So sahen vor einem Jahr die Grabungsschnitte auf Hirnau aus. Im Hintergrund erkennt man Ebingen. Foto: Landesamt für Denkmalpflege

Vor fast genau einem Jahr präsentierten Vertreter des Landesamtes für Denkmalpflege der Öffentlichkeit Funde, die bei einer Sondierungsgrabung im Lautlinger Gebiet Hirnau gemacht worden waren – und eine Notgrabung nach sich ziehen werden.

Wer genauer wissen will, was bei den Grabungen unterhalb der Europäischen Wasserscheide zu Tage getreten war, kann es jetzt dem Jahrbuch „Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2022“ entnehmen. Im östlichen Bereich der Grabungsfläche, nicht weit entfernt vom Parkplatz an der Bundesstraße 463, waren die Ausgräber auf zahlreiche in den Kalkschotter eingetiefte Pfostenlöcher gestoßen, die anzeigten, das hier einst Holzhäuser gestanden waren. Wie groß sie waren und wie viele „Schiffe“ sie hatten, darüber konnten die Fachleute nur spekulieren; aus der Fundsituation war es nicht zu ersehen. Im Westen des Schnitts kamen die Spuren eines Vierpfostenbaus zum Vorschein, der sich als Vorratsgebäude interpretieren ließ.

Ein 3000 Jahre altes frühkeltisches Bauerndorf

Die Bevölkerung in de Tälern von Schmiecha und oberer Eyach dürfte jahrtausendelang in solchen Holzhäusern gelebt haben – aus welcher Zeit stammen die auf Hirnau entdeckten? Darüber geben Scherben Aufschluss, die im Westen der Sondageflächen in einer Kulturschicht gefunden wurden, welche das Niederschlagswasser im Lauf der Jahrhunderte talwärts geschwemmt hatte. Sie stammen aus der späten Urnenfelder- oder frühen Hallstattzeit; der Epochenunterschied ist bei der Keramik nicht sonderlich groß. Man hat es also offenbar mit einem 2700 bis 3000 Jahre alten frühkeltischen Bauerndorf zu tun.

Das war aber noch nicht alles: Weiter westlich stießen die Archäologen auf ein Grab, allerdings kein keltisches, sondern ein anderthalb Jahrtausende jüngeres aus dem frühen Mittelalter. Für weitreichende anthropologische Erkenntnisse war der Zustand der Knochen zu schlecht, aber die beiden bronzenen Bügelfibeln thüringischer Machart, drei silberne Riemenzungen des Gürtelgehänges und die hochwertige Gagatperle, die im ansonsten gründlich beraubten Grab gefunden wurden, erlauben die Rückschlüsse, dass es sich erstens um eine Frau und zweitens um keine ganz unbegüterte handelte. Dass sie eine Thüringerin war, ist nicht gesagt – Marc Heise, Leiter des Referats für operative Archäologie im Landesamt für Denkmalpflege, weist nachdrücklich darauf hin, dass es auch im sechsten Jahrhundert einen regen Fernhandel in Mitteleuropa gab.

Foto: Landesamt für Denkmalpflege

Eine Ergebnis hat die durch frühere „Lesefunde“ motivierte Sondierungsgrabung mit Sicherheit erbracht: In Hirnau, dem einstigen Gewann Stetten, liegt noch einiges mehr unter der Erde – zuviel, als dass man es bei dem letztjährigen Testlauf bewenden lassen könnte. Die Bebauungsplanung für das vorgesehene Gewerbegebiet läuft – nur deshalb war ja sondiert worden – und soll Ende 2024 abgeschlossen sein. Die Notgrabung könnte theoretisch auch noch nach dem Satzungsbeschluss des Gemeinderats über die Bühne gehen, aber Baubürgermeister Udo Hollauer hat erkennen lassen, dass ihm eine Grabung im kommenden Jahr lieber wäre.

Wobei das Wort „lieb“ hier nicht recht passt: Am liebsten wäre Hollauer, wenn gar nicht gegraben werden müsste. Denn auch diese Notgrabung wird mit Sicherheit sechsstellig zu Buche schlagen, und zahlen muss die Stadt; schließlich ist sie es, die erschließen und bauen will.

Gräber sind aufwendigerals Pfostenlöcher

Im südöstlich gelegenen Areal mit der spätbronze- oder früheisenzeitlichen Siedlung hat sich Heise drei Zonen ausgeschaut, wo er eine stärkere Besiedlung vermutet und sich weitere Erkenntnisse verspricht. Im Nordwesten, wo die alamannische Dame lag, muss mit weiteren Gräbern gerechnet werden – die Schwaben des Frühmittelalters bestatteten ihre Toten in Reihen. Wie teuer die Sache wird, hängt davon ab, was gefunden wird – sollte man auf weitere Gräber mit Beigaben stoßen, wäre Kleinarbeit mit Hand und Pinsel erforderlich. Und die geht ins Geld.