Die Fotomontage zeigt eine Frau mit einer psychodelischen Pille auf ihrer Zunge. Foto: Imago/Zoonar

Besser drauf, konzentrierter, kreativer – und das alles ohne Rausch und Risiko? An den Konsum von LSD in Minimal-Dosen gibt es viele Erwartungen. Doch an Belegen mangelt es. Wir erklären, was LSD und Microdosing meint und welche Gefahren damit verbunden sind.

Aus dem Schimmelpilz des Mutterkorns kann Lysergsäure-Diethylamid gewonnen werden – besser bekannt unter dem Namen LSD. Es ist ines der am stärksten wirkenden Halluzinogene. Mit diesem Begriff werden psychotrope Substanzen bezeichnet – also Stoffe, die die Psyche beeinflussen und starke Veränderungen im Denken, in der Stimmung und Wahrnehmung der Realität hervorrufen können.

Aus dem Schimmelpilz des Mutterkorn kann LSD - Lysergsäure-Diethylamid - gewonnen werden. Foto: Imago/Pond5 Images

Mikro-Dosis von Psychodelikum

Es braucht nicht viel LSD, um das psychische Erleben drastisch zu verändern. So beschreibt es Volker Auwärter. Im Vergleich zu vielen anderen Substanzen gehe es dabei um kleinste Mengen. „Ab 50, 100 Mikrogramm spricht man von einer psychedelischen Dosis“, erklärt der Laborleiter der Forensischen Toxikologie am Universitätsklinikum Freiburg. Nicht ohne Grund bezeichnet die zuständige europäische Beobachtungsstelle das verbotene Halluzinogen als eine der „wirkungsstärksten bekannten Drogen überhaupt“.

Doch was passiert, wenn man die Dosis des Psychedelikums deutlich verringert – auf etwa zehn Mikrogramm? Ein Faktencheck zu diesem sogenannten Microdosing.

Ist LSD in Mini-Mengen ungefährlich?

LSD-Microdosing in Tröpfchenform. Foto: Imago/Pond5 Iamges
  • Bewertung: Mögliche Nebenwirkungen sind bisher nicht absehbar.
  • Fakten: Wer Microdosing betreibe, nutze üblicherweise zwar nur ein Zehntel oder Zwanzigstel einer für einen Trip typischen Dosis, also etwa zehn Mikrogramm LSD, sagt der stellvertretende Oberarzt der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel, Felix Müller. Doch anders als beim Konsum von Psychedelika in hohen Dosen sei es beim Microdosing auch üblich, nach wenigen Tagen erneut eine geringe Dosis einzunehmen. Auch Übersichtsstudien zu Microdosing gehen von einer regelmäßigen Einnahme geringer Mengen psychedelischer Substanzen etwa alle drei Tage über einen längeren Zeitraum aus.

Was bedeutet das für mögliche Risiken?

LSD-Microdosing in Papierform. Foto: Imago/Pathermedia

Für LSD gilt grundsätzlich: Eine Gefahr, abhängig zu werden, sieht die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) nicht. Vergiftungen im Sinne von toxischen Schädigungen von Organen muss man laut Volker Auwärter auch bei höheren Dosen nicht befürchten. Risiken bestünden eher im psychischen Bereich, nicht für die körperliche Gesundheit, sagt Müller.

Ob das beim LSD-Microdosing auch so ist, stehe allerdings nicht endgültig fest. „Das ist ein Phänomen, das gibt es noch nicht so lange“, erklärt der Arzt. „Und es ist durchaus denkbar, dass das bei so repetitiver Anwendung noch mal anders aussieht.“ Pharmakologen hätten etwa einst vermutet, dass möglicherweise Veränderungen an den Herzklappen auftreten könnten. Denn das sei vor einigen Jahren nach der Einnahme damals erhältlicher Medikamente vorgekommen, die an dem gleichen Rezeptor wirkten.

Auch der Leiter der Abteilung Klinische Pharmakologie am Universitätsspital Basel, Matthias Liechti, betont: Nebenwirkungen auf die Herzklappenfunktion sollten bei einer regelmäßigen und längerfristigen Einnahme über Monate als Risiken in Studien geprüft werden.

Sind schwere Nebenwirkungen bekannt?

LSD in Tabletten- und Papierform. Foto: Imago/Pond5 Images

Eine aktuelle Übersichtsarbeit von einem Forschungsteam rund um Robin Murphy von der University of Auckland in Neuseeland kommt mit Blick auf die Sicherheit von LSD-Microdosing im Fachblatt „Biological Psychiatry“ zu dem Schluss, dass bisherige Studien keine schwereren Nebenwirkungen feststellten.

