Um Behandlungen für ältere und chronisch kranke Tiere bezahlen zu können, müssen Tierbesitzer nun noch tiefer in die Tasche greifen. Foto: Reinhard

Seit Herbst 2022 gilt für tierärztliche Leistungen die neue Gebührenordnung. Behandlungen sind teilweise um das Dreifache teurer geworden. Das hat Folgen, auch für die hiesigen Tierschützer.

Der Hund bricht sich das Bein, das Pferd hat eine Kolik, die Katze wurde angefahren. In solchen Fällen sind Tierärzte zumeist rund um die Uhr im Einsatz. Doch diese, manchmal lebensrettenden, Behandlungen sind mit der neuen Gebührenordnung, die seit Herbst 2022 gilt, um ein Vielfaches teurer geworden.

So mancher Tierbesitzer bekommt Probleme, die Kosten für eine ärztliche Behandlung seines vierbeinigen oder gefiederten Freund zu stemmen. Langfristige soll die neue Gebührenordnung aber dazu führen, dass es, gerade im Ländlichen Raum, noch Veterinäre gibt, die sich um die Gesundheit der Haus- und Nutztiere kümmern können.

Was beinhaltet die Gebührenordnung?

Für bestimmte Berufsgruppen gibt es eine Gebührenordnung, zum Beispiel für Rechtsanwälte, Notare und Ärzte. „Der Gesetzgeber will mit einer Gebührenordnung die Qualität der Arbeit in diesen Berufen sichern, bei Ärzten und bei Tierärzten also die medizinische Qualität“, erklärt Veterinär Jörg Schäffner vom Kleintierzentrum Kinzigtal. Die Gebührenordnung legt einen Mindestpreis der Behandlungen fest. Dieser darf überschritten werden, „aber nicht unendlich“, so Schäffner. Die Gebührenordnung bestimmt also auch, wie viel jede Leistung maximal kosten darf. Außerdem beinhaltet sie, dass in einem Notdienst mindestens das Doppelte der normalen Sätze zu berechnen ist. Die Tierarztkammern werden vom Bundestag beauftragt, die Gebühren, die dann bundesweit gelten, per Abstimmung festzulegen.

Warum wurden die Gebühren erhöht?

Seit November 2022 gilt die neue Gebührenordnung. Mit ihr sind die Sätze für tierärztlichen Behandlungen erheblich gestiegen. „Davor sind sie 20 Jahre lang nicht erhöht worden“, führt Schäffner aus. Die Kosten für die Leistungen seien am davongaloppieren gewesen, auch die Arzneimittel wurden immer teurer. Während der Corona-Pandemie seien außerdem die Preise für Einwegmittel wie Masken und Kittel um das Dreifache gestiegen. Ein weiterer Grund für die neue Gebührenordnung seien die gestiegenen Gehälter der tiermedizinischen Fachangestellten, deren Entlohnung, „gerechterweise“, wie Schäffner betont, im Rahmen eines neuen Tarifvertrags im Herbst 2022 auf einen Schlag um 30 Prozent gesteigert wurde. Damit seien die vormals schlecht bezahlten Angestellten nun endlich im mittleren Bereich. Des Weiteren sei auch die Entwicklung der Tiermedizin weiter vorangeschritten. „Die Technik kostet mittlerweile fast das gleiche wie in der Humanmedizin“, so der Haslacher Tierarzt. Veterinäre hätten so lange Zeit nicht kostendeckend arbeiten können.

Was bedeutet das konkret für die Preise von tierärztlichen Behandlungen?

Schäffner nennt als Beispiel die Kastration einer Katze, die nun im Schnitt um 30 Prozent teurer geworden sei. Für eine normale Impfung bei einem ausgewachsenen Tier müsse ein Tierhalter rund 25 Prozent mehr bezahlen. Besonders teuer seien die Notdienste geworden.

Was für Folgen hat sie für private Tierhalter?

