Geschafft: Carsten und Mirjam Schnürle mit den Goldenen Kronen der Finisher, die die höchst anspruchsvolle Challenge "Chiemgau King" an einem Tag schaffen – Mirjam ist die bis dato älteste Bikerin, die das je geschafft hat. Foto: Schnürle

Eine irre Challenge ist der 168 Kilometer lange "Chiemgau King" mit 4629 Höhenmetern in Ruhpolding, die es, natürlich mit einem "normalen" Bike zu bezwingen galt. Dieser Herausforderung stellten sich die Schonacher Carsten und Mirjam Schnürle wie schon im Vorjahr Sofie und Theresia Ketterer.

Schonach - Mountainbike-Rennfahrer Andi Huber aus Ruhpolding hat den "Chiemgau King" ins Leben gerufen. Eine fast 170 Kilometer lange Strecke über die höchsten Berge des Voralpenlands durch die wundervolle Landschaft des Chiemgaus. Ob man am Ende eine Finisher-Krone in Gold, Silber oder Bronze bekommt, hängt von der benötigten Zeit ab. Ein, zwei oder drei Tage. "Gold, ist das überhaupt zu schaffen?" – diese Frage stellten sich auch die Schonacher.

Top Sportler wagen den Erstversuch

Den Erstversuch wagten Andi Huber und einige Kader-Biathleten, darunter Andreas Birnbacher, 25-facher deutscher Meister und sechsfacher World-Cup-Sieger, sowie Simon Schempp, viermal WM-Gold und Olympia-Silber, sowie Anton Palzer, Weltmeister im Skibergsteigen, den der "Focus" als "die größte Lunge der Welt" betitelte, weil er drei Minuten schneller auf seinen Hausberg rennt, als der Lift für die Strecke braucht. 58 Kilo Körpergewicht, 340 000 Höhenmeter pro Saison und ein Ruhepuls von 34 machen ihn zu einem besonderen Sportler.

168 Kilometer und 4629 Höhenmeter sind mehr, als man bei den großen Bikemarathon-Klassikern bewältigen muss. "Biker, die sich auskennen mit Wirkung von Höhenmeter und Tempo auf den menschlichen Körper, wissen: Eine derartige Distanz verheißt nichts Gutes", meinte Schnürle dazu. "Bei der Anmeldung fixierten Mirjam und ich die golden funkelnde Krone", erzählte er weiter. Für ihn sei es sofort die wahre Chiemgau-King-Krone gewesen, Belohnung für eine außergewöhnliche Leistung, die man vollbracht hat - und wie es Andi Huber ausdrückte: Schweiß, Zweifel, Laktatschmerz und Versagensangst – als Grundbausteine für jedes Triumphgefühl.

Beginn ist morgens um 3 Uhr

Die Zacken der Krone sind dem Höhenprofil nachempfunden. Neun Spitzen stehen für die Berge, darunter Stoißer Alm, Hochfelln, Kampenwand, Jochberg Alm, Winkelmoos Alm und die anderen, alle im Bereich der Steinadler gelegen. "Wir starteten morgens um 3 Uhr. Die erste Zeit waren wir mit Lampen unterwegs. Der erste große Anstieg auf die Stoißer Alm war der erste Vorgeschmack darauf, was der Tag noch bringen sollte. Der Sonnenaufgang auf dem Gipfel entschädigte für diese erste Herausforderung", schilderte Carsten Schnürle die Eindrücke.

Bei der Ortsdurchfahrt durch Ruhpolding nach rund 60 Kilometern sei ihnen klargeworden, dass sie eine ganz harte Nuss zu knacken hätten. Wer Gold will, muss sich sputen, da bleibt nicht viel Zeit für die prachtvolle Landschaft. Nach mehreren schon megasteilen Rampen folgte dann gegen Mittag der Anstieg auf die Kampenwand, das ist der Zacken in der Krone, der alle anderen überragt.

Gewaltiger Ausblick belohnt für Strapazen

"Die Sonne strahlte unbarmherzig mit aller Kraft in die Felswand. Jetzt wurde es richtig hart. Mit schweren Atemstößen schraubten wir uns nach oben - eine Wahnsinns-Steigung mit bis zu 24 Prozent. Dann folgte der gewaltige Ausblick auf Chiemsee und Kampenwand, deren Felswände wie gigantische Reißzähne in den Himmel stehen. Noch weitere große Berge standen an", erinnert sich auch Mirjam.

Der nicht enden wollende Anstieg auf die Jochbergalm verlangte den Bikern noch einmal alles ab, doch das Ziel rückte in fast greifbare Nähe. Zum Schluss musste noch die Winkelmoosalm bezwungen werden, bevor es dann über den Staubfall zurück nach Ruhpolding ging. "Dieser alte Schmuggler Pfad stellt die Biker vor fahrtechnisch höchste Herausforderungen und beinhaltet eine Kletterpassage, bei der es am Seil an einer Felswand entlang durch einen Wasserfall geht", erfuhr man von den Fahrern.

Unwetter sorgt für zusätzliche Zitterpartie

Auf der Jochberg Alm sah man allerdings schon das drohende Unwetter nahen. In der Abfahrt durch die Wappachschlucht gaben sie alles, um den letzten Berg noch zu schaffen. "Doch dann war es da - der Himmel war pechschwarz und gelb, und es stürmte – ein Unwetter von fast biblischem Ausmaß. Wir haben zum ersten Mal auf dem Rad gebetet. Die Touristen flohen vom Berg und brachten sich in Sicherheit, und wir mussten nach oben – ein mulmiges Gefühl. Dann kam über die Steinplatte auch noch eine zweite Wetterfront in entgegengesetzter Richtung – und dann geschah das Wunder. Diese Front hielt das Unwetter hinter uns in Schach, so dass wir es nach oben schafften", freuten sich die Biker. Die Wetterfront verzog sich, doch auf dem weiteren Weg, vorbei am Biathlonzentrum, zeigte sich dann das ganze Ausmaß – umgestürzte Bäume, dicke Hagelkörner und riesige Pfützen. Der geschotterte Radweg durch den Wald war nicht mehr nutzbar.

"Wir benutzten daher die Straße und fuhren in Zeitfahrmanier Richtung Ruhpolding. Nach 13 Stunden und 10 Minuten Fahrzeit war es geschafft, und wir durften zur goldenen Krönung. Meine Frau Mirjam war sogar die erste Frau über 50, die das überhaupt je geschafft hat. Was für ein Selbsterfahrungstrip. Theresia und Sofie Ketterer hatten das ganze schon letztes Jahr gemacht und hatten mit dem Wetter ebenfalls kein Glück. Sie starteten später und mussten dann noch in der Nacht durch die Berge und das bei Regen, doch die Geschwister bissen sich durch und durften sich dann auch mit Gold krönen", strahlten die Teamleader des Kona-Factory-Racing-Teams am Ende.