Doch Felix Müller weist darauf hin, dass der zeitliche Rahmen dieser Studien überschaubar sei und es sich nur um vereinzelte Untersuchungen handle. Der Mediziner wundert sich, dass sich Menschen offenbar „relativ blauäugig“ auf LSD-Microdosing einließen. Letztlich sei das ein wenig so, als wenn man ein Medikament nehmen würde, das nicht auf dem Markt, sondern noch in den Studien sei – und bei dem man die Nebenwirkungen nicht wirklich abschätzen könne.

Welche weiteren Risiken können auftreten?

Beim Mutterkorn handelt es sich um einen Schimmelpilz, der wie dunkelbraunes Roggenkorn aussieht. Foto: Imago/Blickwinkel

Hinzu kommt die Unsicherheit, welche Dosis man tatsächlich konsumiert. "Ob bei Microdosing oder der klassischen Konsumform, in beiden Fällen ist nie wirklich bekannt, wie viel Wirkstoff enthalten ist“, erklärt Müller. Die einzige Möglichkeit, dies zu klären, sei das Drug-Checking bei Anlaufstellen der Suchtprävention, die die Substanzen auf die Wirkstoffmenge testen könnten.

„LSD wird meistens auf Plotterpapier geträufelt verkauft – wie Löschpapier –, das in kleine Rechtecke geschnitten ist“, führt der Experte weiter aus. Ein Rechteck enthalte typischerweise 100 oder 200 Mikrogramm. Beim Microdosing würden diese Papierchen dann in kleinere Stücke geschnitten. Diese Form des Dosierens sei „aber natürlich nicht exakt“ – ebenso wenig wie bei einer weiteren Verkaufsform. LSD in Wasser oder Alkohol gelöst, das zum Beispiel 100 Mikrogramm pro Tropfen enthalte und für Microdosing weiter verdünnt werde.

Ab welcher Dosierung ist LSD gefährlich?

Auf körperlicher Ebene hält Felix Müller das nicht für gefährlich. Es brauche „extrem hohe Dosierungen“, bis LSD da problematisch wirklich werde. Schwieriger seien die psychischen Effekte, die bei einer höheren Dosis LSD stärker seien und länger anhielten. „Beim Microdosing ist es natürlich möglich, hier unter Umständen deutlich ‚daneben‘ zu liegen“, so Müller.

Macht LSD-Microdosing konzentrierter und kreativer?

  • Bewertung: Über Studienlage nicht belegt.
  • Fakten: Die Einnahme von geringen Dosen LSD macht konzentrierter, kreativer und hilft gegen Depressionen und Angststörungen? Dafür mangelt es bislang an Belegen. „Zu LSD-Microdosing gibt es kaum Daten zur Wirkung, da kontrollierte Studien noch weitgehend fehlen“, sagt Liechti. Unmittelbare Effekte seien ähnlich wie bei hohen Dosen, aber geringer. Es gibt demnach Hinweise, dass sich das Wohlbefinden von Personen, die geringe Dosen von LSD einnehmen, im Vergleich zu Personen, die ein Placebo erhalten, verbessert. „Aber nur am Behandlungstag, nicht danach“, betont Liechti.
Wer Microdosing betreibt, nutzt üblicherweise nur ein Zehntel oder Zwanzigstel einer für einen Trip typischen Dosis- also etwa zehn Mikrogramm LSD. Foto: Imago/Pond5 Images

Hilft LSD-Microdosing bei Depression?

Inwiefern Microdosing gegen Depressionen und Angst hilft, dazu lässt sich dem Experten zufolge mangels Studienresultaten noch nichts sagen.

Auf die Kreativität wirke sich LSD in geringer Dosis nicht aus, heißt es in der Übersichtsstudie der Gruppe um Murphy. Behauptungen von Konsumenten, ihre Stimmung und kognitiven Fähigkeiten würden sich verbessern, werden durch bisherige Untersuchungen demnach nur begrenzt gestützt. Anhaltende Effekte auf Stimmung und kognitive Fähigkeiten zeigten sich bei wiederholter Einnahme von geringen Mengen LSD in keiner der betrachteten Studien.

Info: Psychodelische Drogen und psychoaktive Pilze

Mutterkorn
Das Mutterkorn wächst vorwiegend an Roggenähren, wenn es zur Blütezeit von Ende Mai bis Anfang Juni kräftig regnet. Es handelt sich hierbei um einen Schimmelpilz, der wie ein dunkelbraunes Roggenkorn aussieht. Für Menschen und Vieh stellt der Befall ein großes Problem dar, weil die im Mutterkorn enthaltenen Alkaloide (natürlich vorkommende, stickstoffhaltige chemische Verbindungen) giftig sind. Schon fünf bis zehn Gramm des Pilzes können tödlich sein.

