Das EMMA-Kreativzentrum in Pforzheim Foto: Winfried Reinhardt Foto: Schwarzwälder Bote

Gesprächsrunde: Drei Partner des "EMMA" äußern sich im Interview unter anderem zum Standort Pforzheim

Pforzheim. Als Plattform für die Kreativwirtschaft bringt das EMMA-Kreativzentrum Wissenschaft, Mittelstand und Design aus der Region an einen Tisch. Ulrich Jautz, Rektor der Hochschule Pforzheim, Birgitta Hafner, Geschäftsführerin der Gold- und Silberscheideanstalt C.Hafner, und Alexander Schlag, Gründer und Geschäftsführer von yellow design, verfolgen und unterstützen die Aktivitäten des Kreativzentrums seit vielen Jahren.

Herr Schlag, Pforzheim liegt abseits von Start-up-Hochburgen wie Berlin, Hamburg oder München. Warum haben Sie sich dennoch für diesen Standort entschieden?

Schlag: Pforzheim ist für uns ein hervorragender Arbeitsort: Richtung Stuttgart haben wir die Automobilindustrie mit ihren Experten und Zulieferern, Richtung Karlsruhe die Nähe zur IT-Branche. Wir arbeiten mit Kunden aus verschiedenen Ländern zusammen und greifen dabei erfolgreich auf Technologien und Werkstoffe zurück, die es oft nur in dieser Region gibt. Auf den ersten Blick sieht man Pforzheim dieses besondere Potenzial allerdings nicht an. Ich finde es deshalb wichtig, sichtbar zu machen, was in Pforzheim alles passiert – und das ist alles andere als Standard. Bezogen auf die Größe der Stadt ist die Innovationskraft hier enorm. Das überzeugt mittlerweile auch international: Der japanische Weltmarktführer für Klimatechnik plant beispielsweise, sein Designzentrum für Europa hier in Pforzheim zu errichten. Hafner: Pforzheim bietet die ideale Kombination von Design und Kreativität mit Präzision und Technologie. In Pforzheim gibt es ja ganz verschiedene Industriezweige: die Schmuck- oder Medizinbranche, Präzisionstechnik, IT… Allein in der Schmuckbranche gibt es viele internationale Marken, die auch in dieser Stadt ihren Schmuck produzieren lassen. Das hier vorhandene Know-how ist unglaublich und die Technologien sind erstklassig. Dies macht die Bedeutung der Stadt als Wirtschaftsstandort aus und wird auch in Zukunft von großer Bedeutung sein. Wirklich besonders finde ich aber, dass darüber hinaus die Kreativität nicht zu kurz kommt. Hier trifft wirtschaftliches Denken auf die Freude am Tüfteln. Als Unternehmerin finde ich es deshalb wichtig, Orte wie das EMMA zu unterstützen und dem Neuen Raum zu geben. Wer weiß, vielleicht kommt das erste Schmuckstück, das mit künstlicher Intelligenz hergestellt wird, eines Tages aus Pforzheim?

Herr Jautz, viele Studierende zieht es nach Abschluss des Studiums in die große weite Welt. Trotzdem bleiben auch einige hier in Pforzheim: Welche Gründe sprechen dafür, hier zu bleiben?

Jautz: Natürlich zieht es den Großteil der Absolventen zu Bosch, Daimler, Siemens und Porsche. Aber wir werben immer dafür, auch die Hidden Champions vor Ort in Betracht zu ziehen. Ich sage den Studierenden oft: Bei den Großkonzernen seid ihr ein Rädchen, bei den kleinen Unternehmen in dieser Region seid ihr ein Rad. Hier kann man sich in abwechslungsreichen Jobs ausprobieren und sein Profil selbst bestimmen. So gelingt es uns zunehmend, Studierende in der Region zu halten. Der Nordschwarzwald hat auch landschaftlich und kulturell seinen Reiz, Pforzheim ist verkehrstechnisch günstig gelegen und bietet bezahlbaren Wohnraum sowie Gewerberäume im Stadtgebiet. Wer also andere Karrierewege gehen will als die klassischen, findet hier die besten Voraussetzungen dafür.

Welche Bedeutung haben Innovation und Kreativität denn im Alltag der Unternehmen?

