Gabriel und Tobias Sindlinger (oben) sowie Bernhard Mast-Sindlinger (unten links mit Kids) sind mittendrin im Mountainbike-Geschehen. Fotos: Sindlinger, Eibner Foto: Schwarzwälder Bote

Mountainbike: Eine Radsport-verrückte Familie zwischen Trainingssteuerung, aktivem Fahren und journalistischer Sicht

Die Mountainbike-WM in Albstadt ist abgesagt. Doch hinter den Kulissen wird bereits an den Weltcups 2021 und 2022 gearbeitet. Bernhard Mast-Sindlinger und seine Söhne Tobias und Gabriel sind eng mit dem Mountainbike-Sport und speziell mit dem am Weltcup-Standort Albstadt verbunden.

Die WM in Albstadt ist abgesagt. Wehen die Fahnen bei Ihnen zu Hause auf Halbmast?

Bernhard Mast-Sindlinger: Eine gewisse Enttäuschung ist natürlich da. Für Ulf Haasis und mich wäre das der Abschluss gewesen. Aber die Stimmung ist nicht komplett im Keller. Die Bewerbung für Weltcup 2021 steht.

2013 gab es den ersten Weltcup in Albstadt. Hatte das für Sie als junge Sportler eine Wirkung?

Tobias Sindlinger: Für mich war es schon eine Motivation. Schon die Bundesliga-Rennen davor haben mich brutal motiviert. Das war schon mega geil, das hat schon einen gewissen Push gegeben. Gabriel Sindlinger: 2012 war ich in der Jugendklasse sehr erfolgreich und hatte dementsprechend Ambitionen. Ich hatte das Ziel, Weltcup zu fahren, und schon im ersten Jahr bist du an der Strecke gestanden und hast gesagt: Da willst du unbedingt mal mitfahren. 2015 habe ich es in der U23 dann geschafft. Der Weltcup war für mich ein Kindheitstraum.

Und wie haben Sie als Vater und Trainer das erlebt?

Bernhard: Gabriel war der Erste, der quasi alle Landeskader-Jahre durchgemacht hat und zwei Jahre im Jugendkader des BDR war. Nachdem wir das im Verein systematischer in Richtung Rennsport betrieben haben, ist der Weltcup eine tolle Entwicklung gewesen. Tobias: Als wir selbst 2006 angefangen haben, da waren wir mit Trainer Rainer Schairer zehn Kids im Training. Innerhalb von vier, fünf Jahren haben wir es geschafft, dass der Parkplatz an der Zollernalb-Halle nicht mehr ausgereicht hat. Wir hatten dann zum Teil über 50 Kinder, das war schon ein Boom.

Derzeit gibt es eine Art Delle bei den Zahlen im Nachwuchs.

Tobias: Was ich beobachte, ist, dass beim Alb-Goldcup sogar mehr los ist. Die Kinder haben zwar Lust am Radfahren, aber an manchen Punkten nicht mehr so Bock, sich zu quälen. Bernhard: Ich weiß, dass die Zahlen in der Nachwuchs-Sichtung stabil sind. In der Summe gibt es so was wie im Fußball nicht, wo man überall Spielgemeinschaften bilden muss. Was den Rennsport betrifft, wird es ab der U17 aufwärts schwierig.

Sie sind eine Radsport- oder Mountainbike-verrückte Familie.

Gabriel: Vermutlich würden uns einige Leute so klassifizieren. Seit es den Weltcup in Albstadt gibt, hatten wir ganz viele verschiedene Nationen bei uns zu Gast. Rotem Ishay, ein Israeli zum Beispiel. Er hat mal gesagt, er habe schon viel erlebt, aber eine Familie, die auf so verschiedene Weise an einem Event involviert wäre, noch nie. Ich bin damals mitgefahren, Tobi war schon (als Reporter) bei MTB-News, Papa war in der Organisation tätig, und auch unsere Mutter hat geholfen.

Wie hat alles angefangen?

Bernhard: Die Burschen haben verschiedene Dinge ausprobiert. Und Gabriel kam irgendwann mal und wollte Rad fahren. Gabriel: Ich wollte einfach mal noch was anderes machen als Fußballspielen. Zur Vorgeschichte muss man aber auch sagen, dass Vater schon seit 20 Jahren den Albstadt Bike-Marathon fährt. Tobias: Und parallel zum Fußball sind wir seit der U9 immer beim City-Sprint im Rahmen des Albstadt Bike-Marathon mitgefahren.

