Spiel mit dem Feuer? Nicht nur die Japanerin Sara Takanasahi war nach der Disqualifikation am Montag am Boden zerstört. Foto: Nesvold/Imago

Während die einen fordern, dass nach der Disqualifikation von gleich fünf Skispringerinnen beim olympischen Mixed-Wettbewerb Materialkontrolleur Mika Jukkara gehen soll, behauptet dessen polnische Kollegin, dass alle Top-Nationen bewusst mit dem Feuer gespielt hätten.

Der Aufschrei der internationalen Skisprung-Szene nach der Olympia-Farce beim durch fünf Disqualifikationen entschiedenen Mixed-Wettbewerb von Zhangjiakou war groß. Nicht nur die betroffene Katharina Althaus war außer sich, Ex-Frauen-Bundestrainer Andreas Bauer war schockiert: "Da wurden vier Weltklasse-Athletinnen vor einem Millionenpublikum regelrecht vorgeführt. So darf sich eine Sportart auf der weltgrößten Bühne nicht präsentieren. Das war ein Skandal." Sicher ist, dass das Damen-Skispringen von diesen Spielen einen herben Image-Schaden davontragen wird. Aber wer trägt wirklich die Schuld an der zugespitzten Lage auf der größtmöglichen Bühne?

Agnieszka Baczkowska wehrt sich

In den Fokus der Kritik gerieten vor allem die Materialkontrolleure Mika Jukkara, der die Männer überprüft, und die Polin Agnieszka Baczkowska, die für die Frauen zuständig ist. Diese wehrt sich gegen den "Shitstorm", der an einem ihrer schwersten Einsatztage über sie hereingebrochen ist. "Darüber kann ich mich nicht freuen", sagte sie dem polnischen Sender TVP Sport. "Aber wenn sich die Teams oder die Athleten selbst nicht an die Regeln halten, müssen sie damit rechnen, dass sie erwischt werden."

Teams unter Beobachtung?

Offenbar hatten die Teams schon vor dem Mixed Warnungen erhalten und standen unter Beobachtung. Kontrolleurin Baczkowska jedenfalls, die jetzt unter Beschuss steht, berichtet, dass sie immer wieder Hinweise von den einzelnen Teams erhalten habe, dass an der Ausrüstung der anderen Mannschaften etwas nicht korrekt sei. Am Ende disqualifizierte sie neben Althaus auch Sara Takanashi (Japan), Daniela Iraschko-Stolz (Österreich) und die Norwegerinnen Anna Odine Stroem und Silje Opseth.

Wettlauf um größtmögliche Mogelei?

Offizielle Proteste gab es in keinem der Fälle, erzählt Baczkowska. Für sie kommt das nicht von ungefähr: Allen führenden Teams "war bewusst, dass sie an der Grenze balancieren" würden und die Gerüchte über mögliche Regelverstöße – insbesondere der übergroßer Anzüge – seien "aus den stärksten Nationen selbst" gekommen. Entweder haben sich also alle großen Skisprung-Nationen einen Wettlauf um die größtmögliche Mogelei geleistet – oder die Materialkontrolle hat sich in den Vordergrund gespielt.

"Anzug zehn Zentimeter zu groß!"

In den fünf Fällen in Zhangjiakou ging es bei den Anzügen der fünf Springerinnen um die Schrittlänge. Dem Regelwerk zufolge darf der Anzug im Schritt maximal drei Zentimeter Abstand vom Körper haben. "Was soll ich denn machen, wenn jemand mit einem zehn Zentimeter zu großen Anzug springt? Also bitte! Das sieht man ja schon mit bloßem Auge", sagte Baczkowska. Die Österreicher und die Japaner bestätigten am Ende auch, dass die Anzüge zu groß waren.

Ein Team schwärzt das andere an

Vor allem im Herkunftsland von Baczkowska, in Polen, wiesen die Berichterstatter darauf hin, dass auch Bundestrainer Stefan Horngacher, der jetzt von einem "Kasperletheater" sprach, in dieser Saison schon Einspruch gegen seiner Meinung nach unzulässige Schuhe der polnischen Skispringer einegelegt hatte, woraufhin Piotr Zyla und Stefan Hula disqualifiziert worden waren. Der Japaner Yukiya Sato wurde wegen zu breiter Ski ausgeschlossen – auch hier soll Horngacher der Urheber des Protests gewesen sein. Der polnische Journalist Bartosz Leja von Skoki Polska kommentiert die Vorgänge des Mixed-Springens achselzuckend: "Wer mit dem Schwert kämpft, stirbt durch das Schwert."

Sepp Gratzer giftet gegen seinen Nachfolger

Nichtdestotrotz hat sich vor allem Jukkara den Zorn von Athleten, Trainern und Funktionären zugezogen. Der Finne hatte den Job im Vorjahr von Sepp Gratzer übernommen. Der Österreicher attackierte seinen Nachfolger nach der ungewöhnlichen Serie an Disqualifikationen frontal. "Für mich ist er momentan nicht der richtige Mann auf dem Platz, da hat man sich wohl geirrt", sagte er der Tiroler Tageszeitung. In der ARD äußerte der 66-Jährige Zweifel, ob mit Jukkara nach den Spielen weitergemacht werden solle. "Ich glaube, dass sein Image schon sehr angepatzt ist."