Hafner: Wir sind sehr bestrebt, viele Impulse von außen aufzugreifen und Netzwerke aufzubauen. Dafür leisten wir auch die nötige Vorarbeit: Einen Großteil unserer Wertschöpfung investieren wir deshalb in Forschung und Entwicklung. Um die Anforderungen sich verändernder Märkte zu erkennen und in neue Ideen umsetzen zu können, müssen unsere Mitarbeiter frei im Kopf und offen für kreative Veränderungen sein. Erst dann können Strategien geändert, verschiedene Techniken und Designs ausprobiert und Arbeitsabläufe anders gestaltet werden. Schlag: Innovationsprozesse sind nicht nur auf ästhetische Formgebung, wie Gestaltung und Design beschränkt. Innovativ ist letztlich alles, was in der Fertigung passiert – von der Maschinenentwicklung bis hin zur Optimierung der Arbeitsabläufe. Auch hier wird sich von Bekanntem gelöst und Neuem zugewandt. Innovation schaffen heißt, automatisch ein Risiko einzugehen, das sich nicht genau abschätzen lässt. Es kostet Mut, Neues entstehen zu lassen. Und natürlich ist auch die Größe des Unternehmens entscheidend. Ein Flop kann ein kleines Unternehmen mit hohen Produktionskosten die Existenz kosten. Als Designer brauchen wir deshalb ein gutes Gespür für gesellschaftliche Entwicklungen. Jautz: Auf Unternehmen kommen derzeit immense Veränderungen zu: Digitalisierung, vernetzte Systeme, agile Fabriken, neue Fertigungsverfahren oder veränderte Vorlieben der Kunden, wie etwa der Trend zur Elektromobilität. In dieser Umbruchphase ist es sinnvoll, die Kreativwirtschaft zu stärken, die unabhängiger von alten Schlüsseltechnologien ist. Die kleinen Einheiten der Kreativwirtschaft können wesentlich flexibler mit disruptiven Entwicklungen umgehen. Gleichzeitig sind die Arbeitsplätze in der Kreativbranche relativ krisensicher: Wo Fantasie und Ideenreichtum gefragt sind, ist der Mensch nicht so leicht durch Roboter oder künstliche Intelligenz zu ersetzen.

Was wünschen Sie sich denn für die Zukunft der Kreativwirtschaft in Pforzheim?

Schlag: Pforzheim steht noch nicht geschlossen hinter der Förderung der Kreativwirtschaft. Dabei ist sie ein relevanter Wirtschaftsfaktor für diese Stadt und leistet einen wichtigen Beitrag zur Bruttowertschöpfung.

Natürlich wünschen wir uns, dass zukünftig die Politik gemeinsam mit der Hochschule und den Unternehmen an einem Strang zieht – immerhin geht es ja auch um die urbane Lebensqualität. Eine Start-up-Szene wird nicht gefördert, wenn nur in die Erhaltung des Bestehenden investiert wird. Ich bin der Ansicht, dass man sich um die Gewächse der Zukunft kümmern muss. Denn diese werden uns morgen ernähren. Hafner: Ich denke, dass sich nicht nur die Start-ups, sondern auch die etablierten Unternehmen in Pforzheim stärker mit den jungen Kreativschaffenden vernetzen müssen, da in diesem Austausch ein großes Potenzial steckt. Gold, Schmuck und Uhren sind die Basis für all das gewesen, was heute diesen Wirtschaftsstandort ausmacht.

Menschen suchen immer öfter nach Authentizität und wollen Dinge dort erwerben, wo sie im Original entstanden sind. Dies noch stärker erlebbar zu machen, das wäre doch eine große Chance für das Image dieser Stadt. Jautz: Andere Regionen machen es heute schon vor: Ludwigsburg zum Beispiel, das gerade das Immersion Lab der Filmakademie plant – ein riesiges Gründer- und Innovationszentrum mit weitreichender Strahlkraft. Dort werden große Summen investiert. Pforzheim muss hingegen noch klarer werden, dass Investitionen in die Kreativwirtschaft und das kulturelle Leben auch Investitionen in die Zukunft sind. Die Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas ist ja daran gescheitert, dass nur gesehen wurde, wie viel es kosten würde, und nicht, welche bleibenden Werte geschaffen worden wären. Es hilft nicht, immer nur klein zu denken und zu sparen, sondern es braucht auch langfristige mutige Visionen für diese Stadt. Das EMMA ist dahingehend eine wichtige Keimzelle, die Entwicklungen in diese Richtung vorantreibt.