Bemüht sich um Haltung, wirkt aber ausgebrannt: Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron. Foto: imago/Aabacapress

Die umstrittene Rentenreform in Frankreich tritt in Kraft. Emmanuel Macron hat sich durchgesetzt – aber er zahlt dafür einen hohen Preis.

Es sah nicht gut aus für Emmanuel Macron: Hunderttausende Franzosen gingen im Frühjahr gegen seine Rentenreform auf die Straße. Selbst abgelegene Dörfer erlebten eine „Manif“, eine Demonstration. In Paris kam es zu blutigen Zusammenstößen mit der Polizei. Allerdings ließen es die Gewerkschaften nie zum Äußersten nicht einmal die sonst radikale CGT. Diese Haltung, die den sogenannten schwarzen Block bei den Demonstrationen erfolgreich isolierte, bewirkte letztlich die Niederlage der Gewerkschaften: Macron konnte die Proteste aussitzen und auf Zeit spielen. Dabei hat seine Partei Renaissance in der Nationalversammlung nicht einmal eine Mehrheit; der Präsident musste die Reform deshalb mit dem Verfassungsartikel 49 durchdrücken. Als der Verfassungsrat den Einsatz dieser institutionellen Brechstange genehmigte, hatte die Linke keine Handhabe mehr.

Vier Monate später tritt die Reform nun in Kraft. Das Rentenalter steigt von 62 auf 64 Jahre. Zudem entfallen die Vergünstigungen für die Pariser Metroangestellten RATP, den Staatskonzern Electricité de France (EDF) oder die Banque de France. Macrons Premierministerin Elisabeth Borne musste aber auch Zugeständnisse machen: wer schon mit 17 oder 18 Jahren ins Berufsleben eingestiegen war, geht früher in Rente. Die Mindestrente beträgt nun 848 Euro, hundert Euro mehr als bisher. Mütter erhalten fünf Prozent mehr Rente. Dennoch ist die Reform unausgewogen. Für Balletttänzerinnen gelten Ausnahmen, nicht aber für die Theaterschauspieler der Comédie Française. Auch Matrosen und Piloten, Anwälte und Notare, Ärzte und Apotheker wahren Privilegien.

Der Staatschef wirkt ausgebrannt

Viel gerechter ist das neue Rentensystem deshalb nicht. Und auch wenn sich der Ruhestand mit 64 Jahren dem europäischen Schnitt annähert, bleibt das System der französischen „Retraite“ wegen der hohen Pensionen fragil. Die Betroffenen reagieren: Laut einer Umfrage wollen 84 Prozent der Französinnen und Franzosen zusätzlich zur staatlichen Pension eine private Rentenversicherung abschließen.

Und Emmanuel Macron? Der 2022 wiedergewählte Präsident hat sein wichtigstes Wahlversprechen gegen heftigen Widerstand eingelöst. Medien aber sprechen von einem Pyrrhussieg. Unpopulär, weil er die Reform gegen das Volk in Kraft setzt und ohne Parlamentsmehrheit wirkt der Staatschef angeschlagen, ja ausgebrannt.

Anders seine Gegner. Die neue CGT-Chefin Sophie Binet warnte Macron: „Die Wut ist immer noch sehr groß.“ Will sagen: Die Gewerkschaften und die Linksparteien warten nur auf eine Gelegenheit, es dem geschwächten Staatschef heimzuzahlen. Die Rechte trumpft auf und verlangt eine Volksabstimmung über das Reizthema Immigration. Die Linke, allen voran die „Unbeugsamen“ von Jean-Luc Mélenchon fordern eine Tarifrunde zur Abfederung der Inflation.

Macron wirkt dagegen wie gelähmt. Seine vier verbleibenden Jahre im Elysée bis zu den Neuwahlen – 2027 kann Macron verfassungsbedingt nicht mehr antreten – scheinen derzeit wie eine Ewigkeit.