Er zog aus, um Poker zu spielen und reich zu werden: Marvin Rettenmaier. Foto: Party Poker

Der gebürtige Stuttgarter Marvin Rettenmaier verdient sich mit Poker in Las Vegas seinen Lebensunterhalt.

Marvin Rettenmaier ist nachtaktiv. 1.40 Uhr ist es in Las Vegas, den ganzen Tag hat er Poker gespielt, nun redet er auch noch darüber. Seit zwei Jahren ist der 25-jährige Leonberger Profi, verdient mit den Karten seinen Lebensunterhalt. Am Samstag will er beim Finale der World Series abräumen.

Guten Morgen, Herr Rettenmaier, oder besser gesagt, gute Nacht. Sind Sie wegen uns aufgeblieben?
Auch. Aber ich habe den ganzen Tag gepokert. Da ist viel Adrenalin im Spiel. Und bis ich runterkomme, braucht’s eine Weile.

Und dann spielen Sie etwa Gitarre für ein Playboy-Bunny?
Ah, Sie haben das Video auf You Tube gesehen. Da habe ich in London gespielt und bei den Kollegen bei der Premier League, die heißt wirklich so, vorbeigeschaut. Playboy ist Sponsor, und so singt man dann halt.

Ja, aber Take That. Ich denke, Sie sind ein Rocker?
Eigentlich mag ich es härter. Vor dem Pokern höre ich immer „Young Blood“ von The Naked and the Famous. Aber ich kann natürlich auch sanft sein.

Vor allem bei Häschen. Aber mal im Ernst, Ihre Auftritte mit der Gitarre sind schon ein Markenzeichen.
Musik ist meine zweite Leidenschaft. Wir hatten zu Schulzeiten schon eine Band und haben sogar vorgespielt für einen Plattenvertrag. Ich mache das einfach gern. Das hat sich herumgesprochen, und mittlerweile werde ich überall gefragt, ob ich nicht mal singe.

Aber am Pokertisch sind Sie ruhig?
Ich glaube, da hätte ich wenig Freunde, wenn ich da losrocken würde. Wenn ich spiele, bin ich äußerlich ruhig, auch wenn es noch so sehr brodelt. Früher habe ich mit Sonnenbrille gespielt, heute schaue ich immer auf den gleichen Punkt am Tisch.

Zwölf Stunden lang?
Wenn es sein muss. Beim Live-Pokern darf man seine Gefühle nicht zeigen. Wenn Sie jedes Mal jubeln, wenn Sie eine gute Hand haben, oder in Tränen ausbrechen bei einer schlechten Hand, sind Sie ausrechenbar. Und werden nie gewinnen.

„Ich suche bei meinen Konkurrenten ja auch nach Anzeichen, ob sie nun eine gute Hand haben oder ob sie bluffen“

Sie brauchen das berühmte Pokerface?
Ja. Auch wenn das natürlich nicht immer gelingt. Ich suche bei meinen Konkurrenten ja auch nach Anzeichen, ob sie nun eine gute Hand haben oder ob sie bluffen. Und da sieht man schon manches, das wird bei mir nicht anders sein.

Sie haben Management studiert. Hätten Sie nicht lieber Psychologe werden sollen?
Da habe ich ganz ernsthaft darüber nachgedacht. Ich habe mich schon immer dafür interessiert. Dann ist es aber doch ein Wirtschaftsstudium geworden.Ist ja auch nützlich, um das Geld anzulegen.
Aber wie wird man Poker-Profi?
Ich habe in der Schule gespielt mit Kumpels. In der Kneipe um ein paar Bierchen. Dann habe ich angefangen, online zu spielen.

Auf Pokerseiten im Internet?
Ja. Ich habe dann gleich gewonnen, etwas Geld verdient und gemerkt: Hoppla, ich kann das. Und irgendwann habe ich dann live gespielt. Aber da war ich zuerst der Vollfisch.

Der Vollfisch? Man hat Sie nass gemacht?
So könnte man es auch sagen. Jemandem Auge in Auge gegenüberzusitzen ist ein ganz anderes Spiel. Eben weil die psychologische Seite dazukommt. Und da tat ich mich erst mal schwer. Aber man lernt schnell. Man hat ja viel Zeit nachzudenken und zu überlegen.

Und irgendwann waren Sie kein Fisch mehr?
Ich merkte schnell, dass ich mich gut an den Tisch anpassen, Spielsituationen und andere Spieler gut einschätzen kann. Also ob der jetzt solide spielt oder lieber blufft. Ich gewann hin und wieder. Es lief dann so gut, dass ich davon leben konnte. Vor zwei Jahren habe ich mich entschieden, ich probiere es. Mittlerweile merke ich, die Leute sind nicht glücklich, wenn ich mit am Tisch sitze. Ich habe einen guten Ruf. Und das beeinflusst die Mitspieler.

„Strategie ist meine große Stärke“

Ist das nicht riskant, von einem Glücksspiel leben zu wollen?
Poker ist ein Strategiespiel mit Glückselementen. Und gerade Strategie ist meine große Stärke. Ich habe ein Gefühl für Mathematik und Statistik. Man kann ausrechnen, wie wahrscheinlich ist es, mit dieser Hand zu gewinnen. Dann muss man ins Kalkül ziehen, wer sitzt mit am Tisch, sind die Mitspieler risikobereit oder eher vorsichtig. So bastelt man sich eine Strategie zusammen.

Die bisher gut funktioniert. Wie viel haben Sie gewonnen?
Rund drei Millionen Dollar. Aber davon zahle ich meine Reisen, die Flüge, die Hotels. Voriges Jahr hatte ich keinen Tag, an dem ich nicht im Flugzeug oder am Pokertisch saß. Dieses Jahr lasse ich es ruhiger angehen. Ich will auch mal zu Hause in London, bei meiner Familie in Deutschland oder meiner Freundin in den USA sein.

Ruhiger? Aber Sie spielen doch gerade?
Das ist jetzt eine Ausnahme. Hier läuft sechs Wochen lang die World Series of Poker. In diesem Zeitraum sind 60 Turniere. Da spiele ich jeden Tag. Das Hauptturnier beginnt am Samstag, 10000 Dollar Startgeld muss jeder Spieler bringen, das geht dann eine Woche.

Und was kann man gewinnen?
Dollar. Und ein Armband.

Ein Armband?
Ja. Ein Armband aus Gold. Das ist der begehrteste Preis der Pokerwelt. Sie sind selten und eine ganz besondere Auszeichnung.

Dann viel Erfolg. Sehnen Sie sich eigentlich manchmal nach einer Partie Mau-Mau?
Dann mache ich doch lieber Musik.