Die Mitte-Rechts-Koalition wollte den Einfluss des als prorussisch geltenden Staatschefs Rumen Radew (Foto) begrenzen. Foto: dpa/Str

Die Mitte-Rechts-Koalition in Bulgarien steht vor dem Zerfall. Es könnte zur sechsten Wahl in drei Jahren kommen.

Sie herzten sich nie, jetzt prügeln sie sich: Die wenig harmonischen Szenen ihrer Zweckehe, die die unwilligen Partner von Bulgariens prowestlicher Mitte-Rechts-Koalition dem ermatteten Publikum bieten, lassen die Hoffnungen auf ein Jahr ohne Neuwahlen schwinden. Bereits zur Halbzeit ihrer zunächst auf 18 Monate angelegten Regierungsmission haben sich das Antikorruptionsbündnis PP-DB und die rechte Gerb-Partei scheinbar hoffnungslos verkracht.

Druck der EU-Partner und die Hoffnung auf die Beendigung von Bulgariens Dauerkrise mit fünf Parlamentswahlen in zwei Jahren hatten die Erzrivalen im Juni zum gemeinsam Einstieg in ein Regierungsboot auf Zeit bewegt. Einerseits wollten die ungleichen, aber prowestlichen Partner den Balkanstaat für den anvisierten Beitritt zur Euro- und Schengenzone endlich in ein ruhigeres Fahrwasser lotsen. Andererseits wollten sie zu Zeiten des Ukrainekriegs den Einfluss des als prorussisch geltenden Staatschef Rumen Radew begrenzen.

Schwelende Spannung

Zum ersten Premier des Zweckbündnisses wurde zunächst Nikolai Denkow (PP-DP) gekürt, der nach neun Monaten mit Außenministerin Mariya Gabriel (Gerb) seinen Job tauschen sollte. Doch obwohl Denkow zu Monatsbeginn wie abgesprochen seinen Rücktritt einreichte, lässt die geplante Rotation auf dem von ihm nur noch geschäftsführend gehaltenen Premieramt noch immer auf sich warten. Der Grund: Die PP-DP weist die von Gabriel letzte Woche bei Staatschef Radew ohne Rücksprache eingereichte Kabinettsliste empört zurück.

Nicht nur der Verlust des von der Gerb 18 Jahre lang gehaltenen Rathauses in Sofia an die PP-DP hat in der labilen Koalition für schwelende Spannungen gesorgt. Als der etwas größere der nahezu gleichstarken Partner will die vom Ex-Premier Boris Borissow geführte Gerb die Rotation unbedingt zur Stärkung ihres Einflusses nutzen – und stößt bei der PP-DP auf erbitterten Widerstand.

Wackelige Justizreform

Zum großen Ärger der PP-DP beansprucht Gabriel neben dem ihr zufallenden Amt des Premiers auch noch den bisher gehaltenen Posten als Außenministerin. Mit Gabriel als Premierministerin sei eine Regierungsbildung nicht mehr möglich, empört sich der Finanzminister und PP-Co-Vorsitzende Assen Vassilew: Die frühere EU-Kommissarin sei „das neueste und schönste Gesicht der Mafia“.

Nur eine Entschuldigung von Vassilew sowie dessen Rückzug aus dem Kabinett könnten für seine Partei den Weg zur Rückkehr an den Verhandlungstisch ebnen, kontert Gerb-Chef Borissow, der mit einem Ultimatum an die Partner gewillt scheint, den sich abzeichnenden Bruch der Koalition zu forcieren.

Umgekehrt deutet die PP an, dass auch die Widerstände der in zahlreiche Korruptionsskandale verwickelten Gerb gegen die anvisierte Justizreform die Risse im Koalitionsgebälk vertiefen: Ein funktionierenden Justiz-System würde dafür sorgen, dass „Borissow verhaftet“ würde, so die PP-Politikerin Venezia Nemsova. Nur 33 Prozent der Bulgaren versprechen sich derweil laut einer Gallup-Umfrage von erneuten Neuwahlen einen Ausweg aus der Krise.

Doch genau dieses Szenario scheint dem gebeutelten Balkanstaat erneut zu drohen: Es wäre die 6. Parlamentswahl in drei Jahren.