Immer mehr Menschen wünschen sich, im Wald unter einem Baum zur letzten Ruhe gebettet zu werden. Foto: © familie-eisenlohr.de - stock.adobe.com

Immer mehr Menschen möchten unter Bäumen bestattet werden. Ein Jahr lang wurde deshalb in Althengstett die Einrichtung eines Ruhewalds vorbereitet. Doch jetzt ist das Thema komplett vom Tisch.

Althengstett - Der Ruhewald ist eine Alternative zum klassischen Friedhof. Die Asche von Verstorbenen ruht mitten im Wald in biologisch abbaubaren Urnen unter Bäumen. Ein Namenstäfelchen am Baum macht auf die Grabstätte aufmerksam. Die Grabpflege übernimmt in diesem Fall die Natur. Grabschmuck besteht nicht aus Kerzen, Gestecken und Grabsteinen. Es soll alles natürlich bleiben. Dafür sorgen je nach Jahreszeit Moose, buntes Laub, Farne, Wildblumen oder Schnee. Gerade die naturbelassene Umgebung ist für immer mehr Menschen der Grund, sich im Wald zur letzten Ruhe betten zu lassen.

Im Umbruch

Da der Umbruch im Friedhofswesen auch vor ländlichen Regionen nicht Halt macht, wurden bereits vor rund einem Jahr in Althengstett neue Bestattungsformen auf den bestehenden Friedhöfen und die Einrichtung eines Friedwalds im Ortsgebiet diskutiert. Wegen des großen Interesses an dieser Bestattungsform hatte die Gemeindeverwaltung sich zu den Grundlagen einer solchen letzten Ruhestätte schlau gemacht und intern geprüft, ob ein solches Projekt in der Gäugemeinde überhaupt umsetzbar ist.

Die wirtschaftlichste Lösung

Das Ergebnis: Mit ihren drei Friedhöfen in den drei Ortsteilen macht die Kommune ein ausreichendes Angebot. Ein Ruhewald könnte sowohl im Ort als auch überörtlich in einem Radius von 20 bis 30 Kilometern ein zusätzliches Angebot sein. Dafür eine gemeindeeigene Waldfläche einem Betreiber zu überlassen, wurde als wirtschaftlichste Lösung angesehen. Der private Anbieter wäre in diesem Fall verantwortlich für das Betreiben der Anlage, die Pflege des Waldstücks und die Verkehrssicherungspflicht.

Eigentlich beschlussreif

Das Thema war schon weit gediehen, der Technische Ausschuss hatte bereits im November des vergangenen Jahres und erst vor wenigen Wochen erneut über das Thema beraten. Wegen seiner Bedeutsamkeit wurde es am Mittwochabend auf die Agenda des Gemeinderats gesetzt.

Favorit gefunden

Es wurde ein geeignetes Waldstück Im Eulert etwa auf Höhe des gegenüberliegenden Vereinsheims der Kleintierzüchter und der nicht weit entfernten Tierrettungsstation ausgemacht. Das rund 1,5 Hektar große Areal wurde wegen seiner Lage und der großen Laubbäume von der Verwaltung favorisiert. "Der alte Baumbestand dort eignet sich für den Besatz mit Urnen", erklärte Bauamtsleiter Rainer Bubser am Mittwochabend den Gemeinderäten. Auch die verkehrliche Erschließung sprach aus Sicht der Verwaltung für dieses Waldstück. Parkmöglichkeiten gebe es ausreichend beim Kleintierzüchterheim und der Tierrettungsstation.

Meinungen gehen weit auseinander

Das alles sahen einige Ratsmitglieder ganz anders. "Wir schaffen uns selber Konkurrenz", sagte Rainer Kömpf (Unabhängige Wähler) mit Blick auf die drei örtlichen, defizitären Friedhöfe. Er sei hin- und hergerissen und tue sich – rein pragmatisch gesehen – schwer damit, "dieses Geschäft herzugeben". Zudem sei die Lage Im Eulert "nicht schön" und die Parkplatzsituation unbefriedigend: "Die Einfahrt ist bescheiden und risikobehaftet". Allenfalls sei für ihn ein Ruhewald in Neuhengstett nahe der Friedhofs denkbar, um Synergien zu erzielen, indem man dort zum Beispiel die Aussegnungshalle nutzen könne.

