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Die österreichische Autorin Elfriede Gerstl ist am Donnerstag nach langer und schwerer Krankheit im Alter von 76 Jahren gestorben. Gerstl war Trägerin zahlreicher Literaturpreise.

Wien - Die österreichische Autorin Elfriede Gerstl ist am Donnerstag im Alter von 76 Jahren einem langen Krebsleiden erlegen. Dies teilte der Literaturverlag Droschl (Graz) mit. Gerstl, die als Kind jüdischer Eltern die Zeit des Nationalsozialismus in Wien in Verstecken überlebte, war Trägerin zahlreicher Auszeichnungen, darunter der mit 15.000 Euro dotierten Hamburger Ben Witter-Preis. Sie verfasste im Laufe ihrer mehr als 50-jährigen Karriere vor allem Gedichte, Essays und kurze Prosastücke und galt als engagierte Feministin. In den 1960er Jahren hielt sie sich wiederholt in Berlin auf.

Gerstl arbeitete nach Angaben ihres Verlags bis zuletzt an einer "Sammlung von Gedichten, Träumen, Denkkrümeln und Postkarten", die Ende April mit dem Titel "Lebenszeichen" erscheinen soll. Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek würdigte die Autorin, mit der sie eine enge Freundschaft verband, als eine Frau, "die das Dunkelste erlebt hat, ohne je selbst verdunkelt gewesen zu sein".

Elfriede Gerstl wurde am 16. Juni 1932 in Wien als Tochter eines jüdischen Zahnarztes geboren. Sie studierte nach dem Krieg Medizin und Psychologie und veröffentlichte seit 1955 vereinzelte Schriften, zunächst in der Zeitschrift "Neue Wege". Ihre erste Buchpublikation war "Gesellschaftsspiele mit mir" (1962), in den Jahren darauf entstand in Berlin das Werk "Spielräume". Zu ihren bekanntesten Veröffentlichungen zählt der Band "Kleiderflug, Schreiben-Sammeln-Lebensräume", der 2007 in erweiterter Form neu publiziert wurde. Gerstl erhielt im Lauf ihrer Karriere zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Heimrad-Bäcker-Preis 2007 sowie den Erich-Fried-Preis und den Georg Trakl Preis für Lyrik (beide 1999).

Zum Tode Gerstls sagte Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek: "Diese zarte kleine Person, die immer im Hellen herumgelaufen ist und so hell und witzig geschrieben hat, hat das Dunkelste erlebt, ohne je selbst verdunkelt gewesen zu sein in ihrem Wesen und Schreiben. Das ist für mich immer das Unbegreiflichste gewesen, ein Wunder." Der Schriftsteller Gerhard Ruiss nannte sie eine "sehr genaue Beobachterin des gesellschaftlichen Lebens. Da gibt es keine zweite, die das so erfassen und wiedergeben konnte wie sie." Österreichs Kultusministerin Claudia Schmied meinte, durch Gerstls Tod habe die deutschsprachige Nachkriegsliteratur eine "wichtige Vertreterin verloren, deren Werk in all seiner Bedeutung erst zukünftige Generationen erfassen werden können". Gerstls Verlag würdigte die Autorin als eine "der ganz großen und unbeirrbaren Dichterinnen deutscher Sprache in österreichischer Färbung".