Wärmebildkamera und Wünschelrute. So großes Instrumentarium wie noch nie.
Die Spukforscher-Szene ist im ehemaligen Hotel Waldlust weiter munter am Werk. Das Gebäude mit seinen Legenden und Schauergeschichten übt eine ungebrochene Faszination auf sie aus.
Freudenstadt - Nun war das "Ghosthunter Explorer Team" (GET) auf Pirsch in der Waldlust in Freudenstadt, teilt der Verein Denkmalfreunde Waldlust mit. Michael Böhm, GET-Lead Investigator und ein weitgereister erfahrener Ghosthunter (Englisch für Geisterjäger), war bereits das vierte Mal in vier Jahren im ehemaligen Hotel. Diesmal in Gesellschaft des Ghosthunter Teams Bavaria und eines ebenfalls Waldlust-geübten Para-Forschers aus Kassel.
Wärmebildkamera und Wünschelrute
Die Geisterjäger hatten sich für dieses Mal – für alle war es der Saisonabschluss 2020 – minutiös und taktisch bestens vorbereitet. Die Hotelzimmer für die Restnacht und den Erholungsschlaf waren lange im Voraus gebucht, und das technische Instrumentarium so umfänglich wie noch nie. Acht Überwachungskameras, etliche Steadycams, ein Kinect-System, das bei Anomalien dies in Form eines "Stick Men" anzeigt, Datenlogger für Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen, Wärmebildkameras und sogar eine Wünschelrute wurden im ganzen Gebäude in Stellung gebracht.
Allein für den Aufbau der Sets und detektorischen Fallen brauchten die sechs zweieinhalb Stunden. Am nächsten Morgen waren so große Datenmengen aufgenommen und abgespeichert wie selten. Und sämtliche Akku-Geräte waren leer gesaugt.
Warum der ganze Aufwand? Um vielleicht da eine vermeintliche Schattenwanderung zu erhaschen oder um Stimmen oder Schritte-Getrippel zu lokalisieren? Doch das sind bei diesen passionierten Jägern des Geisterhaften müßige Fragen.
Ein filmreifer Szenenaufbau
Und die "Waldlust", mittlerweile als drittberühmtester "Lost Place" in Deutschland gehandelt, ist sowieso über jeden Zweifel erhaben. Zur besonderen Untersuchungsanordnung gehörte diesmal ein filmreifer Szenenaufbau. In Ghosthunter-Kreisen nennt man diesen Anlockversuch für physikalisch schwer fassliche Erscheinungen oder gar Wesen aus einer Gegenwelt "Triggern". In der "Waldlust" waren für den Empfang von Speisegästen drei Tische eingedeckt. Eine gespielte Handlung, vom Einchecken an der Rezeption bis zum Weinkredenzen und dem Servieren der Speisen im Festsaal, wurde eigens in Kostümen der 20er-Jahre nachgestellt.
Kameras und andere Aufzeichnungsgeräte waren indessen ohne Unterlass auf den leibhaftigen Hotelangestellten und Ober, hier dargestellt von Michael Böhm, und seine beiden späten Gäste gerichtet.
Am nächsten Morgen, beim Frühstück in einem Café, berichten die drei, dass sie während des Szenenspiels das Gefühl hatten, jemand laufe im hinteren Bereich durch den Raum. Näheres soll nun die Kamera-Auswertung aufdecken.
Undefinierbares Regenrauschen
In der fünften Etage gab es Schrittgeräusche auf Teppichgeläuf und Wasserlauf-Laute aus Rohren und dann wollen noch zwei Geisterjäger undefinierbares Regenrauschen gehört haben. Weil dort ein Hochleistungs-Mikrofon mit Mischpult montiert war, sind die "Explorer" auf die Aufzeichnungsspur schon sehr gespannt.
Für den Waldlust-Experten Michael Böhm war einer der Schlüsselmomente in dieser Nacht das Hören von Schritten und einer Flüsterstimme. Um seine Richtmikrofon-Aufzeichnungen genau auszuwerten, braucht er rund acht Stunden.
Das Erleben identischer Vorfälle, der gemeinsame spannende Trip durch das dunkle, verlassene Hotel, das Zusammenführen aufwendiger Spürtechnik und im Anschluss daran das leise Schaudern beim Sichten der Untersuchungsresultate – das führt die Geisterjäger immer wieder in die "Waldlust".
Im April 2021 ist der nächste Termin schon gebucht. Resümée der am nächsten Morgen quickfidel zusammensitzenden Forschertruppe: "Die ›Waldlust‹ ist jedes Jahr eine Reise wert, sie enttäuscht uns nie. Denn da oben geht immer was ab!" Gemeint sind die oberen Stockwerke.
Denkmalschützer sind sich uneins
Soll man ein denkmalgeschütztes Gebäude dem Treiben von "Geisterjägern" überlassen? Die Meinungen darüber gehen bei den Denkmalschützern durchaus auseinander. Auf der einen Seite soll dem Gebäude kein Unbill zugefügt werden. Und mit dem Versuch, das Gebäude zu erhalten, haben Geistersuch-Expeditionen wahrlich nicht sehr viel zu tun. Andererseits haftet dem Bauwerk seit den letzten Hotelbetriebstagen, als ein wissenschaftliches Forschungsinstitut mit der Ergründung von nicht erklärlichen Wahrnehmungen angeworben und beauftragt wurde, ein offenbar unauslöschlicher Spukmythos an. Das soll, so wird berichtet, schon damals eine bewusste Geschäftsstrategie gewesen sein, um den Niedergang des Hotels abzuwenden.
Die Denkmalfreunde Waldlust gehen pragmatisch mit den Ghosthunter-Anfragen um. Die Erforschung des Paranormalen zählt inzwischen zu den wirtschaftlich notwendigen, einträglichen "Zwischen"-Nutzungen in dem Denkmal. Außerdem sehen sie in dem bekanntesten "Spukhotel Deutschlands" ein hohes, touristisches Attraktionspotenzial.