Sie alle haben es beim Rennenfahren nicht belassen. Der Vater wird zum Trainer, die beiden Söhne begleiten den Sport auch journalistisch.

Bernhard: Ich hatte vom Studium her eine Breitensport-Lizenz. Als die Jungs Fußball spielten, habe ich die entsprechende Mannschaft auch trainiert. Als es dann mit dem Radsport mehr wurde, hat mich der Rainer (Schairer) gefragt, ob ich mitmachen könnte, damit es zwei Gruppen gibt. Aber vieles hat sich von alleine entwickelt. Dann kam dieser dritte Platz von Aaron Beck (U19) bei der deutschen Meisterschaft hier in Albstadt. Wir haben dann eine eigene leistungssportliche Gruppe "Pro-Team" gegründet. Darüber gab es eine heftige Diskussion.

Warum?

Bernhard: Weil es so eine Art Zweiklassengesellschaft entsteht. Aber wenn du im Leistungssport weiterkommen willst, dann brauchst du Methodik und Konzeption. So ist das Gonso-Simplon Racing Team entstanden. Ich habe dann die B-Lizenz-Ausbildung gemacht, und wir sind immer systematischer und fundierter geworden. Vereinsintern hatten wir dann ab U15 ein klares Konzept mit Kriterien. Tobias: Das Nachwuchs-Konzept war schon ziemlich gut. Ich glaube, dass wenige Vereine in Deutschland so ein Konzept haben. Das war ein Förderkonzept, mit Leistungssport- und Breitensport-Schiene. So wie es in Fußballklubs gang und gäbe ist. Gabriel: Es war ja auch erfolgreich. Franka (Durst, Deutsche Jugendmeisterin 2017) und Ronja (Eibl) sind daraus hervorgegangen.

Tobias, wie aber kam es dazu, dass Sie beim größten deutschen Mountainbike-Portal mtb-news.de journalistisch tätig geworden sind?

Tobias: Im Endeffekt war Tom Fritsch verantwortlich. Tom hat mich gefragt, ob ich nicht Bock hätte mitzumachen und auf Minijob-Basis einzusteigen. Für mich war das ein Jackpot-Nebenjob.

Es verändert ja sicher auch die Perspektive, wenn man anfängt über das, was man selber auch macht, zu schreiben.

Gabriel: Ich finde es spannend, beide Seiten zu haben. Das ist ganz cool. Bernhard: Was ich immer sehr spannend finde, sind die Blogs von den Etappenrennen. Was ich an Kommentaren dazu höre, kommt das super an.

Wie viel Konfliktpotenzial birgt die Vater-Sohn-Beziehung, die begleitet wird von der Trainer-Sportler-Konstellation?

Tobias: Wenn man keinen Bock hat, was der Trainer sagt, fährt man halt was anderes (lacht). Bernhard: Ich glaube, inzwischen ist das ganz entspannt. Tobias: Wir diskutieren regelmäßig übers Training, weil ich inzwischen auch den C-Trainer-Schein habe und in Trainingslehre involviert bin. Aber wenn, dann geht es um grundsätzliche Überlegungen.

Mal ehrlich. Haben Sie in der U15 und U17 für möglich gehalten, dass sich Ronja Eibl bis zur U23-Weltcupsiegerin und Olympia-Kandidatin entwickeln könnte?

Gabriel: Konkret muss man sagen: Nein, es hätte niemand damit gerechnet. Im jungen Alter ist Ronja gerade mal so bei den deutschen Meisterschaften unter die besten Zehn gefahren. Bernhard: Ronja ist in der Nachwuchs-Sichtung nie über Fünf rausgekommen. Tobias: Nüchtern betrachtet ist Ronja schon ein Paradebeispiel dafür, wie man sich das damals vorgestellt hat. Dass man die Kinder nicht zu früh verheizt. Ich hätte nicht gedacht, dass sie U23-Weltcupsiegerin wird, aber von der Trainingsdokumentation her hat man auch gesehen, dass mächtig Potenzial da ist. Die Fragen stellte Erhard Goller.