Teilnehmern einer Demonstration gegen einen Aufmarsch von Neonazis gehen mit Schildern mit durchgestrichenen Hakenkreuzen durch Chemnitz Foto: dapd Foto:  

Neonazi-Morde: Behörden der Fußball-WM 2006 verfolgten Spur trotz Warnungen nicht weiter.

Berlin - Obwohl ein Fallanalytiker der bayrischen Polizei einen Monat vor der Fußball-WM 2006 in Deutschland ein rechtsextremistisches Motiv hinter der Mordserie an neun türkischen und griechischen Kleinunternehmern vermutete, sahen die auch für die Sicherheit der WM zuständigen Behörden damals keinen Anlass, diese Spur zu verfolgen. Das ergaben Recherchen unserer Zeitung.

Am 4. und 6. April 2006 hatten die Neonazis Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in Dortmund und Kassel die Morde acht und neun an Ausländern begangen. Im Mai hatte der bayrische Profiler Alexander Horn ein Täterprofil erstellt, in dem er eine fremdenfeindliche Gesinnung der Täter und eine Nähe zur rechten Szene als wahrscheinlich beschrieb. Ein FBI-Kollege hatte das später bekräftigt. Am 9. Juni 2006 begann die WM.

Anlässlich der von Neonazis ausgerufenen „national befreiten Zonen“ gab es seinerzeit eine politische Debatte über so genannte No-Go-Areas für ausländische WM-Fans. Dies war deutschen Politikern sowie Sportfunktionären unangenehm. Statt diesem Hinweis auf reale Gefahren gemeinsam nachzugehen, blieben Verfassungsschutz und die auch mit der Vorbereitung der WM befassten Verantwortlichen der Polizei insoweit untätig. Letztere hatten nach eigenen Angaben „keine eigenen Informationen oder Hinweise von anderen deutschen Sicherheitsbehörden erhalten, dass hinter der Mordserie Rechtsterroristen stehen könnten. Sehr wohl wurden die neun Morde besprochen, in der Erwartung, dass die Fälle von den an der WM teilnehmenden Nationen-Delegationen angesprochen würden“, sagte ein damals Verantwortlicher unserer Zeitung.

Jetzt soll Schäuble befragt werden

Ahnungslos gab sich das Bundesamt für Verfassungsschutz auch in seinem Jahresbericht 2006. Dort schrieb es, die Zahl der Tötungsdelikte mit rechtsextremistischem Hintergrund habe in den Jahren 2005 und 2006 Null betragen: „Rechtsterroristische Strukturen waren 2006 in Deutschland nicht feststellbar. Allerdings wurden bei mehreren polizeilichen Durchsuchungsmaßnahmen Waffen und Munition festgestellt.“

Zur Aufklärung der Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) soll der frühere Bundesinnen- und heutige Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vom Bundestags-Untersuchungsausschuss befragt werden, warum er nicht das Bundeskriminalamt angewiesen hat, zentral zu ermitteln.