Jugend musiziert: Die junge Querflötistin Anna Keller steht vor dem größten Wettbewerb ihres Lebens
Wenn vom 20. bis zum 27. Mai die besten Nachwuchsmusiker Deutschlands beim Bundeswettbewerb von "Jugend musiziert" gegeneinander antreten, ist auch die Querflötistin Anna Keller aus Hochdorf mit dabei.
Wenn vom 20. bis zum 27. Mai die besten Nachwuchsmusiker Deutschlands beim Bundeswettbewerb von "Jugend musiziert" gegeneinander antreten, ist auch die Querflötistin Anna Keller aus Hochdorf mit dabei.
Nagold-Hochdorf. Auftritte vor einer Kamera statt live vor einer Jury, eine Online-Veranstaltung statt einem bunten Festival der musikalischen Begegnung – auch der Bundeswettbewerb von "Jugend musiziert" steht ganz im Zeichen der Corona-Pandemie. "Natürlich wäre es schön gewesen, nach Bremerhaven zu fahren", sagt Anna Keller im Gespräch mit unserer Zeitung. Allerdings sei sie auch ein bisschen froh, dass ihr die lange Anreise in den ursprünglichen Austragungsort der Veranstaltung nun erspart bleibe.
Als einzige Schülerin der Städtischen Musikschule Nagold qualifizierte sich Anna Keller beim Landesentscheid im März für den Bundeswettbewerb von "Jugend Musiziert" (wir berichteten). Auch der Landeswettbewerb war in diesem Jahr eine reine Online-Veranstaltung. Der Ablauf ist einfach: Jeder Teilnehmer reicht pro Wertung ein Video ein, welches anschließend einer Fachjury vorgespielt wird.
Dank ihres Vaters Fabian Keller, der in Hochdorf Pfarrer ist, habe sie wegen der Online-Gottesdienste das passende Equipment schon zuhause gehabt, erzählt Anna Keller. Dann wurde das Video aufgenommen und abgeschickt – und das zähe Warten auf die Wertung der Jury begann.
Das Ergebnis kann sich mehr als sehen lassen: 1. Preis in der Solowertung Querflöte mit 23 von 25 möglichen Punkten. "Ich hätte niemals gedacht, dass ich den Wettbewerb gewinnen werde", erzählt sie. Ihr Musiklehrer Christoph Kieser war dagegen zuversichtlicher: "Ich habe eine sehr gute Bewertung schon für möglich gehalten."
Keller beginnt mit fünf Jahren das Musizieren
"Sieben Jahre harte Arbeit zahlen sich jetzt aus", sagt Anna Keller stolz. Auch Kieser zeigt sich begeistert: In über zwei Jahrzehnten Musikunterricht habe es davor keiner seiner Schüler bis zum Bundeswettbewerb geschafft.
Das tolle Ergebnis kommt nicht von ungefähr: Im Alter von erst fünf Jahren begann Anna Keller mit dem Unterricht an der Städtischen Musikschule. Die Suche nach dem passenden Instrument dauerte nicht lange: "Die Querflöte ist praktisch, weil sie so klein ist", sagte sie damals bei einer Vorstellung von verschiedenen Musikinstrumenten. Von Anfang an wurde sie von ihrem Lehrer, dem erfahrenen Flötisten Christoph Kieser, unterstützt und gefördert.
Für ihren großen Erfolg bei "Jugend musiziert" nennt Kieser gleich mehrere Gründe: Der erste sei die junge Musikerin selbst. Sie sei "einfach handwerklich begabt" und habe zudem "ein gutes Gefühl für die Musik und den schönen Klang." Man könne üben so viel man will – ohne das nötige Talent werde man trotzdem nicht weit kommen, betont Kieser.
