Malerischer Blickfang: Trockenmauern in Steillage sind Kulturgut und Biotop. Foto: Leif Piechowski

Trockenmauern sind in terrassierten Weinbergen wegen ihrer Wasserdurchlässigkeit stabiler als mit Mörtel verfugtes Mauerwerk. Damit sie einige Hundert Jahre überdauern, müssen sie aber ständig gepflegt werden. In Esslingen kämpft ein neuer Verein jetzt um Unterstützung für den Erhalt.

Esslingen - „Früher waren das mal die teuersten Lagen, heute kriegt man sie fast umsonst“, sagt Otto Rapp. Der Vorsitzende des neu in Esslingen gegründeten Staffelsteiger-Vereins spricht von den steilen Terrassenweinbergen mit Steigungen von 100 Prozent (entspricht rund 45 Grad). Und dennoch liegen viele brach: in Esslingen rund drei bis fünf Prozent, in anderen Teilen des Neckartals noch mehr.

Grund ist die enorme Plackerei im steilen Gelände: 1500 Stunden investieren die Wengerter pro Jahr und Hektar und damit drei- bis viermal so viel Zeit wie in Flachlagen. Häufig übersehen werde dabei, so der Vize-vorsitzende Claus Hägele, wie viel Zeit der Erhalt der Trockenmauern benötige. Denn der Aufbau der teils mehr als drei Meter hohen Mauern ist eine Wissenschaft für sich. Vor allem die Hintermauer, die das von vorn sichtbare Mauerwerk stützt, muss so gebaut werden, dass sich die Steine verkeilen – und so Jahrhunderte lang halten. Ein Teil der Wengerter weiß noch, wie das geht. Doch das Handwerk ist am Aussterben. So kostet ein Quadratmeter Mauersanierung 500 Euro. Und allein für Esslingen schätzt Otto Rapp, dass es mehr als 100 Kilometer Mäuerchen gibt. „Wenn sie fallen, drücken sie die darunter zusammen – das ist wie ein Domino-Effekt.“

Dem hohen körperlichen und finanziellen Einsatz der Winzer stehen sinkende Zuschüsse gegenüber. Die untere Naturschutzbehörde beim Landratsamt hat offenbar die Zuschüsse eingestellt, weil auch die EU über das Meka-Förderprogramm die Weinbauern bezuschusst. Die Landtagsabgeordnete Andrea Lindlohr (Grüne) gibt den Winzern jetzt aber Entwarnung: „Es ist jetzt doch wieder möglich, dass eine öffentliche Instanz noch was zum Meka-Betrag dazugibt.“ Die EU zahlt für die Bewirtschaftung von Steillagen 350 Euro pro Hektar. Das ist aus Sicht der Weinbauern buchstäblich ein Tropfen auf den heißen Stein: 5000 Euro muss nach Vorstellungen des Württembergischen Weinbauverbands der Öffentlichkeit die Pflege der Terrassen wert sein.

Stichwort Kultur und Natur

Der Staffelsteiger-Verein sammelt auch Spenden von Betrieben, die zum Aufbau der bröckelnden Mauern eingesetzt werden sollen. „Das ist ein Beitrag für die Allgemeinheit“, sagt Otto Rapp. Denn mit dem Erhalt der Steillagen geht es um mehr als den Weinbau: Kultur und Natur sind die beiden Stichworte. In Esslingen stammen die Terrassen noch aus der Stauferzeit und sind um die 1000 Jahre alt. Die ersten Schriften zum Weinbau stammen von 1229, „aber da gab’s den Weinbau schon lange“, sagt Stadtarchivar Joachim Halbekann. Seither ist der Weinbau von 500 auf 80 Hektar zusammengeschrumpft. Den Weinbau sieht Halbekann als das Spezifikum schlechthin für die Esslinger Stadtgeschichte.

Ökologisch bilden die Trockenmauern Biotope für teils auch gefährdete Tiere und Pflanzen. Sie wirken dem Bodenabtrag durch Wind und Wasser entgegen. All diese Aspekte sollen auf Infotafeln zu lesen sein, die der Verein an einem Weinerlebnisweg platzieren will. Er soll in etwa einem Jahr als kürzerer und als längerer Parcours eröffnet werden.

In Stuttgart kämpfen die Wengerter in den Steillagen mit den gleichen Problemen wie neckaraufwärts in Esslingen. In Mühlhausen etwa hat die Genossenschaftskellerei aus der Not eine Tugend gemacht. Dort wird mit dem 401-Stäffele-Teamlauf über 100 Höhenmeter für die Steillagen geworben. Und der Lemberger 401 steht als Botschafter für die einzigartige Kulturlandschaft. In Rohracker tut sich noch mehr: Dort haben zunächst SPD und Grüne Fördermaßnahmen für den Steillagenweinbau forciert. Jetzt liegt von CDU-Stadträten der Antrag auf einen Runden Tisch zu dem Thema vor, der effektive Maßnahmen und Anreize erarbeiten soll, wie die prägende Weinbaulandschaft erhalten werden kann.