Veterinär Jörg Schäffner ist sich bewusst, dass die steigenden Kosten Folgen für die Tierhalter haben. „Es ist schon so teuer geworden, dass sich niemand mehr eine beliebige Zahl an Tieren halten kann“, sagt er, wobei er betont, dass seiner Meinung nach ein Hund oder eine Katze für eine alleinstehende Person „fast schon ein Menschenrecht“ seien. Für manche, finanziell weniger gut aufgestellte Menschen, wie zum Beispiel Rentner, sei eine Erkrankung des geliebten Tieres und die damit verbundenen Kosten mit der neuen Gebührenordnung „ein Weltuntergang“, das sei klar. Schäffner empfiehlt dringend, eine Tierkrankenversicherung abzuschließen. „Dafür ist spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen.“

Inwiefern beeinflusst die neue Gebührenordnung die Arbeit von Tierschützern?

„Natürlich ist es immer ein Problem für uns, wenn Kosten steigen, sei es fürs Futter, Energie oder eben für den Tierarzt“, sagt Heike Mayer vom Tierschutzverein Kinzigtal. Eines ihrer Anliegen sei es, Katzen zu kastrieren, um Überpopulationen zu vermeiden. Das sei jetzt nicht mehr so einfach möglich, auch wenn der Tierschutzverein sich immer noch bemühe, so viele Tier wie möglich kastrieren zu lassen. In der Vermittlung wiesen die Tierschützer explizit auf die neue Gebührenordnung hin. „Es bringt uns und dem Tier nichts, wenn wir ein Tier vermitteln und es sechs Monate später wieder bei uns ist, weil der Besitzer den Tierarzt nicht bezahlen kann“, sagt Mayer. Auch laut Isabelle Obert von „Animal SOS“ sind am häufigsten beanspruchte Tierarzt-Leistungen die Kastrationen von Katzen. „Für eine Kastration einer Kätzin bezahlen wir jetzt 30 Euro mehr, für einen Kater circa 45 Euro mehr“, berichtet sie. „Das spüren wir schon deutlich.“ Aus diesem Grund hätten sie beispielsweise die Schutzgebühren bei der Abgabe der vermittelten Tiere erhöht und versuchten, über Aktionen Geld in die Kasse zu spülen. „Generell haben wir das Glück, dass wir kein eingetragener Verein sind und dementsprechend keine Verpflichtungen haben. Wir nehmen nur so viele Tierschutzfälle an, wie wir finanziell und personell bewerkstelligen können“, sagt Obert.

Was erhoffen sich die Tierärzte und Tierarztkammern von den Erhöhungen?

Hauptindikator sei, überhaupt wieder Tierärzte und medizinische Fachangestellte zu finden. Wie in vielen anderen Berufsgruppen gebe es dort einen frappierenden Personalmangel. „Wenn wir wollen, dass jemand in diesem Bereich arbeitet, müssen wir ihn angemessen bezahlen. Und um Leistungen seriös anbieten zu können, muss man das entsprechende Personal vorhalten“, fasst Schäffner zusammen.

Das sagen die Landwirte

Ulrich Müller als Vorsitzender des BLHV-Kreisverbands Wolfach hat bisher noch nicht gehört, dass Landwirte aufgrund der neuen Gebührenordnung Schwierigkeiten bekommen haben, sagt er auf Anfrage unserer Redaktion. „Damit habe ich noch gar nicht beschäftigt“, erklärt auch Bernhard Kohmann, der in Hausach einen Bio-Betrieb mit Milchvieh bewirtschaftet. Seiner Meinung nach hänge es für einen Landwirt vom Ausgangspunkt ab, ob die neue Gebührenordnung langfristig Probleme macht. „Wenn man vorher schon hohe Ausgaben für den Tierarzt hatte, dann wird das natürlich schlimmer, aber wenn sie jetzt schon niedrig sind, wird es wohl wenige Auswirkungen haben“, meint er. Er sieht vielmehr im Tierarztmangel ein großes Problem.