Wie stark werden rechte Parteien im neuen Europaparlament? Foto: Imago/Björn Trotzki

Im Juni werden viele rechts-nationale Parteien in das Europaparlament einziehen. Was bedeutet das für die Zusammenarbeit der Abgeordneten und für die Zukunft der Europäischen Union?

Das Europaparlament steht bei der Wahl im Juni vor einem Rechtsruck. Ein Blick auf die aktuelle politische Landkarte Europas lässt keinen anderen Schluss zu. In vielen EU-Staaten sind nicht nur konservative, sondern sogar rechtsnationale Parteien auf dem Vormarsch. In Schweden und Finnland sind die Rechtspopulisten als Juniorpartner der Christdemokraten an der Regierung beteiligt, in Italien stellen sie mit der Postfaschistin Giorgia Meloni die Regierungschefin, und in den Niederlanden hat Geert Wilders jüngst die Wahl gewonnen. Zudem sehen in Frankreich die Demoskopen den Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen als deutlich stärkste Kraft bei den Europawahlen. Auch in Deutschland befindet sich die AfD auf einem Höhenflug und liegt stabil deutlich über 20 Prozent.

Europakritiker können nicht blockieren

Erwartet wird, dass durch das Erstarken der Rechtspopulisten der Ton im Parlament vor allem bei Themen wie der Migration wesentlich rauer werden wird. Auch wird die immer wieder auflebende Debatte über eine verstärkte Zusammenarbeit und Vertiefung der Europäischen Union oder die Hinwendung zu einem „Europa der Vaterländer“ weiter angeheizt werden.

Keiner der Europaparlamentarier äußert allerdings die Sorge vor einem Auseinanderbrechen der EU. Experten gehen davon aus, dass die beiden rechten, europakritischen Fraktionen im Parlament, die EKR (Europäische Konservative und Reformer) mit der polnischen PiS als stärkster nationaler Kraft, und die ID (Identität und Demokratie), in der unter anderem der Rassemblement National oder auch die AfD vertreten sind, bis zu 180 der 705 Mandate erringen können. Sie sind also weit davon entfernt, etwa demokratische Entscheidungen blockieren zu können.

„Wer die Probleme löst, der macht die Extremisten klein“

Moritz Körner beklagte aus diesem Grund jüngst, dass die Gefahr bestehe, „dass wir sehr viel über die Rechten reden, obwohl sie im Grunde nicht da sind“. Die Demokraten sollten aufhören, „wie das Kaninchen vor der Schlange“ zu sitzen und sich darauf zu konzentrieren, die drängenden Probleme zu lösen. „Denn wer die Probleme löst, der macht die Extremisten klein“, lautet das Fazit des deutschen Liberalen.

Moritz Körner spricht einen zentralen Punkt an, denn die Parteien aus dem rechtsnationale Lager sind bisher vor allem als polternde Zwischenrufer im Parlament, aber nicht als Problemlöser aufgefallen. Das hat einen zentralen Grund: Ihre Vertreter sind in zentralen Fragen untereinander zu sehr zerstritten, um politisch wirklich handlungsfähig zu sein. Am deutlichsten wird das beim Thema Migration. So fordert in Italien die Postfaschistin Meloni die Solidarität der anderen EU-Staaten ein. Ihr Land kann die Menschen kaum noch aufnehmen, die sich über das Meer in Richtung Europa aufgemacht haben. Doch beißt sie beim ungarischen Premierminister Viktor Orbán auf Granit. Er will anderen Ländern keine Migranten abnehmen, wie es der Mitte Dezember geschlossene Kompromiss zur Reform des Asylsystems vorsieht.

EVP öffnet sich nach Rechtsaußen

Die rechtsnationalen Vertreter scheitern aber nicht nur am internen Zwist. Es zeigt sich immer wieder, dass die Abgeordneten bei der wichtigen und anstrengenden Arbeit in den Ausschüssen des Parlaments – das ist dort, wo die Politik tatsächlich ausformuliert wird – nicht gerade die fleißigsten sind und mit ihren Ideen auch deshalb nicht durchdringen.

Ein Mann, der den sich ankündigenden Rechtsruck im Parlament für seine eigenen Ziele zu nutzen versucht, ist Manfred Weber (CSU). Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP) positioniert seine Fraktion etwa bei Umweltthemen immer schärfer gegen Grüne und Sozialdemokraten – und sammelt dabei auch gerne Stimmen von Rechtsaußen ein. Das bringt vor allem die Grünen auf die Palme. So kritisierte Rasmus Andresen, der Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament, Manfred Weber „flirtet mit nationalistischen und europafeindlichen Parteien“. Solche Vorwürfe lassen Manfred Weber allerdings kalt. Denn er versucht schon jetzt, mögliche Koalitionen für die nächste Legislaturperiode vorzubereiten, um seine konservative Agenda umzusetzen. Dazu öffnet er die EVP weit nach rechts – auch für die Postfaschistin Giorgia Meloni.