In Quarantäne muss, wer Kontakt zu einer mit dem Coronavirus infizierten Person hatte. Foto: imago/Michael Bihlmayer

Die ansteckende Omikron-Variante des Coronavirus breitet sich auch in Deutschland schnell aus – und die Bundesregierung wappnet sich für eine neue Welle. Diskutiert wird auch über verkürzte Quarantänezeiten – doch wäre das überhaupt ohne Risiken möglich?

Stuttgart/Heidelberg - Die Omikron-Variante des Coronavirus breitet sich auch in Deutschland zügig weiter aus. Expertinnen und Experten rechnen deshalb schon bald wieder mit hohen Ansteckungsraten – und daher auch mit einer Belastung der kritischen Infrastruktur. Diskutiert wird deshalb nun auch über verkürzte Quarantänezeiten zumindest für Kontaktpersonen von Infizierten. In den ARD-Tagesthemen hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für die erste Januarwoche Vorschläge dazu angekündigt: „Wir sind mit einem dynamischen Anstieg der Omikron-Fälle konfrontiert“, sagte der SPD-Politiker am Mittwochabend. Es gelte zu überlegen, was dies etwa für Kontaktreduzierungen und die Dauer von Quarantänezeiten bedeute.

Der Corona-Expertenrat der Bundesregierung hatte kürzlich vor Personalnot bei der kritischen Infrastruktur wie etwa Polizei oder Feuerwehr gewarnt, wenn durch die starke Ausbreitung von Omikron auch die Zahl an Infektionen wieder deutlich ansteigt. Großbritannien und die USA etwa haben die Dauer für Infizierte ohne Symptome bereits verkürzt, um akutem Personalmangel in solch kritischen Bereichen vorzubeugen. Auch Spanien hat die Quarantäne-Dauer für symptomlose Infizierte am Mittwoch von zehn auf sieben Tage verkürzt.

Ein Test vor Aufhebung der Quarantäne wäre nötig

Hans-Georg Kräusslich, Leiter der Virologie am Universitätsklinikum in Heidelberg, hält eine verkürzte Quarantäne für Betroffene „für eine sehr vernünftige Überlegung, wobei dies aktuell für dreifach geimpfte Kontaktpersonen gelten sollte.“ Es gebe Daten zur Omikron-Variante, die zeigen, dass die Inkubationszeit kürzer als bei den vorherigen Varianten ist – eher bei drei bis vier Tagen, erklärt der Virologe. Die Inkubationszeit meint die Spanne zwischen Ansteckung und Erkrankung. „Insofern schiene mir eine Verkürzung auf sieben Tage, eventuell und bei entsprechender Situation auf fünf Tage absolut vertretbar.“ Vor Aufhebung der Quarantäne müsse ein negativer Test verlangt werden. Durch diese Testung könnte gegebenenfalls auch eine asymptomatische Infektion vor Aufhebung der Quarantäne entdeckt werden.

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Unterscheiden muss man dabei zwischen Quarantäne und Isolation: Wer Kontakt zu einer mit dem Coronavirus infizierten Person hatte und möglicherweise selbst infiziert wurde, muss in Quarantäne. Von Isolation wird dagegen bei definitiv infizierten Personen gesprochen. In Baden-Württemberg hatte die Landesregierung die Regeln kürzlich erst verschärft: Wer mit der Omikron-Variante infiziert ist oder Kontakt zu einer infizierten Person hatte, kann sich derzeit nicht mehr wie zuvor nach einigen Tagen freitesten und die Absonderung vorzeitig beenden. Und: Ist Omikron im Spiel, müssen auch geimpfte oder genesene Personen in die Absonderung.

Verkürzte Zeiten könnten Akzeptanz der Maßnahmen steigern

Jan Steffen Jürgensen, Medizinischer Vorstand des Klinikums Stuttgart, hält eine Verkürzung von Isolations- und Quarantänedauer „angesichts der Besonderheiten der Omikron-Variante, die in vielen Ländern bereits dominant ist und auch in Deutschland im Januar vorherrschen wird, für sehr sinnvoll und richtig“. Omikron könne eine schnellere Verbreitung in der Bevölkerung erreichen als andere Varianten, erklärt der Internist und Gesundheitswissenschaftler. „Gleichzeitig ist Omikron durch Booster-Impfungen gut einzudämmen und durch die eher kurze Infektiosität sind auch die AHA-Regeln tendenziell wirkungsvoller.“ Eine Verkürzung könnte Jürgensen zufolge auch die Akzeptanz der Maßnahmen steigern. So sei durchaus vermutet worden, dass in der Vergangenheit nicht alle positiven Selbsttest-Ergebnisse ehrlich berichtet wurden – um bei milden Verläufen lange Isolationen zu vermeiden.

Hartmut Hengel, Ärztlicher Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Freiburg, hält eine Verkürzung der Quarantänerichtlinien ebenfalls für vertretbar. Im Zweifel könnten betroffene Personen, die etwa in kritischen Bereichen arbeiten und dringend gebraucht werden, noch zusätzlich mit FFP2 Masken ausgestattet werden – das könnte die Infektionssicherheit weiter verbessern, sagt der Freiburger Virologe.

Erkrankte sind oft ein bis zwei Tage vor Ausbruch der Symptome ansteckend

Wie lange infizierte Personen ansteckend sind, lässt sich nicht immer ganz genau sagen – gerade im Hinblick auf Infektionen mit Omikron. „Infektiös sind die Personen in der Regel ab ein bis zwei Tagen vor möglichen Symptomen und dann einige Tage danach“, sagt der Heidelberger Mediziner Hans-Georg Kräusslich. Jan Steffen Jürgensen spricht von zwei bis drei Tagen nach Symptombeginn.

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Hartmut Hengel, Ärztlicher Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Freiburg, verweist auf eine aktuelle Studie im New England Journal of Medicine. Die Phase, in der das Virus effektiv übertragen wird, umfasst laut der Auswertung ein Zeitfenster von 7,5 Tagen bei Ungeimpften und eines von 5,5 Tagen bei Geimpften. „Allerdings muss man einschränkend sagen, dass es hierbei noch keine belastbaren Daten zur Omikronvariante gibt und die Daten statistische Mittelwerte darstellen“, sagt Hengel. Zudem sei in der Studie nicht zwischen symptomatischen und asymptomatischen Infizierten unterschieden worden. „Asymptomatische Personen können aber durchaus so viel Virus produzieren wie Personen, die krank sind.“