spendenaufruf zum Jahresende reagiert haben. Wir können unsere Arbeit für die Bienen 2021 zuversichtlich fortsetzen. Dafür sind wir sehr dankbar! Da wir als Stiftung kein großes Grundstockvermögen haben, sind wir auf regelmäßige Spenden von Privatpersonen angewiesen, die hinter unserer Arbeit stehen.

Mit welchen Partnern und Organisationen arbeiten Sie zusammen?

Schwierig, hier einzelne Partner herauszupicken. Wir arbeiten projekt- und fachspezifisch mit ganz verschiedenen gemeinnützigen Institutionen zusammen, die unsere Ziele und Werte teilen. Einen guten Überblick über unser Partnernetzwerk finden Sie auf unserer Webseite unter www.aurelia-stiftung.de/ueber-uns/partner-netzwerk.