Schon erstaunlich: "Glasblassing" machen mit Flaschen als Instrumenten Musik – und das mal so richtig gut.Foto: Altendorf-Jehle Foto: Schwarzwälder Bote

Konzert: Flaschenmusiker "Glasblassing" bieten in Pfalzgrafenweiler einen Abend der Sonderklasse

Flaschen sind Instrumente, Bierdeckel Instrumentenständer, Flaschenöffner der Stimmschlüssel und Bierkisten die Instrumentenkoffer. Zum Equipment der Flaschenband Glasblassing, die in der Festhalle einen fulminanten Auftritt hatte, gehören auch Wasserbehälter, Sticks und der angefeuchtete Daumen zum Plopping.

Pfalzgrafenweiler. Seit 2014 hat Pfalzgrafenweiler den Verein "Kultur vor Ort". Seit dieser Zeit peppt er den Veranstaltungskalender der Gemeinde gehörig auf. Mit der 2012 sanierten Festhalle gibt es dafür einen Raum, der – ähnlich wie die alte Seminarturnhalle in Nagold – eine ganz besondere Atmosphäre hat. Um die Kleinkunststimmung zu komplettieren, wurden auch zum Konzert der Flaschenmusiker kleine Bistrotische aufgestellt, fein belegte Brote und Kartoffelsalat mit Bauernwurst im Glas und Getränke angeboten.

"Genießen sie bei uns den Abend – wer weiß, welche Veranstaltungen wegen des Coronavirus demnächst ausfallen müssen": So begrüßte Susanne Kolenko ihre Gäste. Die zweite Vorsitzende des Vereins bat schmunzelnd, nur denjenigen zu küssen, den man mitgebracht hat und wieder mit nach Hause nimmt und die Seifenspender in den Toiletten zu lassen. Als echte Schwaben, hätten die Vereinsmitglieder die Bühne noch aufräumen wollen, doch die Musiker hätten sie vehement daran gehindert, die leeren Flaschen zu entsorgen.

Nach dieser humorvollen Ansage nahmen die vier Musiker Frank, Fritze, Endie und Möhre die Bühne in Beschlag. Auf ihrer Homepage schreiben die verrückten Vier: "Wir klopfen, pusten, ploppen, schütteln, klingeln, klappern zupfen ritschen… und das auch noch hauptberuflich." Letzteres ist nicht verwunderlich, denn die Truppe aus Berlin ist längst kein Geheimtipp mehr. Sie hat das anfängliche Ausprobieren zur Perfektion gebracht und bot auch in Pfalzgrafenweiler ein Konzert der Sonderklasse.

Der Wow-Effekt wird dadurch erreicht, dass nicht einfach auf den Flaschen vom Flachmann bis zur XXL-Flasche herum geblödelt, sondern richtige Musik gemacht wird, von der Klassik über die Folklore zu Rock, Pop und Schlager. Bei geschlossenen Augen kann der Besucher beispielsweise bei "Halleluja" sphärische Klänge genießen, und die Musik würde dabei nicht unbedingt Flaschen zugeordnet.

Gesangsbeiträge über die aphrodisierende Wirkung von Sellerie

Aber es wäre viel zu schade, nicht hinzuschauen, wie die Musiker, Corona hin oder her, ihre Daumen genüsslich abschlecken, in den Flaschenhals stecken und dann im Takt mit einem Plopp herausziehen. Manchmal gefühlvoll, meist mit einem rasanten Tempo, so wie sie auch mit bis zu sechs Flaschen in den Händen in den Flaschenhals pusten und dank der darin enthalten unterschiedlichen Menge an Flüssigkeit alle Töne hervorzaubern, die ein gutes Musikstück benötigt.

Es gibt reine instrumentale Stücke, bei denen die Besucher den Klang genießen und über die Flaschenvielfalt nur staunen können, dann wieder witzige Gesangsbeiträge über die aphrodisierende Wirkung von Sellerie auf die Manneskraft oder die Klage des Sängers, der von seiner Geliebten an der Ladenkasse nicht Schnuffel oder Bärchen genannt werden möchte.

Der Versuch, traurige Lieder zu spielen, scheitert nicht an den Klängen, die von den Musikern aus den Flaschen hervorgezaubert werden, vielmehr an ihrer Art, wie sie es mit ihren "Instrumenten" versuchen. "Das ist der Trauermarsch, warum lachen sie trotzdem?"

Die Band nimmt die Musikerziehung selbst in die Hand und erklärt, wie einen die tiefen Töne doch echt runterziehen können. Beispielsweise: "AfD". Immer wieder werden bekannte Lieder auch umgedichtet, wie das Stück "Ich liebte ein Mädchen…" von Insterburg & Co.

Im Prospekt des Vereins "Kultur vor Ort" heißt es: "Wir wollen unser erreichtes Niveau festigen und noch steigern." Mit diesem Abend und der Gruppe Glasblassing ist es den Kulturanbietern von Pfalzgrafenweiler erneut gelungen.