Die Workshop-Teilnehmer bilden für die Vortragenden die Zuhörer. Beim richtigen Slam (Wettbewerb) entscheidet immer das Publikum. Fotos: Danner Foto: Schwarzwälder Bote

Workshop: Hank M. Flemming führt Teilnehmer in die Kunst des Poetry-Slam ein

Oberndorf. Tiefe Einblicke ins eigene Seelenleben, launige Liebeserklärungen ans Schulfach Mathe oder witzige Reime zum Fernsehkrimi "Tatort" – beim Poetry-Slam ist alles erlaubt. Einzige Bedingungen im modernen Dichter-Wettstreit: Die Texte müssen selbst geschrieben und sollten nicht länger als sechs Minuten sein, und beim Vortragen dürfen keine Requisiten verwendet werden.

Im Raum 359 des Gymnasiums am Rosenberg herrscht am Donnerstagabend konzentrierte Stille. Poetry-Slammer Hank M. Flemming hat die Workshop-Teilnehmer in die Materie eingewiesen und ihnen Tipps zu Textgestaltung und Performance gegeben. Jetzt schreiben alle – die einen auf dem Smartphone, die anderen auf dem Laptop, wieder andere von Hand ins Moleskine-Notizbuch.

Flemming, der von sich selbst sagt: "Ich sehe aus wie 15, bin im Kopf noch 12, auf dem Papier aber schon ü30", kommt aus dem Erzgebirge, lebt aber zwischenzeitlich in Tübingen. Er ist Slam-Poet, Autor, Moderator, und promovierter Psychologe ist er auch noch. Hank M. Flemming ist sein Bühnenname, in der Poetry-Slam-Szene ist der zart gewachsene Mann eine bekannte Größe. Der eine oder andere Workshop-Teilnehmer kennt ihn, hat ihn sogar schon live auf der Bühne gesehen.

Schülerinnen, eine Deutschlehrerin, eine Geschichten- und Bühnenerzählerin, eine Erzieherin und ein junger Mann sitzen im Klassenzimmer, das für vier Stunden zur Textwerkstatt wird. Die meisten kennen Poetry-Slam nur aus dem Fernsehen oder aus dem Internet. Sie finden es "cool" und interessant und wollen sich jetzt selbst ausprobieren. Die 15-Jährige und die über 50-Jährige haben bei diesem Format der Dichtkunst zunächst einmal die gleichen Voraussetzungen.

In drei Bereiche hat Flemming seine "Lehrstunden" gegliedert: Kreativität und Ideenfindung, das Schreiben und natürlich das Vortragen – die Performance. Poetry Slam lädt zum Experimentieren ein. Doch was schreibt man, wenn man eigentlich alles schreiben kann? Gar nicht so einfach. Beim einen ist es Poesie über die kleine Biene, die ein ganzes Ökosystem im Gleichgewicht hält. Umweltschutz und Menschenrechte sind beliebte Themen beim Poetry-Slam.

"Ungeordnete Gedankenschnipsel" zum Thema Morgen hat eine junge Teilnehmerin aufs Papier gebracht. Klassischer Fall von Understatement. Ihr Text hat eindeutig Potenzial.

Hank M. Flemming gibt allen, die das wollen, Rückmeldung. Alle wollen. Er weiß: Der beste Text taugt beim Poetry-Slam nicht, wenn er nicht gut vorgetragen wird. Wenn der Funke zum Publikum nicht überspringt.

Der Vortrag kann im Stakkato dahingaloppieren, Hauptsache er ist klar und deutlich zu verstehen. Die Stimme kann erhoben und wieder abgesenkt werden – alles Stilmittel, wenn sie bewusst eingesetzt werden. Jeder muss seinen eigenen Rhythmus, seine eigene Art des Vortrags für sich finden. "Poetry-Slam ist ein bisschen wie Theaterspielen in einer Rolle, die man sich selbst geschrieben hat," sagt Flemmming. Sie muss zu einem passen, einen gut kleiden.

Gut vier Stunden und ein paar Fair-Trade-Süßigkeiten und Apfelschorle später verabschiedet sich der Profi von seinen Schützlingen. Es ist 21.30 Uhr. Er muss zum Zug. "Vielleicht liest oder hört man sich ja später mal irgendwo," gibt er den Workshop-Teilnehmern mit auf den Weg.

Ihn selbst kann man auf jeden Fall am 2. Oktober in Oberndorf (wieder) sehen. Dann wird er den vom Kulturforum initiierten Oberndorf-Slam moderieren.

Das Kulturforum Oberndorf initiert am 2. Oktober den Oberndorf-Slam in der Stadt. In zwölf Lokalitäten werden Wettbewerbe in vier Kategorieren ausgetragen. Eine davon ist der Poetry-Slam. Im Vorfeld gibt es zwei Workshops, die die Bürgerstiftung Oberndorf finanziell unterstützt. Einer hat am Donnerstag stattgefunden, der zweite wird am 16. Juli sein. Das Gymnasium stellt den Raum zur Verfügung. Anmelden kann man sich noch unter oberndorfslam.de/poetry-slam-macht-der-worte.html