Dass das Thema drängt und wichtig ist, zeige aber auch das in der Mainacht aufgehängte Banner in der Niedereschacher Ortsmitte, das als "Hilferuf" von frustrierten Jugendlichen angesehen wird. Foto: Bantle

Mehrheitlich beschlossen hat der Gemeinderat, Ursula Miola und Joachim Bucher damit zu beauftragen, gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen ab circa zwölf Jahren ein Format zur Jugendbeteiligung zu entwickeln.

Niedereschach - Für die Finanzierung ist ein Fördermittelantrag bei der bei der Servicestelle Kinder- und Jugendbeteiligung für das Programm "Da geht noch mehr!" in Planung. Zudem befürwortete das Gremium eine Co-Finanzierung der Gemeinde Niedereschach in Höhe von 1000 Euro. Das Thema Kinder – und Jugendbeteiligung steht bei der Gemeinde seit längerem auf der Agenda. Angesprochen wurde im Rat auch die 1.-Mai-Aktion von Jugendlichen, die in der Mainacht ein großes Plakat mit der Aufschrift "Ragg, mach’s Hüttle auf" über dem Platz vor dem Nahkauf unübersehbar zwischen zwei Laternenmasten aufgehängt hatten (wir berichteten).

Ausdruck für Protest mit 1.-Mai-Aktion

Nicht der Jugendclub, wie zuerst vermutet, sondern ziemlich frustrierte Jugendliche aus dem Ort wollten damit wohl ihren Protest zum Ausdruck bringen, dass wegen der Corona-Pandemie auch in Niedereschach aus ihrer Sicht alles dicht gemacht wurde und im ganzen Ort die Jugendarbeit zum Erliegen gekommen ist. Dem entsprechend fühlen sich die Jugendlichen vollkommen abgehängt und erwarten von der Gemeinde möglichst bald erste Öffnungsschritte. Bürgermeister Martin Ragg griff das Thema auf und der Gemeinderat folgte bei nur einer Gegenstimme seinem Beschlussvorschlag.

Im Vorfeld dieser Sitzung habe sich bereits eine Arbeitsgruppe mit dem Thema befasst, so Ragg. Ziel sei es, Kinder- und Jugendliche direkt anzusprechen, um sie für ihren Ort und auch für die kommunalen Belange, zu sensibilisieren. Es sei wichtig, den Kontakt zu jungen Menschen in der Gemeinde zu verstärken, und dafür gäbe es sogar ein Förderprogramm des Landes Baden-Württemberg. Dazu sei in den vergangenen Monaten eine Steuerungsgruppe ins Leben gerufen worden mit Gemeinderat Louis Weißer, Ursula Miola und Joachim Bucher als Vorsitzendem der Sozialgenossenschaft "Bürger für Bürger", die gemeinsam erste Grundlagen für das weitere Vorgehen geschaffen haben.

Beauftragte erläutern Möglichkeiten

Miola und Bucher erläuterten in der Sitzung im Detail Möglichkeiten, welche sie sehen, Kinder und Jugendliche in einen Demokratieprozess einzubinden. Beste Voraussetzungen seien dazu eigentlich vorhanden mit der KJG, je einem Jugendclub in jedem Ortsteil und den Vereinen, in denen bereits breite und erfolgreiche Jugendarbeit geleistet werde nach dem Motto: "Auf in die Zukunft". Dass die Jugendlichen begeistert in die Zukunft springen, davon sei momentan allerdings nicht viel zu erkennen. Eher seien sie momentan im Corona-Lockdown erstarrt, wie der Hilferuf vom 1. Mai deutlich gezeigt habe, und diesen Hilferuf sollte man ernst nehmen. Ein Kompliment sprachen die beiden Referenten dabei den Jugendlichen zu der Aktion aus: "Sehr sozialverträglich formuliert, einmal abgesehen vom Hinweis ›Sauf in den Mai‹ und nichts dabei kaputtgemacht."

Ein Aufruf an alle Erwachsenen, "schaut her, wir wollen mit euch ins Gespräch kommen und dabei was in Bewegung setzen". Da Kinder und Jugendliche "unser aller Zukunft" sind, haben Miola und Bucher Werte und Haltungen aufgeführt, die für eine Zusammenarbeit unbedingt notwendig seien. Zudem verwiesen sie darauf, dass in der Gemeindeordnung die Einrichtung einer Jugendvertretung vorgeschrieben sei.

Für eine Gemeinde in der Größenordnung von Niedereschach würde dies eine Gruppe mit etwa 20 Jugendlichen bedeuten. Dass das Interesse der Jugendlichen an politischer Beteiligung groß ist, zeige sich klar und deutlich bei Bewegungen wie "Fridays for Future". Da melde sich eine Generation zu Wort, die sich Gedanken um ihre Gegenwart und Zukunft mache.

Projekt ins Leben gerufen

Ursula Miola, 66 Jahre, ist seit acht Jahren mit ihrer Familie in Niedereschach wohnhaft. Aus ihrem ehemaligen Beruf als Lehrerin bringt sie viel Erfahrungen mit, was den Umgang mit Jugendlichen angeht. Dabei hat sie in ihrer aktiven Zeit einige Projekte mit Jugendlichen auf die Beine gestellt, in denen es darum ging, sie für demokratische Prozesse zu interessieren. Mit Joachim Bucher zusammen hat sie bereits das Projekt "Älter werden in Niedereschach" ins Leben gerufen und begleitet.

Joachim Bucher, 53 Jahre, lernte von 1994 bis 1997 den Beruf des Altenpflegers an der Fachschule für Altenpflege des Caritasverbandes in Donaueschingen. Danach arbeitete er im Pflegeheim St. Lioba in Villingen. An der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Freiburg, Außenstelle Villingen (VWA), machte er sein betriebswirtschaftliches Studium. Nach seiner Tätigkeit als Vorstand an der Spitze des Diakonischen Werkes in Fürstenfeldbruck übernahm er 2017 die Leitung des Pflegeheims Haus Wartenberg, Geisingen, und seit März 2019 ist er als Vorsitzender der Sozialgenossenschaft "Bürger für Bürger eG Niedereschach" tätig.