Foto: Opus/Reiner Pfisterer

Jazz Open: Paolo Conte hat mit neunköpfiger Band im Ehrenhof des Neuen Schlosses begeistert.

Stuttgart - Paolo Conte hat den Song "Azzurro" geschrieben, den Adriano Celentano dann zum Hit machte. Doch der 74-Jährige hat so viel großartige Musik in seinem Repertoire, dass er am Sonntag beim Auftritt im Ehrenhof des Neuen Schlosses auf solche Gassenhauer gar nicht zurückgreifen muss, um zu begeistern.

Direkt zu sagen hatte Paolo Conte seinen Fans nichts. Keine Begrüßung, keine Verabschiedung, keine Moderation, keine Animation zum Mitsingen oder Mitklatschen, nicht einmal eine Ansage der Titel gab es. Lediglich die Solisten wurden im Laufe des Abends namentlich kurz vorgestellt.

Aber wozu auch: Conte teilt in seinen Songs so viel mit von kleinen, fast nichtigen Alltagsbeobachtungen, von Gedanken und scheinbar selbstverständlichen Selbsterkenntnissen, hinter denen aber sehr viel Lebenserfahrung steckt, dazu bedarf es keiner zusätzlichen Worte. Und eine Aufforderung zum Mitklatschen oder Mitsingen war auch nicht nötig, bei Hits wie "Via con me" animierte sich das Publikum schon selbst.

Absolut bezaubernde Musik

Und dann ist da noch diese absolut bezaubernde Musik, die von einer vergangenen Zeit kündet, in der scheinbar noch alles besser war, in der es auf jeden Fall noch keine elektrisch verstärkten Gitarren gab und schon gar keine Synthesizer, auf denen jeder per Tastendruck fantastische Soundlandschaften wachrufen kann. Eine Zeit eben, in der noch musikalisches Handwerk gefragt war, und das beherrschte das neunköpfige Ensemble auch bestens.

Da sind etwa die drei Saxofonisten, die wunderbar perfekte Bläsersätze spielen, die gelegentlich auch mal zur Klarinette, Oboe oder einem Akkordeon greifen, um das Klangbild zu bereichern. Oder die drei Gitarristen mit ihren akustischen Instrumenten, die allerlei rhythmische Finessen kennen. Okay, so ganz ohne Elektronik kommt auch Conte nicht aus, etwa in "Gli impermeabili". Da pflegt er einen lässigen modernen Sound, der zeigt, dass Conte auf der Höhe der Zeit ist. Aber das geschieht alles äußerst dezent und ist nicht aufdringlich wie in "Bartali". Es ist eben nur eine Facette der vielen Klangfarben, die Conte in seinen Liedern einsetzt. Doch was heißt Lieder, eigentlich sind es Minidramen, in denen die Musik mit all ihren Möglichkeiten die Stimmungslagen unterstützt. Das kann mal ein gemütlicher Blues sein wie in "Sotto le stelle del jazz" oder Zigeunerswing wie in "Come di" oder ein schneller Rumba-Rhythmus wie in "La Negra". Und wenn es erforderlich ist, vermischen sich diverse Stile wie in "Moresca".

Conte ist durch und durch Italiener

Und dann ist da natürlich noch diese einzigartige raue Stimme. Mal singt er ganz eng im harmonischen Gefüge wie in "Alla prese con una verde milonga", ein anderes Mal befreit er sich davon wie in "Le chic et le charme". Conte ist zwar durch und durch Italiener, aber er hat auch Frankreich als seine zweite Heimat schätzen gelernt.

Manchmal scheint es, als führe Conte Selbstgespräche, dann ist auch die Musik ganz zurückhaltend wie in "Wanda". Später aber treibt die Rhythmusgruppe kräftig voran wie in "Dancing". Doch Conte verliert deshalb seine Gelassenheit nicht, er entspricht dem eben mit Wortakrobatik und schnell dahingesungenen Phrasen.

Als Solist ist Conte am Klavier ein Meister des Aussparens. Mit wenigen Tönen skizziert er - etwa in "Diavolo rosso" - mehr ein Solo, als dass er dieses gestenreich ausfüllte. Nach über 13 Jahren war Conte jetzt wieder einmal in Stuttgart - er dürfte ruhig etwas öfter kommen.