Foto:  

November-Blues? Die Stimmen der Melancholie klingen nur leise an, was nicht allein am Wetter liegt. „Chicago“-Premiere, Palazzo, Presseball – Stuttgart, wie es glänzt und feiert.

Stuttgart - November-Blues? Die Stimmen der Melancholie klingen nur leise an, was nicht allein am Wetter liegt. „Chicago“-Premiere, Palazzo, Presseball – Stuttgart, wie es glänzt und feiert.

Auf den Tanz mit Netzhemd überm Waschbrettbauch, auf die verführerischen Gesten der Revuegirls im Chicago der Zwanziger folgte der Tanz auf dem extra ausgelegten Silberboden zu DJ-Musik im oberen Foyer des Palladium-Theaters.

Bis um 3 Uhr in der Früh feierte das Ensemble des Broadway-Musicals „Chicago“ mit Kollegen wie Ute Lemper und Kevin Tarte seine gelungene Premiere. „I love it“, jubelte Eric Gauthier, Ballettliebling des Stuttgarter Publikums. Der Intendant der Theaterhaus-Compagnie beschloss, seine komplette Mannschaft zur Fortbildung auf die Filder zu schicken. Die Kunst, nur mit einem Fingerschnipp die Welt zu erklären – in der Stuttgarter Inszenierung des Bob-Fosse-Klassikers sieht Gauthier sie perfekt umgesetzt, also spielerisch leicht.

Schlangen vor den Büfetts zu später Stunde – schon lange ist ein Stuttgarter Musical nicht mehr so ausdauernd gefeiert worden. Der goldene November widerlegt die landläufige Meinung, diese Zeit des Jahres sei drückend und düster. Die heimische Society trifft sich gerade fast täglich. Ein Event kommt im November selten allein. Die Premiere von „Chicago“ war der Auftakt zu langen Stuttgarter Nächten des Schaulaufs, des Small Talks, des Staunens.

Travestielady Frl. Wommy Wonder war eine der Ersten, die um Mitternacht den Heimweg antraten – aber nur, weil sie noch arbeiten musste. Die beiden Gala-Nächte zu ihrem 30-Jahr-Bühnenjubiläum im Theaterhaus rauben ihr den Schlaf. Der Freitag war bei ihr ausverkauft. Für diesen Samstag mit Lilo Wanders gibt es noch Karten. Bis um 4 Uhr habe sie nach der „Chicago“-Premiere an Texten gefeilt, verriet Wommy anderntags – und das nach einer „verwirrenden Musicalnacht“, wie sie sagte: „Die erotische Komponente“ habe sie aufgewühlt. Der Anblick so vieler schöner Tänzer muss von einem ewigen Fräulein erst mal verkraftet werden. Die Träume werden spannend, sobald Wommy nach ihrem Bühnenjubiläum mal wieder schlafen kann.

Bei „Tatort“-Kommissar Richy Müller war es weniger die Bühnen-Erotik, die ihn zum Nachdenken brachte, sondern vielmehr der trottelige Ehemann der Mörderin Roxie Hart. Mit diesem „Schussel-Dussel“, wie er von seiner Frau genannt wird, mit dem Anti-Helden also, konnte sich Richy Müller identifizieren: „Ich bin selbst auch immer sehr treuherzig.“

An Tagen wie diesen ist Modedesignern Lissi Fritzenschaf t abends kaum daheim . Erst war sie in der Oper bei „Jakob Lenz“, dann bei der Musical-Premiere und obendrein noch bei der Wommy-Gala.

Und wie geht es weiter? An diesem Samstag startet auf dem Cannstatter Wasen die Voraufführung der neuen Palazzo-Show „Glücksjäger“ mit dem Menü von Drei-Sterne-Koch Harald Wohlfahrt. Premiere ist am kommenden Dienstag – an einem für diesen Zweck ungewohnten Wochentag. Dass es diesmal nicht an einem Donnerstag in Stuttgart losgeht, liegt an Hamburg: Dorthin kehrt das Dinner-Zelt nach achtjähriger Pause zurück. Und die in Hamburg ansässigen Palazzo-Macher wollen an einem Donnerstag in ihrer Heimat feiern.

Weitere Vip-Treffs stehen am Donnerstag, 13. November, an. In der Speisemeisterei bittet die Künstlerin Iris Caren Herzogin von Württemberg zur Vernissage ihrer Werke mit einem Menü von Sternekoch Frank Oehler. Für denselben Abend laden Alexander Scholz und Christian List, die neuen Pächter des VfB-Clubrestaurants 1893, zur Eröffnung nach sechsmonatigem Umbau des bis auf die Grundmauern entkernten Lokals ein. Ihr Küchenchef ist Rainer Behling, vormals Amici und Irma la Douce.

Am Freitag, 14. November, folgt der gesellschaftliche Höhepunkt des Jahres: Zum Landespresseball in der Liederhalle mit der 1969 gegründeten Soulband Earth, Wind & Fire hat sich das gesamte Landeskabinett angemeldet – ein Novum in der 55-jährigen Ballgeschichte. Von den CDU-Aspiranten, die den Eröffnungswalzer übernehmen wollen, wird nur Landtagspräsident Guido Wolf kommen – CDU-Landesvorsitzender Thomas Strobl hat abgesagt. Die Nachfrage nach dem Ball, sagt Organisator Jens B. Fink, war seit Jahren nicht mehr so groß (es gibt noch Laufkarten). Es könnte an Earth, Wind & Fire liegen, vermutet er. Einer ihrer Hits heißt „September“. Do you remember? In Stuttgart hat’s auch der November in sich!