Nach ihrer Nominierung zur SPD-Bundestagswahl gibt sich Saskia Esken betont kämpferisch. Foto: dpa

Die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken wird erneut als Direktkandidatin für ihren Heimatwahlkreis Calw/Freudenstadt zur Bundestagswahl im September antreten. Die Delegierten der beiden Kreisverbände sprachen sich im Rahmen einer Video-Konferenz mit 84,4 Prozent für sie als Kandidatin aus. SPD-Vorsitzende erhält 84,4 Prozent der Delegierten-Stimmen / Kanzlerkandidat Scholz bei Wahlkampfauftakt dabei

Kreis Calw/Kreis Freudenstadt - "Wir wollen diese Bundestagswahl rocken", gab sich Esken direkt im Anschluss an ihre Nominierung kämpferisch. Aufgrund der Corona-Pandemie war die ursprünglich für letzten Herbst geplante Delegierten-Konferenz mehrmals verschoben worden, so dass die jetzt virtuell abgehaltene Wahl von Saskia Esken als Bundestagskandidatin auch als offizieller Wahlkampf-Auftakt genutzt wurde. Dafür war mit Olaf Scholz zeitweise auch der SPD-Kanzlerkandidat gemeinsam mit Saskia Esken aus dem Willy-Brandt-Haus in Berlin im Live-Stream in den Nordschwarzwald zugeschaltet.

Scholz wirbt für breite Zustimmung

Ursprünglich hatte Scholz persönlich in den Nordschwarzwald kommen wollen, um Esken bei ihrer Nominierung im Heimatwahlkreis zu unterstützen, wie er sagte. Der Bundesfinanzminister und Vizekanzler der Großen Koalition warb in seinem Grußwort für eine möglichst breite Zustimmung der Delegierten für Esken, um "sie stark zu machen" für die gemeinsame Arbeit in Berlin und den Kampf um das Kanzleramt. Wobei nicht nur Scholz, sondern alle Genossen in ihren Redebeiträgen die "neue große Geschlossenheit" der SPD seit der Wahl des Duos Saskia Esken / Norbert Walter-Borjans würdigten – zu der eben auch die sehr frühzeitige Kanzlerkandidatur von Finanzminister Scholz gehöre. Diese wirke umso stärker, als sich dem gegenüber die Union mit ihrer Nominierung eines Kanzlerkandidaten sehr entschieden "für die Opposition" empfohlen habe, wie Scholz es mit reichlich Häme gegen den politischen Gegner formulierte.

Wesentlich besser da die Bewertung von Saskia Esken in Richtung der Grünen, die sich aus Sicht der SPD als eigentlicher Wettbewerber ums Kanzleramt bestens aufgestellt hätten. Wobei "Grün-Schwarz" im Bund aus Sicht der Sozialdemokraten naturgemäß keine Option sei. Die SPD-Bundesvorsitzende nannte hier den schleppenden Ausbau der erneuerbaren Energien in Baden-Württemberg ein "mahnendes Beispiel". Auch Esken bezeichnete die innerparteilichen Konflikte der SPD aus der Vergangenheit als "überwunden", und sprach hier von einem "Rollentausch" mit der Union, die jetzt die Partei mit den offen ausgebrochenen Konflikten sei.

"Ihr seid meine Homebase"

Auch deshalb gehe sie als SPD-Bundesvorsitzende davon aus, dass sich trotz der aktuell schlechten Wählerumfragen für die Sozialdemokraten eine echte "Chance auf das Kanzleramt" für die Partei eröffnen werde – mit einem klaren programmatischen, wieder wirklich "sozialdemokratischem Profil", das für mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft eintreten wolle. Esken brachte hier "einen verbindlichen Tariflohn für die Pflege" als Beispiel sowie "einen Mindestlohn von 12 Euro". Wörtlich: "Es ist Zeit, dass die Union eine Auszeit erhält" als Regierungspartei. Denn zum Beispiel auch "der Klimaschutz gelingt nur mit einer neuen Verteilungsgerechtigkeit", für die allein die SPD stehe.

Und direkt an die SPD-Delegierten aus den Kreis Calw und Freudenstadt gewandt: "Ihr seid meine Homebase, ihr seid meine Kraft für meine Arbeit in Berlin." Es sei schon jetzt so, dass die Gespräche, die sie hier in ihrem Heimatwahlkreis mit den Menschen führe, direkten Einfluss zum Beispiel zuletzt auf "das Schnüren der Hilfspakete zur Überwindung der Folgen der Pandemie" hätten. "Für die harte Arbeit, die da noch kommt, zähle ich auf euch!"

In einer anschließenden Aussprache konnte die Parteibasis im Video-Chat auch direkt Fragen an Esken oder Finanzminister Scholz richten. Wobei zum Beispiel Calws Oberbürgermeister Florian Kling die Chance nutzte, sich persönlich für Scholz’ "Bazooka", also die frühen Finanzhilfen unter anderem für die Kommunen, zu bedanken – nicht ohne aber auch nach weiteren "Möglichkeiten, die kommunalen Finanzen" zu verbessern, zu fragen. Scholz bezeichnete die rund 500 Milliarden Euro Neuverschuldung des Bundes bis 2022 "eine große fiskalische Antwort" auf die Pandemie, mit der das Land "aus dieser Krise herauswachsen" müsse.

Sein Versprechen an OB Kling: "Die Kommunen müssen dabei ganz wesentlich im Blick sein", etwa durch jene 3,5 Milliarden Euro jährlich mehr, die der Bund künftig bei der Übernahme von Wohnkosten leisten werde. Scholz brachte auch die Möglichkeit der kompletten Übernahme der Schulden von besonders stark belasteten Kommunen ins Spiel, um so "eine neue Stunde Null" für solche Kommunen zu ermöglichen. Das sei wichtig, da "zwei Drittel der öffentlichen Investitionen", die ein Großteil der Wirtschaftskraft des Landes initiierten, von der Städten und Gemeinden ausgingen.

Mit der anschließenden Online-Wahl bestimmten die SPD-Delegierten des Wahlkreises 280 Calw/Freudenstadt Saskia Esken bei 45 abgegebenen Stimmen (bei insgesamt 63 Delegierten) mit 38 Ja- und fünf Nein-Stimmen – Rest Enthaltungen – seit 2009 bereits zum vierten Mal als ihre Kandidatin für die Bundestagswahl, was einer Zustimmungsquote von 84,4 Prozent der abgegebenen Stimmen entspricht. Esken, die seit 2013 für die SPD den Wahlkreis im deutschen Bundestag vertritt, war als einzige Kandidatin zur Nominierung für die Bundestagswahl angetreten.

Bisher konnte Esken ihren Wahlkreis aber noch nie direkt erringen, sondern unterlag 2009, 2013 und 2017 jeweils dem CDU-Langzeitkandidaten Hans-Joachim Fuchtel, der seit 1987 den Wahlkreis Calw/Freudenstadt mit einem Direktmandat im Bundestag vertritt. Fuchtel, derzeit auch noch parlamentarischer Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, tritt in diesem Jahr allerdings nicht mehr zur Bundestagswahl an – ihn will der Bürgermeister von Bad Wildbad, Klaus Mack, als CDU-Kandidat beerben. Esken war 2017 über den Landeslistenplatz 15 der SPD noch knapp in den Bundestag eingezogen, welchen Listenplatz sie bei der Wahl im September einnehmen wird, ist noch nicht entschieden.

Das Ergebnis der digitalen Nominierungs-Wahl von Saskia Esken als Kandidatin der SPD zur Bundestagswahl muss nun noch abschließend durch eine Briefwahl bestätigt werden.