Anna und Michael Marzell fühlen sich in ihrer Wahlheimat Rohrdorf wohl. Foto: Rennig Foto: Schwarzwälder-Bote

Anna und Michael Marzell aus Rohrdorf seit 50 Jahren verheiratet

Von Barbara Rennig

Rohrdorf. Wenn Anna und Michael Marzell an ihrem heutigen goldenen Hochzeitstag auf fünf Jahrzehnte gemeinsamen Weges zurückblicken, werden auch viele Erinnerungen an die ehemalige Heimat Siebenbürgen wach, auch wenn die beiden sich seit rund 20 Jahren in ihrer Wahlheimat Rohrdorf wohl fühlen.

In Rosenau bei Kronstadt wurde Michael Marzell 1935 als jüngstes von drei Kindern eines Landwirtes geboren. Nach Kriegsende wurden die Deutschen in Siebenbürgen enteignet, die meisten zur Zwangsarbeit nach Russland verpflichtet, darunter auch Michael Marzells Vater, der dort unter all den Belastungen tragisch wegen Hungers verstarb. Nach der Schule lernte Michael Marzell das Mechanikerhandwerk, arbeitete ab 1952 aber in einer Transformationsstation als Elektriker und war bis 1957 bei der Marine. Danach folgte zunächst in seinem Heimatort Rosenau eine Anstellung beim Militär als Elektriker, später in einem Staatsgut, wo auch seine zukünftige Frau arbeitete. Die Wege der beiden sollten aber auf ganz andere Weise zusammenführen.

Die Landwirtstochter Anna Gall, als mittleres von sechs Kindern in Hamroden bei Schäßburg/Siebenbürgen gebürtig, hatte die technische Landwirtschaftsschule absolviert und sollte in einem Staatsgut als Technikerin arbeiten. Weil ihr Vorgesetzter jedoch meinte, Technik sei nichts für Mädchen, wurde Anna Gall in der Buchhaltung eingesetzt.

Auf einem privaten Silvesterfest, wohin eine Rosenauer Freundin die damals 24-Jährige eingeladen hatte, lernten sich die beiden jungen Leute in der Altjahresnacht 1958 kennen und verliebten sich ineinander. 1964 schlossen sie den Bund fürs Leben. Zwei Kinder bereicherten die Familie, und weil die Deutschen in Rumänien unter allerhand Schikanen zu leiden hatten, stellten die Marzells 1977 einen Antrag auf Ausreise, wohl wissend, dass sie damit auch auf der "schwarzen Liste" standen und mit mehr Repressalien zu rechnen haben würden.

1985 schließlich gelangte die Familie, mit nur dem Nötigsten in zwei Koffern, über Nürnberg und Rastatt nach Nagold, wo Michael Marzell in der Haiterbacher Firma Meva eine Anstellung fand und wegen seines Fleißes hohes Ansehen genoss. Dies war auch für Anna Marzell, die sich in einer Übungsfirma in Sachen Buchhaltung fortbildete, schließlich ein Glücksfall, denn der Arbeitgeber ihres Mannes stellte sie danach spontan als Buchhalterin ein, was der Familie in der neuen Heimat existentielle Sicherheit gab. 1993 konnten sie ein Häuschen in Rohrdorf kaufen, das Michael Marzell renovierte und nach und nach umbaute. Später kamen ein Wintergarten und ein Gewächshaus hinzu, in dem Anna Marzell eigene Zucchini, Paprika und Tomaten anbaut, darunter eine seltene rumänische Sorte. Ein Flächenlos im Hildrizhausener Forst sichert den Marzells seit Jahren auch heizungstechnisch Unabhängigkeit, denn Michael Marzell hackt dort das Buchenholz, mit dem sie den Kaminofen befeuern – und es ist, neben dem Handwerken, ebenso ein Hobby für den Jubelbräutigam. Im großen Garten arbeiten beide auch nach ihrer Berentung Ende der 1990er-Jahre immer wieder gerne, und erst letztes Jahr haben sie auch die alte Heimat wieder besucht. Dabei schmerzt es sie, dass das ehemals reiche Land Rumänien, "die Kornkammer Europas", mit großen Bodenschätzen und auch hervorragenden Weinen gesegnet, durch lange Misswirtschaft nun brach liegt.

Weil die jüngste Enkelin genau am Hochzeitstag eingeschult wird, hat das Jubelpaar die Feier, die sie im Kreise von Familie und Freunden begehen wollen, auf Oktober verschoben.