Schön viel Platz: Wenn morgens noch alles relativ leer ist, lassen sich entspannte Runden im Becken drehen. Rudolf Denz kommt seit zehn Jahren beinahe jeden Morgen zum Frühschwimmen ins Oberndorfer Freibad. Foto: Bienger

Hartgesottene Schwimmer drehen jeden Morgen ab halb sieben ihre Runden / "Bin so gut wie nie krank"

Von Alicja Bienger

Oberndorf. Bei 30 Grad im Schatten baden gehen kann jeder – nur die Hartgesottenen trauen sich bei niedrigen Außentemperaturen ins kühle Nass.

Bei gerade mal acht Grad Celsius Lufttemperatur steigt Dampf aus dem Becken empor, obwohl das Wasser mit etwa 23 Grad auch nicht gerade tropisch warm ist. Der Sommer kam spät in diesem Jahr; erst vor wenigen Tagen war es morgens noch bitterkalt. Alles jedoch kein Problem für die Frühschwimmer: Manche von ihnen stehen seit Anfang Mai, als das Freibad seine Pforten öffnete, täglich ab 6.30 Uhr auf der Matte – bei wirklich jedem Wetter.

Rudolf Denz, 60 Jahre alt, ist einer von ihnen. Er geht, gemeinsam mit seiner Ehefrau, beinahe jeden Morgen schwimmen, und das schon seit fast zehn Jahren. "Es hält mich fit", erklärt der KfZ-Mechaniker, der außerdem jeden Morgen Zeitungen austrägt – all das härte ihn ab, wie er sagt. Nur das frühe Aufstehen bereitet ihm häufiger Probleme; der Sprung ins kalte Wasser hingegen überhaupt nicht: "Wenn man erst einmal drin ist, geht’s", so Denz.

Nach dem Radeln noch eine Runde schwimmen

Fit bleiben will auch Stefan Kopf aus Beffendorf, der jeden Morgen mit seinen Kindern nach Oberndorf radelt, wo sie zur Schule gehen. Häufig geht er danach noch eine schnelle Runde schwimmen. "Das kommt immer ganz auf die Zeit an, da ich im Anschluss arbeiten gehe", so Kopf, "aber schlechtes Wetter schreckt mich nicht ab."

In diesem Punkt macht niemand der 41-jährigen Oberndorferin Petra Glaser so schnell etwas vor. Sie traute sich ins Wasser, als es draußen gerade einmal zwei Grad kalt war: "Da waren wir nur zu zweit", lacht sie. Vor drei Jahren sei sie nach Oberndorf gezogen, direkt neben das Freibad, und beobachtete die Frühschwimmer. "Das war für mich ein schöner Impuls", so Glaser. "Jetzt stehe ich um 6.15 Uhr auf und bin um 6.30 Uhr im Wasser." Sie ist überzeugt davon, dass das frühmorgendliche Schwimmen ihrer Gesundheit gut tut: "Ich bin einfach so gut wie nie krank." Nach dem Schwimmen frühstücke sie erst einmal, dann geht’s zur Arbeit.

Friedhelm Wirtz ist seit 2012 Schwimmmeister im Oberndorfer Freibad. Er vermutet, dass es vor allem der Fitnessgedanke ist, der die Frühschwimmer aus dem Bett reißt – aber auch das Triumph-Gefühl, das sich breit macht, "wenn man erst einmal den inneren Schweinehund besiegt hat", glaubt Wirtz. Denn in einem Punkt waren sich alle Befragten einig: Zu Beginn kostet der erste Schritt ins kalte Wasser jeden Überwindung. Wer jedoch durchhält, hat sich selbst und seiner Umwelt etwas bewiesen.

Vor allem Ältere nutzen Frühschwimmangebot

Friedhelm Wirtz weiß: Es sind überwiegend Ältere, die so früh am Morgen ein Ticket bei ihm kaufen. "Die Jüngeren kommen erst so gegen neun." Seit dem 3. Mai, als das Freibad öffnete, sieht er jeden Morgen seine "Stammgäste". Zwei Drittel davon sind weiblich, vielleicht deshalb, "weil die Frauen tendenziell mehr auf ihre Gesundheit achten", vermutet der Schwimmmeister.

15 Meter sind es vom Beckenrand bis zur Wärmehalle. "Einige legen einen Sprint ein, um schnell warm duschen zu können", erzählt Wirtz. Er selbst geht eher selten morgens schwimmen; da er jedoch stets gut trainiert sein muss, um für den Ernstfall gerüstet zu sein, dreht er abends seine Runden. Die morgendliche "Ruhe vor dem Sturm" genießt er; noch nie musste er in den Morgenstunden eingreifen – keine tobenden und unachtsamen Kinder und Jugendlichen, kein Tumult im Becken. Nur, wenn sehr wenig los ist, sei er besonders wachsam: "Wenn nur wenige Leute da sind, noch dazu viele, die Kraulen und den Kopf nur selten über Wasser halten, bekommt es unter Umständen keiner mit, wenn neben ihnen einer in Not gerät", erläutert Wirtz.

Überhaupt: Ruhig sei es bisher gewesen, kein Wunder – bei diesen Temperaturen. "Am Pfingstsonntag zählten wir über 500 Badegäste", erinnert sich der Schwimmmeister. Wahrscheinlich hätten sie die Wärmeoase zwischen den ansonsten kalten Tagen genutzt. Da ist Friedhelm Wirtz froh über jeden einzelnen Frühschwimmer, der dem Freibad auch bei Minusgraden die Treue hält, wie etwa Josef Simon, 48 Jahre alt: "Ich nutze den Sommer als Zeitraum der sportlichen Betätigung, und da ist mir jedes Wetter recht", erzählt er. Joggen und Co. seien nicht so sein Ding; das Schwimmen hingegen sei "nur zu empfehlen". Spricht’s – und eilt gleich weiter, denn die Arbeit ruft. Wenn das mal kein fitter Start in den Tag ist.