Die Referenten des Abends Jörg Leist, Erwin Teufel und Carsten Kohlmann mit dem CDU-Stadtverbandsvorsitzenden Robert Häring (Zweiter von rechts). Foto: Weber Foto: Schwarzwälder Bote

CDU: Illustere Referentenschar mit Ministerpräsident a. D. Teufel

Oberndorf. Was bescheiden als "Josef Andre – ein Politikerleben vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik – Geschichtsstunde des CDU-Stadtverbandes Oberndorf" angekündigt war, sollte sich als Grundlagenbetrachtung über freiheitliche Demokratie erweisen. Robert Häring, der Vorsitzende des CDU-Stadtverbands Oberndorf, begrüßte im fast voll besetzen Don-Bosco-Haus die Zuhörer, die keineswegs ausschließlich Unionsmitglieder waren.

Carsten Kohlmann, Archivar der Stadt Schramberg, hatte es als Historiker übernommen, den Lebensweg Josef Andres aufzuzeigen. Kohlmann hatte an den Anfang seiner Betrachtung ein Flugblatt, einen Aufruf der Christlich-Sozialen Volkspartei, mit unterzeichnet von Josef Andre gesetzt, in dem alle, die 1945 vor den Trümmern standen, aufgerufen werden, an der Gestaltung der Zukunft mitzuwirken. Dieses Flugblatt kann als Geburtsstunde der CDU bezeichnet werden, so der Historiker.

Der Referent erinnerte, dass Josef Andre von 1906 bis 1933 Abgeordneter im Oberamtbezirk Oberndorf am Neckar war. Die Kirchen, so Carsten Kohlmann, erkannten die Spannungen; christliche Arbeiterbewegungen entstanden, erste hauptamtliche Arbeitersekretäre wurden etabliert wie Matthias Erzberger. Josef Andre, der in einer sozialistisch angehauchten Schreinerei gelernt hatte, kam 1890 mit dem "Volksverein für das katholische Deutschland" in Berührung, wurde Redakteur der Schwäbischen Arbeiterzeitung.

Beendigung der Waffenproduktion

1908 siegte Josef Andre mit ganz knapper Mehrheit bei der Landtagswahl als Abgeordneter für das Oberamt Oberndorf. Nach dem ersten Weltkrieg hatte natürlich auch der Abgeordnete für Oberndorf schwer an der Beendigung der Waffenproduktion in den Mauserwerken zu tragen. 1919 wurde er in die Verfassungsgebend Nationalversammlung berufen.

Männer wie ihn konnten die nationalsozialistischen Machthaber nicht brauchen. Nach seiner Enthebung aus allen Ämtern wurde er Rechtsberater des Caritas-Verbandes. Im Zusammenhang mit dem Attentat vom 20. Juli 1944 wurde Josef Andre unter anderem im Arbeiterziehungslager Oberndorf/Neckar inhaftiert.

Nach dem Zusammenbruch war er maßgeblich an der Gründung der CDU beteiligt. Von September 1945 bis Mai 1946 war er Wirtschaftsminister im Kabinett des Ministerpräsidenten Reinhold Maier in Württemberg-Baden. Josef Andre bekleidete noch viele politische Ämter bis zu seinem Tod 1950.

Jörg Leist, Jahrgang 1935, Altoberbürgermeister der Stadt Wangen im Allgäu und Enkel von Josef Andre, zog alsdann das Publikum mit Erinnerungen an seinen Großvater in Bann. Die Schilderung der Verhaftung Andres vom Mittagstisch weg und die folgende Ungewissheit über das Schicksal des Inhaftierten war beeindruckend. Oder wie sich die Tochter Monika – oft mit ihrem Sohn – auf den Weg machte, ihren Vater zu finden, beeindruckte. Zu solch einer Erkundungsfahrt per Rad hatte sich die Tochter hübsch gemacht. Der Posten am Eingang zum Arbeiterziehungslager Oberndorf hatte wohl geglaubt, sie sei von der Lagerkommandantur bestellt und ließ sie ohne weiteres passieren. Monika Leist konnte ihren Vater ausfindig machen.

Zeitzeuge und Enkel berichtet

Mit Leist berichtete ein Zeitzeuge, der im Augenblick des Geschehens ein kleiner Bub war, über das, was sich bei ihm in die Seele gebrannt hat.

Der prominenteste Referent des Abends war Ministerpräsident a. D. Erwin Teufel. Er verstand es meisterlich, die Bedeutung von Persönlichkeiten wie Josef Andre am Aufbau der Demokratie nach dem Zusammenbruch 1945 nachzuzeichnen und einen leidenschaftlichen Appell anzufügen – über Parteigrenzen hinweg – sich Persönlichkeiten wie die des Geehrten, zum Vorbild zu nehmen. Teufel bezeugte Josef Andre seine Hochachtung für dessen Lebensleistung. "Vor dieser Generation von Männern kann man nur den Hut ziehen.". Josef Andre oder auch Matthias Erzberger waren ganz junge Männer, dienten freiwillig im Heer, wurden von ihren Mitbürgern gewählt und haben Verantwortung übernommen, so Teufel. "Diese Männer und Frauen, die schon in der Weimarer Republik für Demokratie gekämpft hatten, waren oft, auch nach leidvollen Erfahrungen, Geburtshelfer unserer freiheitlichen Ordnung."

In der neuen Demokratie sollte es kein neues "Zentrum" geben, sondern eine Partei evangelischer und katholischer Christen – die CDU. Eindringlich schilderte Erwin Teufel die Umstände, unter denen Männer und Frauen vom Schlage eines Josef Andre die CDU gegründet haben: "Heldenhafte Figuren in der Weimarer Republik, im Zweiten Weltkrieg und nach 1945."

Heutzutage lebe die dritte Generation, die keinen Krieg mitmachen musste. "Damit dies auch an nächste Generationen tradiert wird, muss es Menschen geben, die aktive Bürger sind, so wie es der Mann war, den wir heute ehren," schloss Teufel.