Der neue Silberpfeil hat sich im Vergleich zum alten äußerlich kaum verändert – lediglich in Details. Foto: Mercedes

32 Siege in 38 Rennen hat Mercedes in den vergangenen zwei Jahren gefeiert , dabei 86 Prozent der möglichen Punkte gewonnen – und dennoch findet sich für den Boliden für die Saison 2016 noch immer etwas, das es zu verbessern gibt.

Stuttgart - Das Bessere ist der Feind des Guten. Das lässt sich lässig formulieren, wenn man ein Produkt weiterentwickeln soll, das zwar gehobenen Ansprüchen genügen mag, das aber doch Luft nach oben besitzt. Ist man dagegen als Ingenieur im Formel-1-Rennstal von Mercedes angestellt, ist es eine ziemlich verzwickte Angelegenheit, diese Philosophie Jahr für Jahr in die Tat umzusetzen. Dass die Silberpfeile seit 2014 auf den Formel-1-Rennstrecken rund um den Globus in 38 Großen Preisen 32-mal erfolgreich waren, dass dabei sogar 23 Doppelsiege in der Statistik stehen, macht deutlich, dass die Anforderungen an die Techniker in Brackley und Brixworth überaus anspruchsvoll sind. Der neue Dienstwagen von Champion Lewis Hamilton (England) und Vize-Weltmeister Nico Rosberg (Wiesbaden), der Mercedes F1 W07 Hybrid, soll demnach der Feind des F1 W06 Hybrid sein.

An diesem Montagmorgen wird der neue Silberpfeil in Barcelona vorgestellt, gleich danach werden die viertägigen Testfahrten auf den Circuit de Catalunya beginnen und den Bossen aus der Hochgeschwindigkeitsbranche einen ersten Fingerzeig liefern, ob die Entwicklungsschritte der Ingenieure in die – wie man in der Formel 1 so häufig formuliert – richtige Richtung gegangen sind. „Beim ersten Test geht es darum“, erklärt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff, „Daten zu sammeln, die Windkanalwerte zu verifizieren, dass Kühlung und Hydraulik rund laufen und dass wir Kilometer abspulen. Erst beim zweiten Barcelona-Test in der nächsten Woche machen wir dann einen Schritt in Richtung Rundenzeit.“

Das überlegene Auto zu verbessern, das geht freilich nur in Minischrittchen. Aber offenbar ist es möglich. „Unser Augenmerk lag darauf“, sagt Technikchef Paddy Lowe, „jene Bereiche zu identifizieren, in denen wir am schwächsten waren – dort wollten wir uns steigern. 2015 gab es Rennen, die nicht nach Plan verlaufen sind, ganz besonders Singapur.“ Dort gab Technikaussetzer und Probleme mit den Reifen – kein Silberpfeil-Pilot stand auf dem Podium. Eine Rarität.

"Unter der Haube gibt es viele Minirevolutionen"

Da sich das Reglement für die Saison 2016 im Grunde nicht geändert hat, konnten die Aerodynamik-Ingenieure nicht mit bahnbrechenden Innovationen glänzen – der Silberpfeil W07 Hybrid hat sich äußerlich im Vergleich zum Vorgänger kaum verändert. „So etwas bringt ein stabiles Reglement mit sich“, erläutert Lowe, „aber unter der Haube gibt es viele Minirevolutionen, die zu einer Gesamt-Evolution für die neue Saison führen.“ Feinschliff statt grobes Raspeln.

Damit waren vor allem die Motorentechniker und die klugen Köpfe in der Hybrid-Abteilung des Rennstalles gefordert. „Um beim neuen Antriebsstrang mehr Performance herauszuholen“, betont Andy Cowell, der Geschäftsführer in Brixworth, „muss man also die Effizienz steigern – das gilt sowohl für den Verbrennungsmotor als auch für die weiteren Schritte des Energieweges.“ Die gestellte Sisyphos-Aufgabe lautete: mehr Leistung zu finden und zu liefern, dabei aber gleichzeitig auch die Standfestigkeit der Aggregate zu erhöhen, was für Ingenieure dieser Sparte einer Quadratur des Kreises gleichkommt. „Wir dürfen nicht mehr die gleichen Zuverlässigkeitsprobleme wie im vergangenen Jahr erleben“, unterstreicht Cowell die Forderung, die er seinem Team gestellt hatte.

An diesem Montag kommen die Resultate auf den Asphalt und die Telemetrie-Monitore, es wird sich ein Trend manifestieren, ob all die Neuerungen, die Veränderungen, die Modifikationen erfolgreich sein können. Die Scuderia Ferrari, mutmaßlich Gegner Nummer eins von Mercedes in der kommenden WM-Saison, hat im Gegensatz zum Weltmeister-Team seiner roten Göttin ein deutlich sichtbares Facelifting verpasst und das neue Modell auch optisch an den Silberpfeil angenähert. „Wir müssen vom ersten Rennen an siegfähig sein“, forderte Ferrari-Chef Sergio Marchionne am Freitag bei der Internetvorstellung des Autos für Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen. Das Bessere ist der Feind des Guten – sollte der neue Mercedes F1 W07 Hybrid nicht besser sein als sein Vorgänger, so würde es Toto Wolff aber sicher zunächst einmal genügen, wenn der neue Silberpfeil besser wäre als der neue Ferrari.