Diese Illustration zeigt das 3D-Modell des 1919 vor Helgoland gesunkenen U-Boots „UC 71“. Ein Forscherteam hat es mit Hilfe einer Software aus 30 000 Fotos erstellt. Foto: 3DVisLab und Submaris/dpa

Unaufhörlich nagt die Nordsee an „UC 71“. Das deutsche U-Boot aus dem Ersten Weltkrieg sank im Jahr 1919 vor der Hochseeinsel Helgoland. Nun haben Forscher ein 3D-Modell davon erstellt. So wollen sie ein Stück Geschichte des 20.Jahrhunderts bewahren.

Mit Hilfe von rund 30 000 Fotos hat ein internationales Forscherteam ein detailliertes 3D-Modell des deutschen U-Boot-Wracks „UC 71“ aus dem Ersten Weltkrieg erstellt.

„Als Taucher sehen wir aufgrund der eingeschränkten Sicht immer nur einen kleinen Ausschnitt. Jetzt können wir erstmalig das ganze U-Boot betrachten, erkunden und mit allen teilen, die sich dafür interessieren“, sagt Forschungstaucher und Projektleiter Florian Huber. „Wir haben das Unsichtbare sichtbar gemacht.“

Von 1916 bis 1918 versenkte „UC 71“ 61 Schiffe

Das U-Boot wurde ab dem 12. Januar 1916 bei der Werft Blohm & Voss in Hamburg gebaut. Der Stapellauf fand am 12. August 1916 statt. Die Übergabe an die Kaiserliche Marine und die Indienststellung waren am 28. November 1916.

Nach einer ausführlichen Erprobung wurde „UC 71“ am 3. März 1917 im belgischen Flandern der II. U-Flottille Flandern zugeteilt. Am 13. Oktober 1918, nach der Aufgabe der flandrischen Stützpunkte wegen des allgemeinen deutschen Rückzugs, wurde es zur I. U-Flottille der Hochseeflotte versetzt, wo es bis zum Kriegsende am 11. November 1918 verblieb.

„UC 71“ führte 19 Feindfahrten durch und versenkte mit seinen Torpedos, Minen und Sprenggranaten während des Ersten Weltkriegs 61 Schiffe, wie Huber recherchierte.

U-Boot liegt in 23 Meter Tiefe vor Helgoland

Bei der Überführung sank „UC 71“ am 20. Februar 1919 südlich von Helgoland. 2014 ergaben Untersuchungen, dass die Besatzung ihr Boot selbst versenkt hatte. Anfang Juli 2023 dokumentierte ein Forscherteam um den Kieler Forschungstaucher Florian Huber das Wrack vor der Hochseeinsel in 23 Metern Tiefe. Mit vier hochauflösenden Kameras filmten die Taucher die Überreste auf dem Meeresboden.

Aus diesen Clips wurden später 30 000 Fotos extrahiert, die mit Hilfe einer Software zu einem exakten digitalen Modell verrechnet wurden. 2024 soll das 3D-Modell ausgedruckt, bemalt und im Rahmen einer eigenen Ausstellung im Museum Helgoland gezeigt werden.

„UC 71“ im sogenannten SideScanSonar. Foto: Dr. Florian Huber/Universität Bremen
Ein Forscher taucht in der Nordsee vor einem Wrackteil des 1919 vor Helgoland gesunkenen U-Boots „UC 71“. Foto: dpa/Dr. Florian Huber
Eine Schraube des 1919 vor Helgoland gesunkenen „UC 71“. Foto: dpa/Dr. Florian Huber
Historisches Bild von „UC 71“ bei der Probefahrt. Foto: Imago/Gemini Collection
„U-71“ beim Bau auf der Werft in Hamburg. Foto: Dr. Florian Huber

50 Meter langes Wrack zerfällt

„UC 71“ steht seit 2012 unter Denkmalschutz. „Doch nach über 100 Jahren in der stürmischen und hochdynamischen Nordsee zerfällt das 50 Meter lange Wrack langsam, aber unaufhaltsam“, berichtet Huber.

„Die 3D-Modellierung bietet der Unterwasserarchäologie seit ein paar Jahren völlig neue Möglichkeiten für die Dokumentation und Visualisierung unter Wasser liegender Fundstellen.“ Die Modelle stünden für wissenschaftliche Dokumentationen genauso zur Verfügung wie für Präsentations- und Visualisierungszwecke in Museen.

Ein deutsches U-Boot versenkt einen britischen Frachter. Foto: Imago/Gemini Collection
Deutsches U-Boot im Ersten Weltkrieg auf Feindfahrt im Atlantik. Foto: Imago/Shotshop
Deutsches U-Boot in rauer See im Atlantik. Foto: Imago/Photo12
Ein deutsches U-Boot attackiert einen britischen Frachter (Gemälde aus dem Jahr 1915). Foto: Imago/Gemini Collection
Schematische Darstellung des deutschen U-Boots von „U 65“ ( Grafik von 1915). Foto: Imago/Gemini Collection
Kommandozentrale eines deutschen U-Bootes im Ersten Weltkrieg. Foto: Imago/agefotostock
Deutsche U-Boot-Besatzung im Ersten Weltkrieg. Foto: Imago/agefotostock
Abgewracktes deutsches U-Boot nach Kriegsende 1918. Foto: Imago/Shotshop
Deutsches U-Boot „U 15“ im ersten Kriegsjahr (August/September 1914). Foto: Imago/Gemini Collection
Besatzung des britischen U-Boots „U 11). Foto: Imago/United Archives International
Das britische U-Boot „U 9“ aus dem Ersten Weltkrieg. Foto: Imago/United Archives International

Einzigartiges Stück deutscher Geschichte

An dem Photogrammetrie-Projekt waren auch Spezialisten aus Finnland und Schottland beteiligt. „Durch die digitale Dokumentation von UC 71 kann jetzt ein einzigartiges Stück deutscher Geschichte bewahrt und einem großen Publikum zugänglich gemacht werden“, betont Chris Rowland von der schottischen Universität Dundee.

