War nun zuerst das Ei da oder das Huhn? Egal. Bei Susann Würth kommt alles gleichzeitig. Foto: Ganzhorn Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Premiere im Schloss Neuenbürg: Unter dem Thema "Horizonte" zeigen sechs Kunstschaffende, was sie alles können

Premiere im Schloss Neuenbürg: Unter dem Thema "Horizonte" luden sechs Mitglieder der Freien Theaterkünstler Pforzheim-Enzkreis zu einem theatralen Ausflug für die ganze Familie ein.

Neuenbürg. Im Fürstensaal, im Schlosskeller, auf dem Dachboden und in den Mauern der Ruine offerierten die Künstler im nahtlosen Übergang ganze Stücke aus ihren aktuellen Programmen. Zur Verzahnung des Familientags bot das Mittagessen im Schlosshof Kommunikationsmöglichkeit zwischen den Akteuren und ihrem Publikum.

Doch leider schien das Wetter für diese Veranstaltung einfach zu gut zu sein. Bei Temperaturen, die das Thermometer Richtung 40 Grad schnellen ließen, erwies sich der Zuschauerstrom als dürftig. Baggersee schlug hier vermutlich Kultur auf ganzer Linie. Nichtsdestotrotz erwiesen sich die Schauspieler als Profis und demonstrierten die Bandbreite ihrer Horizonte auch im kleinen Kreis. Da durfte sich jeder Einzelne als Ehrengast fühlen.

"Können wir wunschlos glücklich sein?" Die von Clownin Camilla (Berenike Felger) gestellte Frage eröffnete den Darbietungsreigen. Im kunterbunten Outfit, mit pelziger Zopffrisur und Vogel-Mütze sinniert sie auf humorvolle Weise über den Zusammenhang von Wunsch und Glück. In Gedanken versunken schlüpft sie in ihre Jacke - scheinbar ohne zu bemerken, dass sich von Ärmel zu Ärmel ein meterlanger Stock eingeschlichen hat.

Vom Keller bis zum Dachboden wird jeder Raum bespielt

Dass die Bewegungsfähigkeit dadurch erheblich gestört ist, zeigt sich beim buchstäblich stocksteifen Versuch, ein Glas Wasser einzuschenken. Die Pfützen verteilen sich dank viel Geläpper auf der halben Bühne. Dienstbeflissen wird die Flüssigkeit zwar wieder aufgewischt – dann aber ebenso eifrig auf der restlichen Bühne wieder ausgewrungen.

Nach dieser feuchten In-Szene-Setzung geht es in den angenehm kühlen Keller. Raphael Mürle vom Figurentheater in Brötzingen hat eine schwarze Magnettafel mitgebracht. Bei dem Stück "Welten-Ei" entstehen darauf durch Verschiebungen von wenigen Ei-Bruchteilen die unterschiedlichsten geometrischen Figuren und Gesichter. Wie von Zauberhand fügen sich zur musikalischen Untermalung Tierdarstellungen von Affen, Vögeln oder Krebsen zusammen. Dann ist wieder Bewegung angesagt.

Susann Würth (Theater Option orange) stellt das glücklichste Huhn der Welt vor: Frieda. Das Federvieh tritt aus einem überdimensionalen Ei heraus in Erscheinung. Und in diesem Ei steckt die Künstlerin selbst mit drin. Da verschwimmen die Grenzen von Körper, Requisite und Bühne zu einer Einheit. Aus verschiedenen Öffnungen tauchen immer neue Schnabeltiere auf. Und ebenso Eier. Die dürfen auch mal im Publikum landen. Bis, ja bis Frieda einen Freund gefunden hat: Gockel Friedrich.

Ein weiterer Auftritt ist für September in der Villa Kling geplant

Nach der Mittagspause ist die Schlossruine Schauplatz für Heinrich Heines "Wintermärchen". Schauspielerin Heidrun Schweda hat sich die alten Mauern als Kulisse für die vor 175 Jahre in Versen festgehaltene Deutschlandreise des Dichters erwählt. Freisprechend rezitiert sie Eindrücke zur Stadt Köln oder den Teutoburger Wald und zeigt Parallelen zu heutigen Denkweisen auf. Dass Heine schon damals der Kleinstaaterei abschwor und stattdessen die "Jungfrau Europa" avisierte, spannt den Horizont in unsere heutige Zeit. Ein Programmpunkt, bei dem die Erwachsenen auf ihre Kosten kommen. Ein weiterer Auftritt der Freien Theaterkünstler Pforzheim-Enzkreis ist am 22. September in etwas veränderter Form bei der 25-Jahr-Feier im Straubenhardter Haus der Familie geplant.