Außerdem habe auch die sogenannte Suzuki-Methode (siehe Info) eine wichtige Rolle gespielt. Diese fördere die "natürliche Entwicklung" der jungen Musiker und sei "keine Hochzuchtmethode", erklärt der Flötenlehrer. Die vielen Auftritte und Vorspielmöglichkeiten seiner Suzuki-Klasse hebt er dabei besonders hervor. Seine Schüler seien dadurch viel sicherer geworden – früher hätten sie auf der Bühne nur selten ihr volles Potenzial abrufen können. Auch der zusätzliche Gruppenunterricht führe dazu, dass die Schüler "automatisch motiviert sind", sagt Kieser. Seit er nach der Suzuki-Methode unterrichtet, schickt der Flötist jedes Jahr bis zu zehn seiner Schüler zum "Jugend-musiziert"-Wettbewerb. Davor waren es meist nur zwei.
Ein weiterer Grund für den Erfolg sei die gute Zusammenarbeit zwischen der Schülerin und ihrem Lehrer. Vor allem zu Beginn habe sie nur eine kurze Aufmerksamkeitsspanne im Unterricht gehabt, erzählt Anna Keller. Kieser sei ihr deshalb mit viel Geduld und kurzen Unterrichtszeiten entgegengekommen.
Dafür ist jetzt allerdings keine Zeit mehr – die Vorbereitung für den Bundeswettbewerb ist in vollem Gange. An zwei Terminen pro Woche werden die Stücke nun intensiv geprobt. Zum Teil auch endlich wieder in Form von Präsenzunterricht in der Musikschule.
Der größte Unterschied hierbei: Die Querflötistin wird von einem echten Klavier begleitet, Online war nur Playback möglich.
Weniger Druck durch das Online-Format
An zwei Terminen wird dann das Video für den Wettbewerb aufgenommen – wegen der Klavierbegleitung diesmal im Gemeindehaus Zellerstift in Nagold. Der Vorteil am Online-Format: "Man hat weniger Druck, weil man im Gegensatz zu einem Auftritt mehrere Chancen hat", sagt Anna Keller. Allerdings beobachte Kieser bei seinen Schülern zunehmend das Phänomen, dass diese bei Live-Auftritten viel souveräner und angespornter spielen würden – womöglich gar wegen des hohen Drucks. Der Auftritt vor einer Jury sei insgesamt ein "ganz anderes Gefühl", betont Kieser.
Darauf wird Anna verzichten müssen. Wirklich traurig ist sie darüber allerdings nicht. Es sei für sie "die größte Ehre", überhaupt teilnehmen zu dürfen. "Es ist gut, ehrgeizig zu sein", sagt sie – allerdings gelte bei so einem renommierten Wettbewerb das Motto: "Dabei sein ist alles." Kieser, der früher selbst einmal am Bundeswettbewerb teilgenommen hat, berichtet von einem "beeindruckenden Erlebnis für die Musiker." Zudem hätten viele seiner damaligen Konkurrenten später ein Musikstudium begonnen – wie auch er selbst.
Die Musik zum Beruf machen? So weit möchte Anna Keller noch nicht denken. Allerdings sei das Hobby für sie in den letzten Jahren "immer ernster" geworden. Für die Zukunft hat sie bescheidene Wünsche: Sie vermisst die gemeinsamen Suzuki-Stunden und hofft darauf, bald endlich wieder im Ensemble spielen zu können. "Solo ist die härteste Kategorie", sagt sie. Auch wenn es Ende Mai gegen die besten Nachwuchsmusiker der Nation geht.
Info: Suzuki-Methode
Christoph Kieser unterrichtet seit 2015 an der Städtischen Musikschule Nagold nach der Suzuki-Methode. Er ist einer von nur wenigen Suzukilehrern für Querflöte in Deutschland. Ein wichtiges Merkmal der Methode ist der frühe Beginn mit dem Unterricht. Zuerst sollen die Kinder die Stücke durch häufiges vorspielen quasi über die Ohren auswendig lernen, weshalb auch die Eltern eine wichtige Rolle spielen. Die Noten sind dabei zweitrangig und werden erst später beigebracht – wie auch Kinder zuerst das Sprechen und dann das Lesen lernen. Die Suzuki-Methode wird deshalb auch als Muttersprachenmethode bezeichnet.