Info: Wie tief können U-Boote tauchen?

U-Boote
Unterseeboote – kurz U-Boote – sind Spezialschiffe, die für Fahrten unter Wasser konstruiert sind. Aufgrund ihres Aufbaus können sie im Wasser schwimmen, unter Wasser schweben, sinken oder steigen. Erreicht werden diese Eigenschaften durch Tauchzellen oder Tauchtanks, in denen sich als Ballast Wasser befindet. Wie tief ein U-Boot tauchen kann, hängt von seiner Konstruktion und seinem Einsatzzweck ab. In der folgenden Übersicht stellen wir einige U-Boote und ihre unterschiedlichen Tauchtiefen vor:

12 bis 20 Meter
Bei herkömmlichen U-Booten aus dem Zweiten Weltkrieg betrug die Sehrohrtiefe – in der Regel gemessen als Strecke vom Kiel des Boots bis zur Wasseroberfläche – zwischen 12 und 20 Metern. Sie ist abhängig von der Höhe des U-Bootes, die zwischen 7 und 10 Metern lag.

130 Meter
Die deutschen U-Boote der Klasse VII aus dem Zweiten Weltkrieg waren die am häufigsten produzierte U-Boot-Klasse der Marinegeschichte. Sie hatten eine Tauchtiefe von 130 Metern und konnten bis zu 200 Metern tief tauchen.

200 Meter
Die meisten modernen U-Boote sind für das Eintauchen in eine Tiefe von 200 Metern ausgelegt.

250 bis 400 Meter
Die U-Boote der Klasse 212 A/U 31-Klasse gehören zu den modernsten U-Boote der Bundesmarine. Sie erreichen eine Tauchtiefe von 250 bis maximal 400 Metern.

300 bis 450 Meter
Militärische U-Boote haben in der Regel eine Tauchtiefe von 300 bis 400 Metern – maximal bis 600 Meter.

800 Meter
Rettungs-U-Boote können Tiefen von über 800 Metern standhalten. Die Besatzung der Tiefseefahrzeuge hält sich in einem kugelförmigen Druckkörper auf.

900 Meter
Spezielle sowjetische Atom-U-Boote hatten Titan-Druckrümpfe und konnten bis zu einer Tiefe von bis zu 900 Metern tauchen.

1027 Meter
Am 4. August 1985 erreichte das sowjetische Atom-U-Boot K-278 Komsomolez des Projekts 685 im Europäischen Nordmeer eine Rekordtiefe von

1370 Meter
Unterseeboote 1370 Meter Tiefe erreichten die Tiefsee-Pioniere Otis Barton und William Beebe im Jahr 1948 mit ihrer Bathysphäre – einer an einem Kabel hängenden stählernen Kugel. Bereits 1934 hatten sie mit der Kugel einen Tauchrekord von 923 Metern Tiefe aufgestellt.

4500 Meter
So tief kommt das amerikanische Forschungstauchboot Alvin. Mit der Alvin entdeckten Wissenschaftler 1977 in mehr als 2000 Metern Tiefe vor den Galapagos-Inseln die sogenannten Schwarzen Raucher – kaminartige Hydrothermalquellen am Ozeanboden.

6000 Meter
In diese Tiefe kann der Tauchroboter Victor 6000 vorstoßen und dort mehrere Tage lang arbeiten. Victor 6000 hilft bei der Erforschung des Meeresbodens der Arktis.

6500 Meter
Eines der bekanntesten Tauchboote ist das Tiefsee-U-Boot Alvin der US-Marine, das bis zu 6500 Meter tauchen kann. Mit der Alvin wurde 1986 auch der Tauchgang zum Wrack der Titanic in mehr als 3800 Metern unternommen.

7000 Meter
Das chinesische Tiefsee-U-Boot Jiaolong kann Tiefen von mehr als 7000 Meter erreichen.

10 898 Meter
Am 26. März 2012 erreichte der US-Regisseur James Cameron („Titanic“) mit seinem Boot Deepsea Challenger alleine und erst als dritter Mensch in einer Tiefe von 10 898 Metern den Grund des Challengertiefs im Marianengraben, den mutmaßlich tiefsten Punkt der Weltmeere.

10 912 Meter
Spezielle zivile Tiefsee-U-Boote können jeden Punkt des Meeresbodens erreichen. Lange Zeit hielten Jacques Piccard und Don Walsh mit dem Tauchboot Trieste den Rekord. Am 23. Januar 1960 schafften sie es, 10 912 Meter tief zu tauchen. Die Bathyscaph-Boote Piccards bestanden aus einem großen Behälter für Ballast und Auftriebsbenzin oberhalb des Druckkörpers.

10 928 Meter
Erst 2019 wurde Picards Rekord von dem amerikanischen Abenteurer Victor Vescovo gebrochen, der mit seinem Spezialtauchboot DSV Limiting Factor 16 Meter tiefer auf 10 928 Meter tauchte.