Besonderes Kapitel im Obernheimer Narrenbuch / Geistlicher moniert das Zechen in der Sonnenwirtschaft

Obernheim. In den Ausführungen zur frühen Fasnet findet sich im Obernheimer Fasnetsbuch "Ma goht ge hexa" im Kapitel "Fasnet uralt und ewig jung" der im Rahmen veröffentlichte Bericht zu einem Fasnetsumzug im Jahr 1895.

Für die Hexenzunft dient dieser Eintrag in der Pfarrchronik von Obernheim als eindeutig belegter Nachweis, dass auch im 19. Jahrhundert bereits Fasnet gefeiert worden ist. An sich reicht diese Aussage so aus und hat ihre Berechtigung, veröffentlicht zu werden, allemal erfüllt. Mancher Leser des Buches wird sich dennoch so seine Gedanken gemacht und der Entwicklung nachsinniert haben.

Wie konnte es zu so einer Darstellung im Fasnetsumzug kommen? Der Bericht liest sich so, wie wenn die in Obernheim vertretenen Parteien hinter dieser Inszenierung gestanden hätten. Dem ist nicht so, zumindest entsprechend dem, was vorangegangen war.

Den Ursprung nimmt das als wenig ruhmvolles Ereignis einzustufende Vorgehen vielleicht schon in der Gründung des Gesangvereins im Jahr 1893. Möglicherweise war dieser neue Verein beim Ortsgeistlichen nicht so sehr willkommen. Seinerzeit bestand bereits ein Kirchenchor. Spätestens aber, als der Pfarrer im Dezember 1894 Kenntnis von der beabsichtigten Vereinssatzung erfahren hat.

Dessen Statuten sahen nämlich in Paragraf 5 vor, dass der Verein die Mitglieder im Falle eines Beitritts zum Kirchenchor mit 20 Mark Strafe belegt. Auf das Verlangen des Pfarrers, diesen Passus zu streichen, gingen die Sänger nicht ein.

Auch nicht auf die Drohung, dass dem Verein die Weihe der Fahne und allen Mitgliedern alle besonderen Ehren der Kirche versagt blieben. So ereignete sich, dass die Hochzeit des Sohnes des Schultheißen, der Mitglied des Gesangvereins war, nicht zustande kam. Mit dem Einmarsch der Sangesbrüder mit Fahne verließ der Pfarrer den Altar und die Kirche. Die Trauung, so berichtet die Pfarrchronik weiter, fand alsbald darauf in Unterdigisheim statt. Der Streit war aber beileibe noch nicht beigelegt, und so gab es im verbalen Schlagabtausch dann noch eine Verleumdungskampagne gegen den Pfarrer.

Mit der Vereinbarung vom 16. November 1895 kam diese leidige Angelegenheit zum Abschluss, indem die anstößigen Stellen aus dem Satzungsentwurf gestrichen wurden. Der protestantische Vizevorsitzende des Vereins hatte maßgeblich zur Einigung beigetragen.

Der erwähnte Umzug wurde jedoch nicht wegen des Pfarrers abgehalten, sondern ganz einfach, weil an der Fasnet heute wie früher immer wieder "Unpässlichkeiten oder Amüsantes" auf diese Weise als lebhafte Karikatur dargestellt werden. Somit ist Fasnet auch ein klein wenig "Charlie HEBDO". Jener Pfarrer war nie glücklich in Obernheim. Er verstand es einfach immer wieder, mit seinen Kritiken gegen die Bevölkerung anzulaufen.

So auch, als er gegen das "Zechen in der Sonnenwirtschaft" von Fortbildungschülern und Sonntagsschülerinnen am Fasnetsdienstag des Jahres 1899 intervenierte. Insgesamt 15 Schülerinnen und 16 Schüler sind daraufhin mit einer öffentlichen Rüge bestraft worden.

Was hat das aber am Ende gebracht? Fasnet wurde weiterhin gefeiert und auch von der jungen Generation – und das bis zum heutigen Tage.

Weitere Informationen: Das Fasnetsbuch "Ma goht ge Hexa" beinhaltet zahlreiche Informationen. Auf mehr als 300 Seiten ist vor allem die Fasnet beschrieben und mit vielen Fotos illustriert.