Die Stellplatz-Frage

Aus Sicht von Lothar Kante (SPD) ist die Parkplatzsituation "nicht so locker gelöst". Ob denn überhaupt schon mit dem Tierschutz Calw und Umgebung gesprochen worden sei wegen der Nutzung der dortigen Stellplätze, wollte er wissen. Zum ersten Mal hörte die Vorsitzende des Vereins, Gudrun Sohnrey, am Donnerstagvormittag im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten von dem geplanten Ruhewald Im Eulert: "Mit uns hat im Vorfeld niemand gesprochen", äußerte sie sich gegenüber unserer Redaktion.

Schwierige Verkehrssituation

Die Verkehrssituation an der Mühle spreche gegen die Anlage Im Eulert, sagte Eckhard Flik (Grüne). Außerdem handle es sich um ein Stück wertvollen, sich selbst überlassenen Wald, der zu schade für das Vorhaben sei – auch wenn die Verwaltung betont hatte, dass es Wald bleiben und durch eine Grabstätte nicht zum Park werden soll.

"Schöne Bereicherung"

Von einer grundsätzlich "schönen Bereicherung für Althengstett sprach Thomas Schmidt (Freie Wähler). Er könne dem Vorhaben grundsätzlich zustimmen. Die Diskussion sei ähnlich der über den Waldkindergarten. Dieser stelle auch ein Zusatzangebot zu den übrigen Kindertagesstätten dar. Grundsätzliche Zustimmung zu einem Ruhewald gab es auch von Rüdiger Klahm (CDU): "Wenn es dann am Ende aber der Standort Im Eulert werden sollte, bin ich dagegen", schränkte er ein.

Wie lange reichen 1,5 Hektar aus?

Jörg Nonnenmann (Freie Wähler) erkundigte sich danach, wie lange die geplante Fläche von 1,5 Hektar ausreichen werde und ob die Anlage nicht schon nach wenigen Jahren erweitert werden müsse. Bürgermeister Clemens Götz verneinte dies. Der potenzielle Betreiber, mit dem man im Gespräch sei, habe die Größe des Waldstücks als ausreichend bezeichnet.

Wirtschaftliche Einbußen befürchtet

Martin Jourdan (Unabhängige Wähler) brachte ein ganz anderes Argument ins Spiel: "Wir haben 26 Hektar Wald stillgelegt. Jetzt kämen weitere 1,5 Hektar dazu, die nicht bewirtschaftet werden könnten". Im August war vom Gremium beschlossen worden, dass Althengstett das Alt- und Totholzkonzept des Landes umsetzen und dafür Waldbestände im Gemeindewald dauerhaft aus der Nutzung nehmen wird.

Die Entscheidung

Darüber, ob der künftige Ruhewald privat oder in der Regie der Gemeinde betrieben wird und an welchem Standort, musste am Mittwochabend im mehrteiligen Beschlussvorschlag erst gar nicht abgestimmt werden, denn mit sieben Ja- und zehn Nein-Stimmen wurde das Projekt grundsätzlich vom Gemeinderat abgelehnt.

Info: Bestattungsort Wald

Ein Bestattungswald – auch Urnen-, Begräbnis-, Ruhe- oder Friedwald – ist ein 1999 zuerst in der Schweiz genehmigter Beisetzungsort für Totenaschen im Wald. Gekennzeichnete Bestattungsbäume orientieren über den Ort der Beisetzung, individuelle Gräber sind aber nicht erkennbar. Bepflanzungen und das Ablegen von Devotionalien sind unzulässig. Während in der Schweiz die Totenasche am Baum verstreut wird, muss in den Deutschland und Österreich die Asche überwiegend in einer Bestattungsurne in friedhofstypischer Tiefe beigesetzt werden. Hinsichtlich Planung, Einrichtung und Betrieb von Bestattungswäldern findet eine Aufgaben- und Einnahmenteilung zwischen den oft privaten Betreibern sowie den Waldeigentümern und Gemeinden statt (Quelle: Wikipedia).