2019 verbreiteten unter anderem die Hansel gute Stimmung.Archiv-Foto: Cools Foto: Schwarzwälder Bote

Sprung: Diesmal kein buntes Treiben

2000 bis 2500 gespannte Blicke, die sich um 8.30 Uhr gen Lindenstraße richten, und leuchtende Augen, sobald die ersten Klänge des Oberndorfer Narrenmarsches ertönen – darauf muss in diesem Jahr verzichtet werden. Umso größer ist die Vorfreude auf 2022.

Oberndorf. "In diesem Jahr einen Narrensprung zu veranstalten, wäre nicht zu verantworten gewesen", sagt Zunftarchivar Günter Danner. Stattdessen ist man bereits mit Hochdruck daran, den Narrentag 2023 in Oberndorf zu organisieren – eine große Herausforderung für die Narrenzunft, sind dann doch Tausende von Gästen zu erwarten.

Heute vor 100 Jahren endete das Fasnetsverbot des Innenministeriums, erzählt Günter Danner. Während und nach den Kriegszeiten Anfang des 20. Jahrhunderts durften die Narren nicht auf die Straße, um ihren historischen Sprung zu veranstalten. 1915 etwa ging die Fasnet laut Günther Wolf "so still vorüber, dass man gar nicht wusste, wann sie war".

Doch am 17. Februar 1922 erhielten Zünfte mit historischem Ursprung, zu denen Oberndorf auf jeden Fall gehört, eine Ausnahmegenehmigung zur "Abhaltung der Fasnet 1922". Auch zwischen 1940 und 1945 gab es wieder  eine Fasnets-Pause. 1946 schoben die Franzosen der Oberndorfer Fasnet noch einen Riegel vor, obgleich es immer wieder Fasnet-Verteidiger gab, die auf die Straßen drängten. 1947 wurde das Narrentreiben als Kindersaalfasnet spontan wieder erlaubt. Der anschließende noch unorganisierte Sprung ging vom "Schützensaal" bis zur Kirchtorstraße und wieder zurück. Am 11. November 1947 kam es dann schließlich zur Wiedergründung der Narrenzunft.

Seitdem konnte dem historischen Narrensprung nichts in die Quere kommen – bis auf den Irakkrieg. 1991 wurde die Fasnet offiziell abgesagt, einen "wilden Sprung" habe es aber trotzdem gegeben, erinnert sich Günter Danner. Nun ist es das Coronavirus, das dem bunten Treiben Einhalt gebietet.

Wie in Günther Wolfs Buch "Der Tag der ist so freudenreich" zu lesen ist, war es beim Narrenumzug am Dienstag im 19. Jahrhundert nur Narro und Hansel vorbehalten, dabei zu sein. 1896 durften die Schantle lediglich nachmittags mitwirken, dagegen allerdings schon in der Vorfasnet am Schmotzigen und am Fasnetsmontag unterwegs sein.

"Die Schantle waren damals sozusagen die Outlaws", erzählt Günter Danner lachend. Sie seien damals auch noch nicht so herausgeputzt gewesen wie heute. "Ihr Kleid bestand aus Metzgerleinen mit Flecken."

Im Hansel und Narro hätten stattdessen meist gut situierte Handwerksmeister gesteckt. Der Hansel sei ein Alleinstellungsmerkmal in der schwäbisch-alemannischen Fasnet und keinesfalls, wie heute manchmal der Eindruck entstehe, ein Frauenkleid.

Hype in den 50ern

Stark verändert hat sich bis heute die Anzahl der Narren. Waren 1908 noch rund 32 Narren auf den Beinen, so sind es heute rund 2000, die beim Sprung mitwirken. Der erste von der Narrenzunft organisierte Narrensprung nach dem Zweiten Weltkrieg ereignete sich ein Jahr später, 1948.

Man startete am "Anker" auf dem Schuhmarktplatz. Kostümierte Damen konnten sich nachmittags von der "Post" aus am Narrensprung beteiligen – ein erster "Einbruch in die Männerherrschaft der Narren", wie Wolf schreibt. Schantle, die sich trauten, bereits am Morgen mitzuspringen, durften dies, sofern ihr Narrenkleid in bester Ordnung war.

Ab 1927 begleitete die Stadtkapelle den Umzug offiziell und wurde dazu angehalten, einen eigenen Oberndorfer Narrenmarsch zu komponieren, der 1928 zum ersten Mal beim Bürgerball und beim Sprung erklang.

Einer Anregung zu dieser Zeit, den Sprung doch über die Hoch- und Neckarbrücke bis zum "Waldeck" zu führen, wurde nicht entsprochen. Das Argument: Die Strecke sei viel zu weit. Also blieb es dabei, dass der Umzug am Hotel Kasino endete, wo man sich danach zu Siedfleisch und Sekt ausruhte.

1950 erlebte die Fasnet einen regelrechten Hype, und neue Narrenvereine und Clubs schossen wie Pilze aus dem Boden. Diese übernahmen hemmungslos Masken und Kleider alter Zünfte und veränderten diese. So entstanden etwa Schantle mit Bockshörnern und Hansel mit Schlitzaugen. 1977 entschied die Narrenzunft Oberndorf, vorhandene Kleider zu registrieren und für neue eine Abnahmeprüfung einzurichten.

Heute gibt es  1064 von der Narrenzunft abgenommene Schantle-Kleider, 620 Narros und 861 Hansel. Die "Dunkelziffer" sei aber um ein Vielfaches höher, weiß Zunftarchivar Danner. Auch Narrenkleider aus dem 19. Jahrhundert sind noch auf den Straßen zu sehen. Sie werden von der Zunft abgenommen, dürfen jedoch nicht kopiert werden.

Eine Besonderheit gab es noch vor 20 Jahren, als ein Stadtteil-Narrensprung ohne Beteiligung der NZ Oberndorf stattfand. Die Zünfte der Stadtteile zogen durch die Oberstadt bis zur Neckarhalle.

Heutzutage startet der historische Narrensprung um 8.30 am "Schützen" und führt über die Hauptstraße, die Kirchtorstraße, die  Wettestraße, den Wöhrdplatz, die Lindenstraße und erneut die Kirchtorstraße zum Rondell und zum  Talplatz.

Der Nachmittagssprung in der Oberstadt startet um 14.30 Uhr, endet jedoch nach zwei Runden am Narrenbrunnen. Die größte Gruppe bilden zwischenzeitlich die Schantle.

Danach herrscht in den Wirtschaften und Straßen noch Narrentreiben, ehe es um 18 Uhr heißt: "Die Fasnet hot a Loch". n An den Fasnets-Hochtagen werfen wir einen Blick zurück auf die Anfänge der Oberndorfer Fasnet.