Gähnende Leere herrscht seit Monaten im Büro von Bürgermeister Norbert Moosmann: Den Rickenbachern reicht's. Foto: Rothermel

Baden-Württemberger können ihre Rathauschefs nicht wie in anderen Bundesländern abwählen.

Oberndorf - Acht Jahre können eine lange Zeit sein. Die Bürger von Rickenbach können ein Lied davon singen: Ihren Bürgermeister wollen die meisten lieber jetzt als gleich loswerden. Doch sich eines Bürgermeisters vor Ende seiner Amtszeit zu entledigen, ist im Südwesten nicht leicht.

Anders als in den meisten anderen Bundesländern ist eine Abwahl des Rathauschefs durch die Bürger in Baden-Württemberg nicht möglich. Nach der Gemeindeordnung ist es Aufgabe des Gemeinderates, Missständen in der Amtsführung des Bürgermeisters entgegenzuwirken. Allein die baden-württembergische Kommunalverfassung und das Beamtenrecht bieten Möglichkeiten, bei schweren Mängeln in der Amtsführung von Stadtoberhäuptern mit vorzeitiger Amtsenthebung zu reagieren.

Die Gemeinderäte in Rickenbach (Kreis Waldshut) wollten sie im April dieses Jahres gegen ihren Bürgermeisters Norbert Moosmann nutzen. Sie reichten beim Regierungspräsidium Freiburg als zuständiger Behörde einen Antrag auf Amtsenthebung ein. Ohne Erfolg. Dabei ist die Liste der Beschwerden gegen den einstigen Betriebspädagogen lang: Nach ständigen Zwistigkeiten zwischen Gemeinderat und dem parteilosen Bürgermeister zog Moosmann, der bei seinem Amtsantritt im Februar 2007 stets Bürgernähe betont hatte, im November 2008 ins 90 Kilometer entfernte Bad Krozingen. "Ich finde den Voyeurismus und das Getratsche über das Leben von Mitmenschen zum Kotzen", so der Homosexuelle damals.

Ähnlich fanden die Bürger der Hotzenwald-Gemeinde die krankheitsbedingten Abwesenheiten. Als die Gemeinderäte im April die Amtsenthebung beantragten, war Moosmann bereits seit September 2010 nicht mehr im Rathaus gewesen. Im Juli kehrte er in sein Rathausbüro zurück. Um sich wieder einzuarbeiten, wie er sagte. Plötzlich flog die Attrappe eines Molotow-Cocktails durch sein Fenster, wie die Polizei berichtete. Der Verdacht: Moosmann selbst hat mit Hilfe seines Lebensgefährten den Anschlag fingiert - um durch den "Dienstunfall" womöglich höhere Pensionsansprüche herauszuschlagen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Und Moosmann? Ist weiter krankgeschrieben - bis Dezember. Eine amtsärztliche Untersuchung Ende Oktober soll klären, wann er wieder dienstfähig ist.

Damit es erst gar nicht zu solchen Zerwürfnissen zwischen Bürgermeistern und ihrer Gemeinde kommt, hatte der Kreisverband der Ökologisch Demokratischen Partei (ÖDP) in Waldshut Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) jüngst aufgefordert, einen Gesetzentwurf zur Abwahl von Bürgermeistern in den Landtag einzubringen.

Genau diese Forderung war auch Gegenstand einer Anfrage von Abgeordneten um Reinhard Hackl (Grüne) von 1998 an das baden-württembergische Innenministerium. Hintergrund waren Streitereien zwischen dem Gemeinderat in Kenzingen (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) und der damaligen parteilosen Bürgermeisterin Edeltraut Bart. Bart, so ein Vorwurf von vielen, sei mit Rechtsanwälten gegen Beschlüsse des Gremiums vorgegangen - auf Kosten der Kleinstadt. Rund 80 Prozent der Kenzinger stimmten in einem nichtoffiziellen Bürgervotum für ihren Rücktritt. Für den damaligen Minister Thomas Schäuble (CDU) kein Grund, an der starken Stellung der Bürgermeister im Südwesten zu rütteln. "Der Bürgermeister kann seine Verantwortlichkeiten gegenüber dem Gemeinderat wirksamer wahrnehmen, wenn er nicht mit einer Einleitung eines Abwahlverfahrens rechnen muss", begründete Schäuble seine Haltung.

Mit demselben Wortlaut erklärte auch Silke Krebs (Grüne) jetzt die Entscheidung Kretschmanns gegen die Abwahlmöglichkeit von Bürgermeistern. "Das zentrale Merkmal der über Jahrzehnte gewachsenen und bewährten Gemeindeverfassung in Baden-Württemberg ist eine starke Stellung des Bürgermeisters", ließ die Ministerin im Staatsministerium die Waldshuter Antragsteller wissen. Dieselben Worte wählte schon Schäuble 1998.

Zu Recht, wie man beim Städtetag Baden-Württembergs meint. "Wir haben etwa 1100 Bürgermeister im Land", betont Städtetagsmitarbeiter Jan Gutjahr. Setze man die paar Fälle, in denen es zwischen Bürgern und Rathauschef nicht rund läuft, ins Verhältnis zu dieser Zahl, "läuft es sehr gut."

Und dann sei da die Personalfrage: "Inwieweit finde ich noch qualifiziertes Personal, das seinen Lebenszeitstatus als Verwaltungsbeamter mit der achtjährigen Amtszeit tauscht, die auch noch von der Abwahlmöglichkeit bedroht ist?", fragt Gutjahr. Schon jetzt sei die Bewerbersituation dünn. Außerdem sei fraglich, ob Bürgermeister noch tatkräftige Entscheidungen fällen, wenn sie wissen, dass damit verbundener Unmut sie kurzerhand aus dem Amt spülen könnte.

Ohnehin gebe es im Südwesten bereits geeignete Möglichkeiten zur vorzeitigen Amtsenthebung - etwa über den Amtsarzt: "Fehlt ein Bürgermeister monatelang, läuft es oft einfach auf Dienstunfähigkeit und vorzeitigen Ruhestand hinaus." Zudem gebe es noch das Disziplinarrecht, bei dem sich der Landrat einem Gerichtsurteil anschließen kann. Die Folgen reichten von der Geldbuße bis zur Entfernung aus dem Dienst.

Solche Argumente lässt die ÖDP freilich nicht gelten: "Alle Gewalt geht vom Volke aus, heißt es im Grundgesetz, doch entscheiden darf es nicht", schreibt der Kreisverband nach Kretschmanns Absage.