Daniela von Zastrow (Fachreferentin Deutsch, VHS Pforzheim) sowie der ehrenamtliche Lehrbeauftragte Gerhard Mönch. Foto: Jähne Foto: Schwarzwälder Bote

Sprache: Gerhard Mönch von der VHS Pforzheim hilft Menschen bei Eingliederung in die Gesellschaft

Das Fahrplanlesen klappt gerade noch – aber auch nur, weil man irgendwie die Namen der einzelnen Ortschaften mit den Fahrzeiten in Verbindung bringen kann.

Pforzheim. Bei einer Tageszeitung kriegt man gelegentlich noch die Überschriften hin, das Lesen ganzer Artikel oder das von Büchern ist jedoch völlig ausgeschlossen.

Reicht einem der Arzt ein Formular, so hat man rein zufällig die Brille vergessen und muss das Ganze daheim irgendwie bearbeiten. Rund 6,2 Millionen sogenannte "funktionale Analphabeten" gibt es derzeit in Deutschland: Das sind Menschen, die zwar vereinzelte Buchstaben und Wörter lesen und schreiben können, jedoch bei ganzen Sätzen komplett den Anschluss verlieren, um weder Sinn noch Kontext nicht verstehen.

"Hamburger ABC"

Nicht nur Migranten, sondern auch frappierend viele Deutsche sind davon betroffen. Der "internationale Tag des Weltalphabetismus" vom Sonntag, 8. September, befasst sich bereits seit 1965 mit der Thematik – seit rund anderthalb Jahren ist der pensionierte Lehrer Gerhard Mönch aus Pforzheim daran, erwachsenen Bürgern mit einem derartigen Bildungsrückstand auf die Sprünge zu helfen.

Mönch war bis zum Ruhestand Bildungsbeauftragter für Blinde und Sehbehinderte in Stuttgart, momentan betreut er an der Pforzheimer Volkshochschule sechs funktionale Analphabeten. "Zumeist handelt sich dabei um Schulabbrecher und solche, die sich mit Hilfsarbeiterjobs durchs Leben hangeln", sagt Mönch. Nicht wenige davon würde sich erst in letzter Not zu einem solchen Hilfsangebot entscheiden – zumeist dann, wenn der Job in Gefahr gerät, die eigene Lebensqualität aufs Massivste beeinträchtigt wird oder die persönliche Hilflosigkeit nicht mehr zu ertragen ist. Nicht selten wären jedoch Menschen dabei, die sich erst nach 20 oder 25 Jahren zu einem solchen Schritt entscheiden.

"Dann geht es zumeist mit ganz einfachen Aufgaben los, die an die Lese- und Schreibübungen aus der ersten Klasse erinnern", fügte Daniela von Zastrow hinzu. Von den einfachsten Wortspielen, bei denen es abzuschätzen gilt, welche Buchstaben in den jeweiligen Begriffen fehlen bis hin zur rhythmisch-musikalischen Wortlautübung reicht das Repertoire des sogenannten "Hamburger ABCs", um die Kursteilnehmer wieder fit und kompetent für das Alltagsleben zu machen.

Neue Chancen

"Die Erfolgsaussichten sind individuell verschieden und hängen vom Fleiß und Willen eines jeden Einzelnen ab", berichtete Mönch, der die Zahl der Betroffenen in Pforzheim auf rund 5000 Personen schätzt. In der Regel wird es empfohlen, zwei mal in der Woche und für jeweils eine Stunde den Kurs zu besuchen.

Durch diesen würde nicht nur die Integration in die Gesellschaft erleichtert werden, es ergeben sich auch neue Chancen im Berufsleben. Dass generell zu wenig in die Bildung investiert wird, erachtete Mönch zudem als ein wesentliches Manko in der heutigen Zeit.