Intendant des Stuttgarter Balletts Reid Anderson Foto: Kraufmann

Ein Probezentrum würde dem Stuttgarter Ballett gut stehen, findet Intendant Reid Anderson.

Stuttgart - Im Jahr 2012 läuft der Vertrag von Reid Anderson aus. Der Intendant des Stuttgarter Balletts hatte bereits die letzte Verlängerung mit der Hoffnung auf neue Räume für die John-Cranko-Schule und seine Kompanie verknüpft. Im nächsten Jahr feiert die Schule ihren 40. Geburtstag - im alten Haus.

Herr Anderson, Ihre Kollegen von Schauspiel und Oper haben vor kurzem das Probenzentrum Nord eröffnet. Was haben Sie da empfunden?

Für mich war das schwer zu ertragen. Eigentlich hätte es die neue John-Cranko-Schule sein müssen, die eingeweiht wird. Ein Probenzentrum für die Kompanie soll ja Teil des Neubaus für die Schule sein. Dafür kämpfe ich seit Jahren, denn das Stuttgarter Ballett hat nicht mal einen Probensaal mit den Dimensionen unserer Bühne. Seit 14 Jahren will ich die Säulen im großen Ballettsaal weghaben - die sind immer im Weg, aber immer noch da. Und dann bekommen Oper und Schauspiel so ein tolles Gebäude. Da frage ich mich: Was habe ich in den vergangenen Jahren falsch gemacht? Ich kämpfe ja nicht nur für einen Neubau für die Schule, sondern auch dafür, dass die Kompanie eine ordentliche Probensituation bekommt.

Fühlen Sie sich von Ihren Mitintendanten zu wenig unterstützt?

Nein, alle Intendanten kämpfen für einander, damit das Staatstheater, die Kunst weiterkommt. Ich habe mich ja auch für das neue Probenzentrum eingesetzt, so wie die anderen Intendanten sich für die Schule eingesetzt haben. Aber: Meine Kollegen haben bekommen, was sie wollten, ich leider nicht. Da hatte ich doch ein paar schwere Tage.

Haben Sie deshalb bei der Einweihungsfeier gefehlt?

Ja.

Die räumliche Situation des Stuttgarter Balletts im Opernhaus ähnelt der eines Untermieters, der das Dienstmädchenzimmer unterm Dach bewohnt. Für die Sparte, die international die meiste Aufmerksamkeit genießt, nicht unbedingt angemessen. Sind Tänzer einfach zu duldsam?

Vielleicht. Die Tänzer wissen zum Teil nicht, was ihnen fehlt. Wenn sie anderswo gastieren wie unsere Ersten Solisten, dann wissen sie schon, wie es anderswo aussieht und dass wir überhaupt nicht das haben, was andere große Kompanien unseres Ranges haben. Aber Tänzer meckern nicht, sie arbeiten und kommen mit der Situation klar.

Ihr Vertrag läuft 2012 aus. Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster und Kunstminister Peter Frankenberg möchten, dass Sie bleiben. Sie auch?

Ja, ich möchte bleiben!

Wenn Sie nun mit den beiden Herren über Ihren Vertrag verhandeln, dann...

Ich möchte nicht verhandeln, ich möchte bleiben.

"Das ist der nordamerikanische Weg"

Das heißt, Sie stellen keinerlei Bedingungen an Ihre Vertragsverlängerung?

Ich will unbedingt den Neubau für die Schule haben. Nicht nur für die Schule, auch für die Kompanie. Ich freue mich ehrlich für die Oper und das Schauspiel über das neue Probenzentrum. Aber als Tadeusz Matacz mir sagte, dass es dort einen Fitnessraum für die Sänger und Schauspieler gibt, musste ich schon schlucken. Meine Tänzer haben nur ein 20 Quadratmeter großes Fitnessräumchen. In der einen Hälfte arbeiten die Physiotherapeuten, in der anderen Hälfte haben wir zwei Fitnessgeräte aufgestellt, die übrigens gespendet wurden. Wir wollten auf keinen Fall, dass die Tänzer für teures Geld in einen Fitnessclub gehen müssen. Jetzt haben Oper und Schauspiel einen großen Fitnessraum, den sie auch unbedingt haben sollen, aber wir haben nichts. Als wir vor Jahren über diese ganzen räumlichen Veränderungen diskutierten, ging es immer auch um die Schule, die zum gleichen Zeitpunkt wie das Probenzentrum für Schauspiel und Oper hätte gebaut werden sollen. Das "Nord" ist fertig. Bis ich das von der Schule sagen kann, wird es noch viele Jahre dauern.

Der Verwaltungsrat der Staatstheater hat beschlossen, einen Architektenwettbewerb für einen Neubau der Schule durchzuführen. 300.000 Euro stehen dafür zur Verfügung, auch vom Kunstministerium gibt es grünes Licht. Das ist doch ein gutes Signal.

Ja, die Schule ist im Kommen. Ich glaube fest daran, dass sie kommen wird. Jetzt wird der Wettbewerb ausgeschrieben, dazu das tolle Grundstück des Landes. Und wenn dann irgendwann gebaut wird, werde ich sehr glücklich sein. Ob ich dann noch Intendant bin, weiß ich allerdings nicht.

Haben Sie zu spät Druck gemacht?

Ich habe immer versucht, Druck zu machen. Aber es ist mir offenbar nicht gelungen, das muss ich leider sagen. Obwohl ich mit meiner Arbeit, mit der Kompanie, mit der Atmosphäre im Staatstheater sehr zufrieden bin. Auch deswegen will ich bleiben: Weil das Klima im Haus, die Zusammenarbeit mit den anderen Intendanten einfach schön ist. Ich bin gerne hier, aber ich bin sehr enttäuscht, und das kann ich nicht anders sagen.

Werden Sie das bei der Vertragsverlängerung thematisieren?

Ja, und das wissen viele Leute auch schon. Aber ich bin nicht der Typ, der sagt: "Wenn ich das nicht kriege, dann..." Ich kann nicht so tun, als ob; das ist nicht professionell, nicht mein Stil. Aber ich will vorankommen. Ich weiß, dass der Verwaltungsrat und auch viele Politiker den Neubau für die Schule wollen. Natürlich ist es schwer, sich in einer Zeit zu engagieren, in der es viele finanzielle Probleme gibt. Ich habe dafür Verständnis. Aber jedes Jahr, in dem die neue Schule nicht realisiert wird, ist ein Jahr, in dem unsere Schüler kein angemessenes Umfeld haben und wir Talente an andere, besser aufgestellte Schulen verlieren werden. Die Zeit läuft.

Könnte ein Sponsor, der eine größere Summe, aber auch einen Zeitrahmen vorgibt, dabei helfen, schneller etwas zu bewegen?

Natürlich würde das helfen, das ist der nordamerikanische Weg, den zu gehen ich gewohnt bin. Dazu kann ich nur sagen: Wir arbeiten daran.