Bäumchen, wechsle dich: Erst lag Valtteri Bottas (links) vor Teamkollege Lewis Hamilton, dann ließ der Finne den Briten passieren – und am Ende machte der Ex-Weltmeister wieder artig Platz. Foto: AFP

Lewis Hamilton und Valtteri Bottas tauschten beim Formel-1-Rennen in Budapest auf Anweisung die Positionen. Ist es fair, wenn die Strategie den Sieger bestimmt?

Stuttgart - Kimi Räikkönen musste für Sebastian Vettel bremsen, Lewis Hamilton und Valtteri Bottas tauschten in Budapest zweimal die Plätze – aber auch abseits der Formel 1 bestimmt mitunter die Strategie den Sieger. Immer wieder wird über eine solche Teamorder im Sport diskutiert. Ein Pro & Kontra.

Pro: Der Erfolg steht an oberster Stelle

Wenn der Chef diktatorisch eingreift, ist das nur in den seltensten Fällen im Sinne aller Angestellten. Der eine oder die andere werden sich zähneknirschend zu fügen haben und die zugewiesene Aufgabe erledigen – schließlich steht der Unternehmenserfolg über allem, der Chef muss diesen stets im Blick haben. Was im Arbeitsleben tägliche Gegebenheit ist, gilt im Sport gleichermaßen – auch hier geht es auf internationaler Ebene um Millionen; Erfolg und Misserfolg entscheiden über den Fortbestand einer Mannschaft oder eines gesamten Engagements. Jaguar, Toyota und BMW haben sich einst aus der Formel 1 verabschiedet, weil Aufwand und Ertrag nicht mehr stimmten.

Teamfähigkeit ist auch im Sport eine Tugend, deshalb legt der Fußballtrainer die Positionen fest und bestimmt, wer auf die Bank muss, genauso entscheiden Teamchefs in der Formel 1 und im Radsport, wie die Hierarchie der Truppe aussieht. Schließlich werden die Profis für ihre Dienste bestens entlohnt – und es gilt seit Langem der Leitsatz im Beruf: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Bei allem verständlichen Grummeln über Verhaltensabsprachen in einem Wettbewerb sollten romantisch veranlagte Sportpuristen die wirtschaftlichen Zusammenhänge erkennen. Man mag diese Auswirkungen verteufeln, doch sie sind Realität im Sport des 21. Jahrhunderts – andernfalls gebe es doch überhaupt keinen Profisport mehr.

Kontra: Sport lebt von ehrlichen Duellen

Profisport ist ein Geschäft, es sind Millionen, wenn nicht gar Milliarden Euro oder Dollar im Umlauf. Im Profisport geht es um Marken, Marktanteile und Marketing. Zudem gilt: Profisport ist ein Strategiespiel. Ist es deshalb legitim, dass an Kommandoständen und in Teamfahrzeugen entschieden wird, wer gerade besser passt als Erster, Zweiter oder Dritter? Ja. Auch. Im Sinne des Sports ist es aber nicht. Die Tour de France war spannend in diesem Jahr – noch spannender wäre sie gewesen, hätte Mikel Landa seinen Teamkollegen Chris Froome attackieren dürfen. Er war wohl der Stärkere. Das Formel-1-Rennen in Budapest war ganz okay – mehr als das wäre es gewesen, hätten sich die Mercedes-Piloten Valtteri Bottas und Lewis Hamilton um Platz drei ehrlich duelliert. Oder hätte der schnellere Kimi Räikkönen den führenden Sebastian Vettel ernsthaft unter Druck gesetzt. So war’s ein Rennen mit am Ende absehbarem Ausgang.

Dabei lebt der Sport von eben jenen Duellen und ist besonders unterhaltsam, wenn diese unvorhersehbar in ihrem Ausgang und nicht fremdbestimmt ablaufen. Was, zum Beispiel, hielt die Formel 1 in den Jahren der Mercedes-Dominanz spannend? Genau: der Titelkampf zwischen Hamilton und Nico Rosberg – bei freier Fahrt für beide. 2017 heißt es in der Königsklasse nicht mehr Mann gegen Mann, sondern Mercedes gegen Ferrari. Die (Konzern-)Strategie dominiert den Sport. Das ist verständlich – aber auch sehr schade.