Klaus Laufer erforscht die NS-Vergangenheit Oberndorfs. Foto: Reimer

Der ehemalige Bürgermeister Klaus Laufer erforscht die NS-Vergangenheit Oberndorfs. Er will den Opfern des Regimes ein Gesicht geben und ihre Geschichte erzählen. Doch bei seiner Arbeit muss er einige Hindernisse überwinden.

September 1972 betritt die junge Kanadierin Ginny Sims das Oberndorfer Standesamt. Die Studentin reist durch Europa. Ihre erste Station hat sie bewusst gewählt. Sie will das Grab ihrer Mutter besuchen, die 1944 in Oberndorf gestorben war. Sims trägt eine zerfledderte Brieftasche bei sich. Sie holt alte Fotos einer Frau heraus. Mehr ist ihr von ihrer Mutter nicht geblieben.

Das Schicksal von Ginny Sims’ Mutter sollte den Standesbeamten die nächsten 30 Jahre nicht mehr loslassen. Es handelte sich um Klaus Laufer, der 1983 Bürgermeister werden sollte. Ginny Sims’ Mutter war ein Opfer des NS-Regimes.

Sämtliche Akten vernichtet

Laufer fing 1955 eine Ausbildung bei der Stadt an. Er erinnert sich an eine seiner ersten Aufgaben: „Ich sollte die Einwohnerkartei neu schreiben.“ Sämtliche Akten von 1935 bis 1945 wurden vernichtet. Das Regime wollte alle Beweise für seine Verbrechen beseitigen.

Laufer hat es sich inzwischen zur Lebensaufgabe gemacht, diese Verbrechen und die damit verbundenen Schicksale aufzudecken. Seit seinem Ruhestand im Jahr 1999 widmet er sich vollends dieser Aufgabe.

Die Akten stapeln sich in seinem Büro, tausende Fotos hat er gesichert. Doch je mehr er findet, desto mehr Fragen kommen auch auf. Ein kürzlich entdecktes Foto zeigt, wie einer Frau öffentlich die Haare geschoren werden. Sie trägt ein Schild um ihren Hals. Darauf steht: „Ich habe mich, meine Familie und meine deutsche Ehre vergessen!“

Schicksale aufdecken

Laufer will mehr über die Frau herausfinden. Doch die Quellenlage ist dünn und Zeitzeugen sind schwer zu finden. Doch der 81-Jährige lässt nicht locker, er forscht weiter. Sein bisheriger Erfolg gibt ihm recht. Zwölf öffentliche Hinrichtungen fanden zwischen 1942 und 1945 in Oberndorf statt. Er hat die Namen der Opfer herausgefunden. Dank seiner Arbeit sind diese im Buch der Erinnerung, neben weiteren hunderten NS-Opfern, verewigt.

Doch bei den Namen allein soll es nicht bleiben. Er will ihre Geschichte erzählen und ihnen ein Gesicht verleihen. Bei Stanislaw Jozwik, einem polnischen Zwangsarbeiter, ist ihm das gelungen. Der 21-Jährige wurde im Juni 1942 gehängt, weil er eine Liebesbeziehung mit einer deutschen Frau hatte. Die Schicksale der anderen Hingerichteten sind im Dunkeln verborgen.

Laufer stößt auf Widerstand

Laufer stößt bei seiner Arbeit auch auf Widerstand. „Lassen Sie die Finger davon, Sie stechen in ein Wespennest“, erinnert er sich an eine Zeitzeugen-Aussage. Auch bei verschiedenen Archiven wird er abgewiesen, weil er kein studierter Historiker ist.

Die Geschichte von Ginny Sims veröffentlichte Laufer in seiner ersten Publikation. Sie kam im November 1944 als Tochter einer russischen Zwangsarbeiterin in Oberndorf zur Welt. Ihre Mutter starb nur weniger Tage nach der Geburt. Sims kam als Kleinkind nach Kanada, wo sie adoptiert wurde. Die Geschichte spornte Laufer an, weitere Schicksale zu erforschen.

Laufer will weiterhin Licht ins dunkelste Kapitel der Geschichte bringen. Eine weitere Veröffentlichung wird es aber nicht geben. Sein größter Wunsch: Ein engagierter Bürger, der seine Arbeit künftig übernimmt. „Ich werde meine Unterlagen zu treuen Händen überlassen, wenn sich jemand bereit erklärt, weiterzuforschen“, so Laufer, „damit von den Opfern mehr, als nur der Name bekannt bleibt.“