Der Bahnverkehr soll Rückgrat im ÖPNV im Kreis Freudenstadt bleiben. Archiv- Foto: Rath

In einer Stunde am Ziel ohne eigenes Auto: Im Kreis Freudenstadt gibt es ab Sommer eine Mobilitätsgarantie. Fehlende Anschlüsse im ÖPNV sind dann passé – vorerst in Horb und Freudenstadt.

Kreis Freudenstadt - Das vom Land geförderte Projekt "Mobil(er)leben im Landkreis Freudenstadt" und die darin integrierte Mobilitätsgarantie werden umgesetzt. Den Empfehlungsbeschluss fasste der Technische Ausschuss am Montag. Gestartet wird, vorbehaltlich der Zustimmung des Kreistags, in den beiden großen Kreisstädten Freudenstadt und Horb mit so genannten "ÖPNV-Taxis" in Kooperation mit den örtlichen Taxiunternehmen. Dies erklärte Stephan Kroll von der Nahverkehrsberatung Südwest in der Sitzung des Ausschusses.

Reiseketten entstehen

Bahnen bilden auch künftig das Rückgrat des Systems, in welches das bereits bestehende ÖPNV-Angebot mit Bussen aber so integriert werden soll, dass "Reiseketten" entstehen, die dem Fahrgast den permanenten Umstieg ermöglichen. Verbleibende Lücken werden durch "On-Demand-Verkehr", also Fahrten auf Bestellung, mittels ÖPNV-Taxis abgedeckt. Wo es keinen Linien-ÖPNV gebe, habe der Fahrgast künftig die Möglichkeit, ein solches Taxi zum normalen Tarif zu nutzen. Bei Bedarf werde sogar vor die eigene Haustüre gefahren, versprach Kroll.

Alle Zeitkarten wie Monatskarten könnten genutzt werden. Verlangt werde lediglich ein Zuschlag von zwei Euro für Erwachsene und ein Euro für Kinder. Wer bis zur Haustüre direkt gefahren werden wolle, zahle zusätzlich fünf Euro. Projektstart ist am 1. Juli. Ein stündliches ÖPNV-Angebot wird ab diesem Zeitpunkt werktags mindestens von 5 Uhr bis 24 Uhr und an den Wochenenden von 7 Uhr bis 1 Uhr geboten. Wer in diesem Zeitraum los wolle, komme innerhalb von einer Stunde ans Ziel, versprach Kroll.

Alter Wunsch von Jugendlichen

Bei der Umsetzung helfe eine Dispositionssoftware, die den gewohnten Fahrplan künftig ersetze. Der Kunde nutze diese über eine App, also ein Hilfsprogramm für das Handy. Das Programm prüfe bei jeder Eingabe, ob ein Linienangebot für den Fahrtwunsch innerhalb der nächsten Stunde bestehe. Sei das nicht der Fall, werde automatisch auf das Angebot des ÖPNV-Taxis verwiesen. Nehme der Nutzer das Angebot an, werde der Fahrtwunsch automatisch an freie Taxis weitergeleitet. Sobald der Fahrer die Fahrt bestätige, komme die Buchung zustande und der Kunde erfahre, wo er zusteigen könne.

Bewusst habe man sich dafür entschieden, mit diesen Fahrten die Taxiunternehmen mit ihrer bereits bestehende Autoflotte zu betrauen und keinen neue Fahrzeuge anzuschaffen, so Kroll. Wer schneller als angeboten ein Taxi brauche oder dieses trotz eines bestehenden Linienangebots nutzen wolle, könne dies weiterhin tun, in diesen Fällen aber zum regulären Taxipreis. Auch darüber werde man über die App informiert.

Erste Bilanz im Herbst

Bereits im Herbst lägen dem Kreistag erste Ergebnisse vor. Die Kosten für das Projekt belaufen sich auf 600 000 Euro in diesem Jahr, 50 Prozent davon werden durch das Land gefördert. Dieses bezuschusst das Projekt insgesamt mit einer Summe von 1,8 Millionen Euro über fünf Jahre. Horb und Freudenstadt beteiligen sich mit jährlich jeweils 45 000 Euro an den Kosten.

Michael Ruf (CDU) und Gerhard Gaiser (SPD) hegten Zweifel, dass eine Bilanz im Herbst bereits aussagekräftige Ergebnisse liefert. Es fehlten die Erfahrungen des Winters, so Gaiser. Zudem wolle man Infos über die Kosten bei einer flächendeckenden Einführung und ein Ausstiegsszenario im Falle des Scheiterns, so Ruf. Die Evaluation im Herbst sei lediglich ein erster Schritt, evaluiert werde auch danach ständig weiter, antwortete der Erste Landesbeamte Reinhard Geiser. Funktioniere das Projekt nicht, werde man sich selbstverständlich Ausstiegsszenarien überlegen. Das Landratsamt starte aber mit Zuversicht.

Das Thema habe auch mit der Zukunftsfähigkeit des Landkreises zu tun, sagte Stephanie Hentschel (FWV). Dies sei auch ein Wunsch der Jugendlichen. Ob das Projekt mit Einbezug weiterer Städte und Gemeinden teurer wird, wisse der Kreis noch nicht, so Geiser auf die Frage von Klaas Klaassen (FWV). Es gebe da noch zu viele Unbekannten, allen voran die Nutzung. Angedacht sei, auch Krankenfahrten einzubeziehen.

Buchung auch per Telefon

Lutz Wäckers (Grüne) forderte eine gute Aufklärung, damit auch ältere Menschen das System verstünden. Dies wurde zugesagt. Zudem könne man die Fahrten künftig auch telefonisch und nicht nur per App buchen, beruhigte Geiser. Der geringe "On-Demand-Zuschlag" gelte auch für die Besitzer des künftigen 365-Euro Tickets, antwortete er auf weitere Frage von Uwe Hellstern (AfD). Julian Osswald (CDU) sprach von einem "Erfolgsmodell". Damit ende dann hoffentlich auch die Diskussion in den Teilorten dahingehend, dass man Kurtaxe bezahlen müsse, obwohl von dort aus nicht einmal ein Bus fahre.

Dicke Rechnung kommt

Armin Jöchle (CDU) sagte voraus, dass die Landesförderung irgendwann Ende und dann "die dicke Rechnung" komme. Jöchles Befürchtung, dass die bestehende Taxis-Flotte nicht reiche, wies Kroll zurück. Das Gewerbe sei wegen Corona und anderen Krisen nicht auf Rosen gebettet und froh über das Modell des Landkreises. "Die Branche betrachtet das deshalb als Chance", so Kroll.

Die Runde stimmte dem Konzept zu. Der Entwurf der Sondervereinbar zwischen dem Landkreis Freudenstadt und den Taxiunternehmen als rechtliche Basis für die Einführung des ÖPNV-Tickets wurde ebenfalls einstimmig abgesegnet.