1100 Meter Akten und unzählige Fälle aus vier Notariaten, die nun an einem Ort gebündelt werden müssen. (Symbolfoto) Foto: Cools

Harte Zeiten brechen an. Einblick in das Oberndorfer Nachlass- und Betreuungsgericht.

Oberndorf - 1100 Meter Akten und unzählige Fälle aus vier Notariaten, die nun an einem Ort gebündelt werden müssen – die Notariatsreform, die im Januar in Kraft getreten ist, bringt einige Veränderungen mit sich – für die Notare jedoch vor allem negative.

Es ist eine Jahrhundertreform mit weitreichenden Folgen – rund 300 staatliche Notariate mit insgesamt gut 2600 Mitarbeitern landesweit wurden aufgelöst, auch die vier Einrichtungen in Sulz, Dornhan, Schramberg und Oberndorf. Auch der Name Notariat ist Geschichte. Das neue sogenannte Nachlass- und Betreuungsgericht in der Mauserstraße 38 in Oberndorf ist organisatorisch ins Amtsgericht eingegliedert.

Dort arbeiten künftig die drei Bezirksnotare Fiona Dold (vorher Schramberg), Tino Vischer (Schramberg) und Klaus Rieger (Rottweil) mit weiteren zehn Mitarbeitern.

Ein lukrativer Bereich der Arbeit fällt weg

"Sie sind die Letzten ihrer Art", sagt Wolfgang Heuer und meint damit die Bezeichnung Notar. Denn mit der Reform sind auch erhebliche Einschränkungen und Veränderungen auf die Notar-Akademieabsolventen, die in anderen Bundesländern mit Volljuristen gleichzusetzen sind, zugekommen.

Alle verbeamteten Notare mussten sich entweder ins Amtsgericht integrieren lassen oder selbstständig machen, künftig als freie Notare arbeiten und damit natürlich ihr Beamtenverhältnis aufgeben und sich selbst versichern.

Die Situation wird dadurch verschärft, dass Beurkundungen künftig nur noch durch freie Notare vorgenommen werden. Damit fällt für alle anderen Notare, die zuvor einen Teil der Gebühren erhalten haben, ein lukrativer Bereich ihrer Arbeit weg. Dieses sei jetzt vollkommen in privater Hand. Zudem werden die Aufgaben der Notare am Amtsgericht, also nachlass- und betreuungsgerichtliche Angelegenheiten, künftig von Rechtspflegern übernommen.

Das bedeutet nicht nur eine unglaubliche Umstellung, sondern auch eine Herausforderung für Amtsgerichtsdirektor Wolfgang Heuer. Denn viele der Notare, die nun eingegliedert werden, fühlen sich durch die Reform vor den Kopf gestoßen und unfair behandelt. "Eigentlich sollte ich enttäuscht sein. Ich habe nur noch die Hälfte der Aufgaben und des Gehalts", erklärt Klaus Rieger. Das Gehalt entspreche nun nur noch dem eines Studienrats.

Zudem müsse er nun stempeln und befinde sich unter der Dienstaufsicht des Amtsgerichtsdirektors, sagt Heuer. Dennoch blieb zumindest Rieger kaum eine Wahl. Sich mit 61 Jahren noch selbstständig zu machen, war keine Option.

"Viele Notare schieben Frust", weiß Wolfgang Heuer. Aus den Notaren hat man Rechtspfleger mit Zusatzqualifikation gemacht. "Viele haben das Gefühl einer Enteignung und Degradierung. Notare haben immer viel Verantwortung gehabt. Das wurde durch den Anteil an den Gebühren ausgeglichen", sagt Heuer. Er könne den Notaren nun eben nur noch eine gute Arbeitsatmosphäre bieten. "Der Bürger soll das nicht zu spüren bekommen und darunter leiden", sagt Rieger, dessen Geschäft zu 80 Prozent aus Beurkundungen bestand, professionell.

Ein wenig leichter fällt die Umstellung Fiona Dold, die als Teilzeitkraft eingestellt ist und sagt, dass es ja immer noch die Möglichkeit gebe, in das Angestelltenverhältnis bei einem freien Notar zu wechseln, und Tino Vischer, dessen Hauptgeschäft ohnehin betreuungsgerichtliche Fälle waren. Diese nehmen auch immer mehr zu, meint Heuer. "Die Leute leben länger, sind aber nicht unbedingt länger geistig gesund."

Rund 350 Betreuungsverfahren für nicht mehr entscheidungsfähige Menschen habe er zuletzt in Schramberg gehabt, sagt Vischer. Nun sind es gut 1000 laufende. Grundsätzlich könne jeder so etwas anregen.

Auch räumlich eine Herausforderung

Danach gehe es dann um die Ermittlung von Angehörigen, ein fachärztliches Gutachten und die Anhörung des Betroffnenen, ehe die Fragen der Vermögens- und Gesundheitsfürsorge sowie der Aufenthaltsbestimmung geklärt werden.

Früher eigenständige Angelegenheiten der Notare, Betreuungsverfahren und freiheitsentziehende Maßnahmen werden jetzt im Amtsgericht Oberndorf in einem abgewickelt. Auch die Arbeitsabläufe, samt EDV, sind nun an das Amtsgericht angepasst. "Die Servicekraft eines Notars muss sich auch darauf gefasst machen, dass sie bei Personalmangel Aufgaben im Gerichtsdienst übernehmen muss", erklärt Heuer. Mit Nachlassangelegenheiten hingegen hatte das Amtsgericht früher nichts zu tun, jetzt schon.

Die Reform habe auch räumlich für eine Herausforderung gesorgt. Das Gebäude Nummer 38 in der Mauserstraße habe erst einmal umgebaut und renoviert werden müssen – und das während des laufenden Geschäftsbetriebs. Die Obergeschosse hätten sich im absoluten Rohbauzustand befunden. Die Büroräume sind nun modern gestaltet und auch im Hinblick auf die elektronische Akte, die man sich laut Heuer in etwa zwei Jahren vorstellen könnte, gut ausgestattet.

In den Obergeschossen stehen zahlreiche Aktenschränke, im Keller Tresore, von denen einer gut 800 Kilogramm wiegt. Die Akten umzulagern und systematisch zu ordnen, sei eine ganz schöne Herausforderung gewesen, meint Heuer. Auch im Amtsgerichtsgebäudekeller stapeln sich die Akten in den Schränken. 100 Jahre müssen beispielsweise Nachlassakten aufbewahrt werden.

Durch die Umstellung während des laufenden Betriebs sei dabei einiges liegen geblieben. "Wir haben jetzt viel zu bearbeiten, aber wir sind auf einem guten Weg. Richtung Jahresende werden wir dann auf dem Laufenden sein", versichert Heuer.