Das "Reiseforum" in Rangendingen hat derzeit wegen Corona geschlossen. Arbeit gibt es genug, doch die Einnahmen sind komplett weggebrochen. Foto: Beiter

Hermann organisiert eine Demo für die Reisebranche. Verzweiflung auch in Urlaubsparadiesen.

Rangendingen - Eigentlich sei sie nicht so gestrickt. Doch was sie derzeit erlebe, habe sie dazu veranlasst, "zum ersten Mal in meinem Leben auf eine Demo zu gehen". Mehr noch: Madeleine Hermann hat die Protestaktion der Reisekaufleute in Stuttgart mitorganisiert.

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Die Situation in der Reisebranche ist "dramatisch". Dass sich viele Reisebüros im Stich gelassen fühlen, wollen mittlerweile manche von ihnen einfach nicht mehr hinnehmen. "Wir haben regelrecht Existenzangst", formuliert es Angelika Simon vom TUI-"Reiseforum" in Rangendingen. Deren Mitarbeiterin Madeleine Hermann hat gemeinsam mit einem Kollegen aus Fellbach die Protestkundgebung auf dem Karlsplatz in Stuttgart in der vergangenen Woche organisiert.

"Seit März arbeiten wir praktisch rückwärts", beschreibt Hermann die Situation. Keine Neubuchungen, wenn überhaupt, dann nur noch Umbuchungen, meistens aber Stornierungen und entsprechende Rückzahlungen – so sieht wie in vielen anderen Reisebüros derzeit auch der Arbeitsalltag im "Reiseforum" aus. Soll heißen: Sehr viel Arbeit, doch keinerlei Umsatz. Wie ihre Chefin und ihre Kolleginnen macht sich die 36-Jährige deshalb große Sorgen. 90 Stornierungen allein für den Mai seien zu bearbeiten, zählt Angelika Simon auf. "Ich brauche meine Mitarbeiterinnen. Trotzdem arbeiten wir seit Wochen in Kurzarbeit."

Doch nicht allein der Fortbestand des Reisebüros, in dem sie engagiert jeden Tag arbeitet, oder ihr eigener Job lagen Madeleine Hermann beim Start ihrer Aktion am Herzen. Vielmehr denke und spreche man mit dem Protest auch für die gesamte Reisebranche, sagt sie im Gleichklang mit ihrer Chefin. Unzählige Jobs, nicht nur hier in Deutschland, sondern in ganz Europa und der Welt, hingen in der Luft. Busfahrer, Hoteliers, Angestellte, Ladenbesitzer – alle, die in irgendeiner Form vom Tourismus leben. Fast täglich bekämen sie im Büro die "tragische Situation" und die Verzweiflung in den Urlaubsparadiesen der Länder im Süden Europas mit. "Wir sind Touristiker. Und wir leben für die Touristik", sagt Angelika Simon. "Wir geht uns allen sehr nahe."

Tragische Situation und Verzweiflung auch in den Urlaubsparadiesen

Ziel der Kundgebungen sei, dass "wir gehört werden von der Regierung." Der Appell von Madeleine Hermann lautet deshalb: "Auch wir, die kleinen Reisebüros, brauchen jetzt einen Rettungsschirm." In der Krise dürfe nicht immer nur an die großen Konzerne, beispielsweise die Autoindustrie, gedacht werden. "Wenn die Politik nicht aufwacht, gehen ganz viele kleine Reisebüros, die mit Herz dabei sind, zugrunde", lautet ihre nüchterne wie verzweifelte Einschätzung.

Es sei vor allem auch die "Ungewissheit", wie lange die angespannte Situation noch andauert, was den Reisekaufleuten Sorgen bereite - und hier insbesondere die Reisewarnung von Außenminister Heiko Maas, erklärt Angelika Simon. Sie sei wie ein "Todesstoß" für die Reisebranche. Die Warnung gilt im Augenblick bis zum 14. Juni - "noch", fügt Angelika Simon hinzu. "Denn niemand weiß, was danach kommt."

Vielen Familien und Reiselustigen seien wegen der Krise die Einkünfte weggebrochen. Viele mussten für die Kinderbetreuung bereits ihren Jahresurlaub nehmen. Urlaub sei in dieser Situation dann oft überhaupt gar nicht mehr möglich, befürchtet sie.

Für all die angesprochenen Themen sei sie auf die Straße gegangen, sagt Madeleine Hermann. Passiert sei seit der ersten Demo vor einer Woche allerdings noch nichts. "Doch wir machen weiter, bis man uns hört!", kündigt sie an. Am kommenden Mittwoch, 13. Mai, würde es auf dem Stuttgarter Marktplatz eine weitere Kundgebung geben.

Kundgebungen gehen weiter: Nächste Demo am Mittwoch, 13. Mai

"Ich bin sehr froh, dass Madeleine sich so sehr für uns alle engagiert", sagt Hermanns Chefin Angelika Simon. Mit der Demo dem Gefühl des Ausgesetztseins etwas entgegenzusetzen, habe sie auch selbst ein Stück weit wachsen lassen, sagt die so gelobte Mitarbeiterin. "Es erfüllt mich auch mit Stolz, dass wir gemeinsam schon so viel hinbekommen haben."