Amtsgericht: 19-Jähriger wird im Oberndorfer Freibad mit Marihuana erwischt / Verfahren wird eingestellt

Oberndorf. In seiner Ausbildung wurde er regelmäßig vom Meister runtergemacht, bis ihm die Tränen kamen. Nach Feierabend griff er deshalb immer wieder zu Marihuana. "Ich habe keinen anderen Ausweg gefunden", schilderte der 19-Jährige vor dem Oberndorfer Amtsgericht. Dort saß er, weil er an einem schönen Tag im Juni von der Polizei mit rund einem Gramm Marihuana im Oberndorfer Freibad aufgegriffen worden war. "Ich hatte zu dieser Zeit massive psychische Probleme", sprach der junge Mann ganz offen.

Er sei nicht der Einzige, der das Ambiente der unteren Liegewiesen im Oberndorfer Freibad für den Konsum von Betäubungsmitteln genutzt habe, wusste der Polizist, der als Zeuge geladen war, zu berichten. Die Bademeister seien dankbar für die Kontrollen durch die Beamten. "Im Freibad werden oft Drogen konsumiert. Wir greifen auch hin und wieder 14-Jährige mit Alkohol auf", berichtete der Polizist.

Der Angeklagte habe die Beamten schon von Weitem gesehen und hektisch seine Tasche im hohen Gras versteckt, erinnerte sich der Zeuge an den Tag im Juni. Erst habe er den Besitz des Marihuanas auch abgestritten, dann aber zugegeben, die Droge regelmäßig zu konsumieren.

Dem Bericht der Jugendgerichtshilfe war zu entnehmen, dass der 19-Jährige unter Symptomen von ADHS und Autismus leidet. Zudem sei er durch die Trennung der Eltern traumatisiert und habe noch immer kein gutes Verhältnis zu seiner Mutter.

Bei seiner ersten Arbeitsstelle sei er gemobbt worden. Der Meister habe ihn immer wieder als dumm und unfähig beschimpft. "Ich habe mich mit dem Gras einfach in einen Zustand geflüchtet, in dem alles okay war. Aber die Psyche geht daran kaputt. Man kapselt sich ab", sah der Angeklagte ein.

Amtsgerichtsdirektor Wolfgang Heuer wollte wissen, woher er das Marihuana hatte. "Das kriegt man am Bahnhof an jeder Ecke – überwiegend von dunkelhäutigen Menschen", sagte der 19-Jährige. Inzwischen sei er bei der Suchtberatung.

Auch zu Hause habe es Sanktionen gegeben. "Ich bin froh, dass ich bei meinem Vater wohnen kann. Er sagt mir, was richtig und falsch ist. Ich selbst weiß das einfach nicht", gestand der junge Mann. Das Marihuana habe er zwar zum Verarbeiten gebraucht, nun fehle es ihm aber gar nicht. "Ich kann Stress inzwischen besser verarbeiten", sagte er.

Richter Heuer folgte der Empfehlung der Jugendgerichtshilfe angesichts der Entwicklungsverzögerung des 19-Jährigen und zog für sein Urteil Jugendstrafrecht heran. Es sei bekannt, dass an ADHS Erkrankte eher dazu neigen, Marihuana zu konsumieren, meinte er. Bei Erwachsenen werde es sogar manchmal als Therapie eingesetzt. "Das wirkt offenbar von Zeit zu Zeit besser als manche Psychopharmaka, aber es ist sehr gefährlich", warnte er den 19-Jährigen vor künftigem Konsum. "Wenn man einmal in eine Psychose abstürzt, gibt es keinen Weg zurück."

Weil der Angeklagte sehr ehrlich gewesen sei und seinen Drogenkonsum ganz offensichtlich bereue, könne man das Verfahren gegen 20 Arbeitsstunden, abzuleisten bis Jahresende, einstellen, so Heuer.