In das städtische Wasserkraftwerk Rentschler wurde kräftig investiert. Noch schreibt die Stadt Verluste. Foto: Fritsch

"Das war sehr grün von Ihnen!" Brigitte Loyal, Grüne-Fraktionssprecherin im Nagolder Gemeinderat, traute wohl ihren Ohren nicht, als sie im Verwaltungsausschuss ausgerechnet ihren CDU-Oberbürgermeister Jürgen Großmann ein leidenschaftliches Plädoyer für regenerative Energie vortragen hörte.

Nagold - Da musste sie einfach – halb vor Staunen, halb wohl auch vor Ehrfurcht – den Schultes mal über den ›grünen Klee‹ loben für soviel grüne Realpolitik. Hintergrund von all dem: Der Jahresabschluss der Stadtwerke Nagold und der dabei vorgetragene, erneut angestiegene Verlust des Wasserkraftwerks Rentschler. Genau dieses wachsende Defizit hatte AfD-Stadtrat Günther Schöttle zur Nachfrage motiviert, wie es denn sein könne, dass bereits seit 2015 "die Verluste kontinuierlich steigen", wenn doch damals das zuständige Rechnungsprüfungsamt von einer "lohnenden" Investition sprach. Und wer verantwortlich sei "für diese kapitale Fehleinschätzung".

Aufgabe für zwei, drei Generationen

Genau damit löste Schöttle in der Folge jenes leidenschaftliche Plädoyer Großmanns einerseits für das Wasserkraftwerk Rentschler in städtischen Besitz, andererseits für regenerative Energien ganz allgemein aus. Man dürfe so eine Anschaffung und Investition nicht auf kurze Sicht, sondern "als Aufgabe für zwei, drei Generationen" sehen. Man habe in den letzten Jahren neben einer aus Umweltschutzgründen zwingend geforderten Fischtreppe im Bereich des Wasserkraftwerks auch mittlerweile "die Technik komplett austauschen" müssen.

Vielleicht dazu kurz in Blick ins Archiv des Schwarzwälder Boten zum seinerzeitigen Kauf des Wasserkraftwerks Rentschler durch die Stadt von den namensgebenden Vorbesitzern: In einem Bericht vom Dezember 2013 wird von der Transaktion berichtet, dass abgesehen "vom Kaufpreis und rund 300 000 Euro für einen neuen Fischaufstieg, wozu die Stadt gesetzlich verpflichtet ist", kein zusätzliches Geld in die damals 77 Jahre alte Anlage investiert werden müsste. Großmann damals wörtlich: "Die Kaplanturbine ist praktisch unverwüstlich. Das ist höchste deutsche Ingenieursleistung." Aus heutiger Sicht dann wohl doch ein Trugschluss.

Strom für den Badepark

Aber der OB bleibt auch heute dabei: "Die Entscheidung ist richtig gewesen", da man den Strom direkt vor Ort – ein echtes Privileg für die Stadt – für den städtischen Badepark nebenan verbrauchen dürfe. Müsste man den selbstproduzierten Strom ins Netz einspeisen und würde mit den dafür üblichen Vergütungen entlohnt, sähe die Wirtschaftlichkeitsrechnung ganz anders aus. So werde man, lautet Großmanns heutiger Prognose, "ab Jahr zehn" nach der Akquise des eigenen Wasserkraftwerks "in der Gewinnzone" sein – eingedenk der ganz erheblichen, ursprünglich ungeplanten Investitionen. Das sei "eine Vorleistung, keine Frage".

Energiepolitische Grundsatzdiskussion

Womit das kleine politische Scharmützel zwischen AfD-Mann Schöttle und dem OB aber erst so richtig in Gang kam – und zur echten energiepolitischen Grundsatzdiskussion ausuferte über dezentrale Netzentgelte, die den Strom noch teurer für die Bürger machen würden – und der Politik der Stadt Stadt Nagold, davon möglichst "viel Wertschöpfung" in die Stadt selbst zurückzuholen – über den ja geplanten Rückkauf des städtischen Stromnetzes von der Netze BW, den Nagold im Verbund mit den Stadtwerken Tübingen realisieren will. Auch das möchte die AfD gerne verhindert, weil sie explodierende Kosten für die Nagolder Kunden vermutet – aber das ist ein anderes Thema.

Im VWA verlief sich der Schlagabtausch dann auch eher in die ganz große Politik – in der ja etwa auf europäischer Ebene eine weitere Nutzung von Atomenergie diskutiert wird. Was zum Beispiel auch Carl Christian Hirsch (CDU) aus dem Blickwinkel einer ja zunehmenden "CO2-Problematik" für zumindest noch nicht komplett ausdiskutiert hält. Worauf man den OB sehr vehement für den von Ex-Kanzlerin Merkel durchgefochtenen deutschen Atom-Ausstieg und die von einer Mehrheit der Deutschen mit Nachdruck mitgetragenen umfassenden Energiewende hin zu alternativen und regenerativen Energieformen werben hören konnte – verbunden mit dem ausdrücklichen Bedauern der Stadt, nicht auch noch das zweite Wasserkraftwerk in Nagold etwa auf Höhe des Bildungscampus ("damit hätten die Schulen dort alle autark mit Strom versorgt werden können") längst erworben zu haben. Es befindet sich heute in Privatbesitz.

Womit sich Schultes Großmann am Ende eben irgendwie auch als echter grüner Energiepolitiker outete – was von AfD-Mann Schöttle dann mit ein wenig theatraler Resignation und den Worten kommentiert wurde: "Wir bauen wohl in Nagold kein Atomkraftwerk mehr!" Dem Großmann endlich auch bedingungslos zustimmen konnte.