Foto: Bits and Splits – stock.adobe.com

26-Jähriger zu acht Monaten Haft verurteilt. Laut Richter Heuer "keine weitere Chance verdient".

Oberndorf - Weil er offenbar völlig grundlos einen Taubstummen ins Gesicht schlug, muss ein 26-Jähriger aus dem Raum Oberndorf nun für acht Monate hinter Gitter.

Eigentlich sollte dieser Abend im Februar ein lustiger werden. Ein 34-Jähriger war mit seiner 30-jährigen Freundin in Oberndorf etwas trinken. Als sie nach Hause wollten, stürmte eine Gruppe Männer auf das Paar zu. "Sie haben meinen Freund bedrängt", schilderte die 30-Jährige vor dem Oberndorfer Amtsgericht.

Ihre Rufe, dass er gehörlos sei und sie nicht verstehen könne, wurden ignoriert. Dann kam der Schlag. "Ich habe nur noch Blut gesehen", sagte die 30-Jährige. Der Faustschlag sei aus zweiter Reihe gekommen und habe ihren Freund, der die Hände ihrer Schilderung nach in den Jackentaschen vergraben hatte, ins Gesicht getroffen.

Später habe der Angeklagte sie kontaktieren wollen. "Ich habe das ignoriert, weil ich nicht wusste, ob er uns wieder etwas tun will", so die Frau. Sie habe schon vor der Tat einiges vom Angeklagten gehört – unter anderem, dass er sich mit der Polizei angelegt habe. Bei ihrem Freund habe die Tat einiges verändert. "Er hat Angst und fühlt sich immer noch unwohl."

"Ich kannte diese ganzen Menschen gar nicht", ließ das 34-jährige Opfer durch seine Gebärdendolmetscherin mitteilen. "Es war ein großes Durcheinander. Ich habe nichts gehört, aber viel Aggression gespürt." Dann sei plötzlich der Angeklagte auf ihn zugekommen und habe ihm einfach eine reingehauen. "Es war schrecklich. Ich hatte große Angst."

Drei Wochen lang habe er Schmerzen gehabt. Schlimmer seien jedoch die psychischen Probleme. "Etwas hat sich verändert. Ich wusste ja nicht, warum ich geschlagen werde. Eigentlich ist das hier eine schöne Stadt, aber jetzt komme ich nicht mehr her. Hier ist es gefährlich", übersetzte die Dolmetscherin.

Täter leidet seit einem Erlebnis offenbar unter Panikattacken

Habe er eine Bierflasche in der Hand gehalten? Nein, sicher nicht, sagten sowohl das Opfer als auch seine Freundin unabhängig voneinander aus. Er habe einfach so da gestanden und nicht verstanden, was eigentlich los ist.

Die Frage des Amtsgerichtsdirektors Wolfgang Heuer bezog sich auf die Aussage des Angeklagten. Dieser hatte angegeben, vom Opfer bedrängt worden zu sein. "Ich habe unüberlegt gehandelt, weil ich Angst hatte, dass der mir mit der Bierflasche eins überzieht. Ich war einfach aufgeregt", so der 26-Jährige.

Er sei an diesem Abend mit Freunden in einer Shisha-Bar am Schuhmarktplatz gewesen. Dann tauchte der Vater eines Freundes auf der Suche nach seinem Sohn auf. Draußen sei ihm gesagt worden, die Freunde würden in der Bar Drogen konsumieren. Entsprechend aufgebracht sei man hinausgegangen.

Vor der Bar wollte man das spätere Opfer wegen seiner vermeintlichen Aussage gegenüber dem Vater wohl zur Rede stellen. Den Schlag erklärte der 26-Jährige so, dass er seit vier Jahren unter Panikattacken leide, weil er einst einen metallischen Gegenstand an den Kopf bekommen habe. Er sei deshalb in psychologischer Behandlung. Der 34-Jährige habe ihn vor die Brust gestoßen. "Die Situation war bedrängend. Ich hatte nicht vor, ihm wehzutun", so der Angeklagte.

"Sie sind dafür bekannt, eine kurze Zündschnur zu haben, oder?", fragte der Richter angesichts der zahlreichen Vorstrafen, unter anderem wegen Beleidigung, vorsätzlicher Körperverletzung und zuletzt gefährlicher Körperverletzung. Bei Letzterem war er, weil er jemandem nahe einer Disco in Balingen gegen den Kopf geschlagen und getreten haben soll, zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. "Früher war ich immer hyperaktiv, inzwischen nehme ich Beruhigungsmittel und trinke keinen Alkohol mehr."

Um seine Version der Geschichte zu bestätigen, hatte der Angeklagte einen Freund als Zeugen zum Amtsgericht zitiert. Der 20-Jährige sagte aus, das Opfer sei aufdringlich gewesen, habe eine Bierflasche in der Hand gehalten und den Freund sogar weggeschubst. Genaue Angaben zu Ablauf, Position und Beteiligten konnte der Zeuge jedoch nicht machen, so dass recht schnell der Verdacht auf eine Falschaussage zum Schutz des Freundes aufkam. "Eins ist klar: Wenn ich zu dem Schluss komme, dass der Zeuge gelogen hat, dann kann das zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten führen", warnte Heuer, doch der Zeuge blieb beharrlich bei seiner Aussage .

Hat der Freund des Angeklagten gelogen, um diesen zu schützen?

Auch die Staatsanwältin nahm ihm seine Aussage nicht ab. Sie wirke wie hinterher abgesprochen. Der Geschädigte und seine Freundin hätten die Ereignisse hingegen glaubhaft geschildert. Es scheine, als habe der Angeklagte ohne triftigen Grund zugeschlagen. Zudem sei er einschlägig vorbestraft und stehe noch nicht lange unter Bewährung. Sie sprach sich dafür aus, den Angeklagten zu einer viermonatigen Haftstrafe ohne Bewährung zu verurteilen.

Er wolle den Sachverhalt nicht in ein anderes Licht rücken, so der Verteidiger, doch in diesem "Getümmel" habe sein Mandant wohl aus der Situation heraus falsch reagiert und nicht vorsätzlich gehandelt. Er plädierte auf Bewährung.

Richter Heuer sah den Sachverhalt gänzlich anders als der Verteidiger. Für ihn handle es sich bei der Tat ganz klar um vorsätzliche Körperverletzung. Der 34-Jährige sei ein Zufallsopfer gewesen, dem ohne jeglichen Anlass ins Gesicht geschlagen wurde. "Der Angeklagte ist ein Schläger und wollte dem vermeintlichen Denunzianten eine verpassen", so Heuers Fazit.

Zudem habe er seinen Freund in eine Falschaussage getrieben. "Ich bin davon überzeugt, dass er gelogen hat. Er weiß nicht, wo er stand, will aber alles genau gesehen haben." An den Aussagen des Paars gebe es hingegen keinerlei Zweifel.

Acht Monate Haft für den 26-Jährigen seien angemessen, die Frage nach der Bewährung eindeutig zu verneinen. "Er hat keine weitere Chance verdient. Jetzt ist es aus und vorbei." Der Angeklagte habe nach wie vor ein Aggressionsproblem. Man müsse andere Menschen vor ihm schützen.