Gordon Brown schaut in eine ungewisse Zukunft Foto: dpa

Einst gefeiert, heute verachtet: Warum Gordon Brown als Premier Großbritanniens gescheitert ist.

Er wurde als Anti-Blair gefeiert; einer, der Substanz vor Stilfragen stellte und in Krisensituationen Format bewies: Gordon Brown gehörte 2007 zu den beliebtesten Politikern Großbritanniens, heute ist er Zielscheibe für Spott und Mitleid. Wie konnte sich das Blatt für den Labour-Premier in so kurzer Zeit so dramatisch drehen?

Brown könnte am Donnerstag bei der Unterhaus-Wahl der größte Verlierer werden: Alle Umfragen sehen ihn derzeit auf verlorenem, letzten Posten, während Nick Clegg und David Cameron zwar keine absolute Mehrheit erzielen, aber doch eine Koalition aushandeln könnten. Einig sind Konservative und Liberale sich bereit in einem Punkt: Gordon Brown soll nicht Teil dieser neuen Regierung werden.

Dabei sah das alles mal ganz anders aus: Sympathiewerte von 40 Prozent haben Gordon Brown vor drei Jahren einen politischen Honeymoon beschert. Er war inmitten knapp vereitelter Terroranschläge, einer Jahrhundert-Flut und der Maul- und-Klauen-Seuche ins Amt gestartet, machte das Krisen-Management jedoch zur Chefsache und passte mit seinem gesetzten Ernst ganz zur gedrückten Stimmung im Land. Zeit, das Umfragehoch auszukosten hatte Gordon Brown keine -er überlegte kurz, sich für die Blair-Nachfolge in einer schnell anberaumten Wahl auch das Mandat der Briten zu holen, verwarf die Idee dann jedoch, weil sich Umfragen wechselhaft entwickelten.

Brown schlägt nur noch nackte Verachtung entgegen

Es war der frühe und katastrophale Wendepunkt in der Amtszeit des Premiers: Die Medien, die sich tagelang an  Gerüchten eines möglichen Wahltermins berauscht hatten, warfen Brown nach dem geplatzten Plan mangelnde Entscheidungskraft vor. Über Nacht war das Image des geradlinigen, starken Schotten dahin - er galt fortan als schwach und taktierend. Fehler häuften sich: Er musste eine Steuerreform, die die Ärmeren belastete, hastig korrigieren; immer wieder gingen der Regierung wichtige Daten von Bürgern verloren. Vor dem Gruppenfoto der Staatschefs bei der Unterzeichnung des EU-Vertrages von Lissabon - für die Briten ein rotes Tuch - drückte Brown sich wegen angeblicher "Terminschwierigkeiten". Er unterschrieb erst, als das Rampenlicht ausgeknipst war. Viele fanden das feige, aber längst machten da schon  schlimmere Indiskretionen die Runde: Gordon Brown, so hieß es, soll Angestellte zu Tränen reduzieren, sei ein kritikunfähiger Wüterich mit dem Temperament eines Vulkans.

Labour rutschte in Umfragen hinter die Konservativen, Abgeordnete meuterten, Minister schmissen hin und forderten den angeschlagenen Brown ebenfalls zum Rücktritt auf. Doch der hatte sich stur entschieden, bis zum Ende der Parlamentszeit weiterzuhumpeln. Brown, sagen seine Mitarbeiter, habe die "Widerstandskraft eines Ochsen", doch nur die Einbindung seines Erzfeindes Peter Mandelson bewahrte ihn wirklich vor einem Putsch. Die Bankenkrise verschaffte Brown zwar noch einmal kurz Auftrieb, doch am Ende gab es der  schlechten Nachrichten einfach zu viele: Soldaten, die  wegen Ausrüstungsmängeln in Afghanistan umkamen, fehlerhafte Kondolenzschreiben an die Eltern der Gefallenen und schließlich peinliche Lästereien über eine Labour-Wählerin, aufgenommen durch ein vergessenes Mikrofon.

Immer wieder stolpert Brown über seine Unbeholfenheit, lächelt an den falschen Stellen, findet keinen Draht zur Welt. Die Stärken des Ex-Schatzkanzlers - Detailversessenheit, langfristige Planung, Verschwiegenheit - erweisen sich in seiner Rolle als Premier hinderlich; es ist ganz so, als wenn ein Technokrat, der immer gern Schach gespielt hat, plötzlich unter Flutlicht im Endlos-Tennis parieren müsste. Nur: Brown hat dieses Amt gewollt, unbedingt sogar.

Mittlerweile schlägt dem 59-Jährigen im Königreich nur noch nackte Verachtung entgegen. Dabei hat er sich trotz der Häme selbst in den TV-Debatten überraschend formidabel geschlagen. "Ich musste im Leben schon mit schwereren Dingen fertig werden", kommentiert er die persönlichen Angriffen. Die Browns haben ein Kind nach der Geburt verloren, ein zweites ist schwerbehindert. Aufgeben ist nicht sein Stil, also marschiert er mit dem Mut des Verzweifelten weiter: "Zeig' mir einen Soldaten, der keine Fehler macht", sagt Brown gern in diesen Tagen, "und ich zeige Dir einen Soldaten, der keinen Krieg gewinnen kann." Doch wenn auf dem Schlachtfeld von Westminster nicht noch ein Wunder passiert, wird Labour den Premier zwingen, die weiße Fahne zu hissen.