Lysergsäure-Diethylamid
Aus dem Schimmelpilz des Mutterkorn kann Lysergsäure-Diethylamid gewonnen werden – besser bekannt unter dem Namen LSD. Es ist  eines der am stärksten wirkenden Halluzinogene. Mit diesem Begriff werden psychotrope Substanzen bezeichnet – also Stoffe, die die Psyche beeinflussen und starke Veränderungen im Denken, in der Stimmung und Wahrnehmung der Realität hervorrufen können.

Entdeckung von LSD
Die Entdeckung von LSD gleicht einem Wissenschaftskrimi. Im Jahr 1943 suchte der Schweizer Chemiker Albert Hofmann (1906-2008) nach einem Kreislaufmittel. Dafür synthetisierte er eine durchsichtige Flüssigkeit aus dem Mutterkorn – nämlich Lysergsäure-Diethylamid. Als er die Substanz unabsichtlich berührte, fühlte er sich plötzlich matt und krank. Er radelte nach Hause und noch während der Fahrt begannen Halluzinationen, die zuhause angekommen immer stärker wurden. Hofmann hatte ohne es zu wissen LSD erfunden und den ersten Horror-Trip durchlebt.

Delysid
1949 begann Hoffmanns Arbeitgeber, die schweizerische Pharmafirma Sandoz, mit der industriellen Produktion von LSD, das unter dem Handelsnamen „Delysid“ in der Psychiatrie und Psychotherapie Verwendung fand. Doch dem Chemiker wurde schnell klar, dass die Droge auch Gefahren birgt. Schon in geringen Dosen bewirkt LSD lang andauernde halluzinogene Zustände und einen psychodelischen Rausch.

Psychoaktive Pilze
Mit der Entdeckung des LSD war Hofmanns Forscherinteresse noch längst nicht gestillt. 1957 gelang es ihm, das Alkaloid Psilocybin zu synthetisieren. Im Körper wird Psilocybin zu einer Substanz namens Psilocin umgewandelt, von denen eine halluzinogene Wirkung ausgeht, die ähnlich der von LSD ist. Beide Stoffe kommen in der Natur in Psilocybinhaltigen Pilzen wie den Kahlköpfen vor – auch bekannt als Zauberpilze, Magic mushrooms oder halluzinogene Pilze. Schon in geringer Menge können sie kognitive und emotionale Veränderungen hervorrufen.

Kahlkopf-Pilze
Weltweit sind rund 180 Arten aus der Gattung der Kahlköpfe bekannt. Im Spätsommer und Herbst wächst in Deutschland und anderen mitteleuropäischen Ländern der Spitzkegelige Kahlkopf auf natürlich gedüngten Wiesen und Weiden. Psilocybinhaltige und andere psychoaktive Pilze sind vermutlich seit mehreren Tausend Jahren bekannt und wurden vor allem für religiöse Zwecke etwa durch Schamanen in Lateinamerika und Sibirien genutzt. Die Azteken im heutigen Mexiko nannten den Mexikanischen Kahlkopf auch „Teonanacatl“ – Fleisch der Götter.

LSD-Konsum
Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurden psychoaktive Pilze erstmals durch einen 1957 von dem New Yorker Bankier und Privatgelehrten Gordon Wasson (1898-1986) verfassten Artikel im amerikanischen „Life-Magazine“. Darin beschrieb Wasson die Wirkung von psychoaktiven Pilzen in früheren Kulturen in Sibirien, Indien sowie Nord- und Südamerika. Da der Konsum von LSD in den frühen 1960er Jahren in den USA und anderen Ländern legal war, konnte die Droge die Hippie-Ära sowie Künstler- und Intellektuellen-Kreise stark prägen. Nachdem LSD in den meisten Staaten (1966 in den USA und 1971 auch in Deutschland) verboten worden war, kam der Konsum und die Forschung praktisch zum Erliegen. In den 1980er Jahren wurde LSD als „Party-Droge“ in der Technoszene wiederentdeckt.

LSD-Behandlung   Zu Beginn der 1990er Jahre erwachte das Interesse der Wissenschaftler an LSD und psychoaktiven Pilzen neu. 2007 erhielt der Schweizer Psychiater Peter Gasser die Erlaubnis, eine Studie zur LSD-Behandlung an schwerkranken Krebspatienten durchzuführen, die an Angststörungen litten (mit dpa-Agenturmaterial).