Ablenkung durch Telefonieren: das Unfallrisiko ist deswegen drastisch gestiegen. Foto: dpa

Von 60 Euro geht’s hinauf auf 100 Euro: Wer beim Autofahren mit dem Handy am Steuer erwischt wird, muss tiefer in die Tasche greifen. Auch die Nutzung von Navi und Display im Auto wird neu geregelt.

Stuttgart - Das Telefonieren im Auto gilt für viele noch als Kavaliersdelikt. Der Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt aber spricht von „Blindflug“ und wird die Bußgelder heraufsetzen.

Was wird das Benutzen vom Handy am Steuer künftig kosten?
Wer mit dem Handy am Steuer erwischt wird, der soll statt eines Bußgelds von 60 Euro künftig 100 Euro bezahlen und einen Punkt in Flensburg erhalten. Auch Radfahrer, die beim Fahren telefonieren, sollen künftig mit einem Bußgeld von 55 Euro statt bisher 25 Euro zur Kasse gebeten werden. So sieht es eine Änderung der Straßenverkehrsordnung vor, die von der Bundesregierung abgesegnet worden ist und am Freitag im Bundesrat aller Voraussicht nach ohne Aussprache beschlossen wird. Bei schweren Verstößen wird es noch teurer: Bei einer „Gefährdung“ gibt es 150 Euro Bußgeld, bei einer „Sachbeschädigung“ 200 Euro – jeweils plus einen Monat Fahrverbot und zwei Punkte in der Verkehrssünderdatei. Das soll der Abschreckung dienen, denn – so Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) – „wer am Steuer das Handy in die Hand nimmt oder ein Tablet, um Mails zu lesen, der ist im Blindflug unterwegs“.
Was ist mit der Nutzung von anderen Geräten wie Navi, Laptop oder Berührungsbildschirmen im Auto?
Das ist die eigentliche Neuerung: Der Gesetzgeber weitet den Begriff Handy sehr stark aus. Wer ein Fahrzeug führt, der darf ein elektronisches Gerät für die Kommunikation, Information oder Organisation „nur benutzen, wenn das Gerät nicht gehalten“ wird. Also, das In-die-Hand-Nehmen ist tabu. Möglich aber ist eine „kurze“ Blickzuwendung, die aber angepasst sein muss an die aktuelle Verkehrs- und Wetterlage sowie an die herrschenden Sichtverhältnisse. Jetzt zu den Geräten: Zu ihnen gehören Mobiltelefone, Berührungsbildschirme, Laptops, Tablets, Navigationsgeräte und Fernseher. Erlaubt bleibt es, Anrufe per Taste oder Wischen übers Display anzunehmen, solange man das Telefon nicht hochnimmt.
Was ist im Stau?
Selbst wenn im Stau sich nichts mehr bewegt, eine Regel bleibt: Zum Handy greifen darf man nur, wenn das Auto steht und der Motor wirklich aus ist. Das gilt nicht für die Motoren, die sich an einer Ampel im Abschaltmodus kurz aus- und bei Grün wieder anschalten. Erlaubt ist immerhin für Autofahrer, etwas länger auf einen Kameramonitor zu schauen, der einem beim Einparken hilft. Eigens vermerkt ist im Gesetz, dass die Fahrer von Linienbussen bei laufendem Motor an den Haltestellen auf ihren Bordcomputer blicken dürfen – der dient nämlich dem Fahrkartenverkauf. Generell verboten ist das Tragen von Videobrillen.
Warum greift der Gesetzgeber jetzt zu strengeren Maßnahmen?
Laut einer Studie der Allianz-Versicherung von 2016 ist jeder zehnte Verkehrstote auf Ablenkung zurückzuführen. Und die Autofahrer wissen offenbar selbst um das Risiko des Handynutzens am Steuer. Einer Umfrage des Bundesverkehrsministeriums und des Deutschen Verkehrssicherheitsrats zufolge schätzen 29 Prozent der Befragten das Bedienen von Mobiltelefonen am Steuer als die größte Gefahrenquelle im Straßenverkehr ein, noch vor dem Konsum von Alkohol (25 Prozent), zu hohem Tempo (16 Prozent) oder Übermüdung am Steuer (zehn Prozent). „Der telefonierende Kraftfahrzeugführer mit dem Handy am Ohr und der SMS eintippende Fahrer mit dem Mobiltelefon in der Hand gehören bedauerlicherweise zum alltäglichen Verkehrsgeschehen“, heißt es im Bundesverkehrsministerium. Die Statistik gibt dieser Einschätzung offenbar recht. Obwohl die meisten von den Gefahren wissen, gaben 61 Prozent der in einer Umfrage von Kantar TNS befragten 2500 Personen an, dass sie „sehr wahrscheinlich oder wahrscheinlich“ das Handy am Steuer in einer bestimmten Situation benutzen. Die meisten tun es im Stau (52 Prozent) oder an der roten Ampel (30 Prozent).
Wann tritt die Novelle in Kraft?
Das ist wegen der Wahlen schwer einzuschätzen. Nach dem Beschluss im Bundesrat geht sie ans Verkehrsministerium zurück, dann zur Unterzeichnung an den Bundespräsidenten. Wenn sie dann im Bundesgesetzblatt verkündet ist, tritt sie in Kraft.
Was sagt die Polizei?
„Eine stärkere Prävention auch mit höheren Bußgeldern ist richtig für mehr Verkehrssicherheit“, sagt Oliver Malchow, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Wichtig seien auch mehr Kontrollen. Nicht alle Smartphone-Nutzer werden auf frischer Tat ertappt, manchmal sind nach Unfällen Untersuchungen der Handys notwendig. Der Deutsche Verkehrsgerichtstag hat schon ein verwandtes Problem im Blick: die Ablenkung von Fußgängern durch Handys.