Im Nationalpark Schwarzwald werden zu Forschungszwecken Wildtierkadaver in der Landschaft belassen. Foto: Nationalpark Schwarzwald/Charly Ebel

Der Nationalpark Schwarzwald beteiligt sich an einem Projekt der Universität Würzburg zur Erprobung der Wildtierkadaverbelassung in der Landschaft. Dabei soll mehr über den ökologisch bedeutsamen Lebensraum Aas erforscht werden.

Der Tod gehört zur Natur. Totes Holz und unzählige davon abhängige Pilz- und Käferarten sind vielen Nationalparkgästen ein gängiger Begriff. Doch zum Prozessschutz gehören nicht nur Totholz, sondern auch tote Tiere, wie der Nationalpark Schwarzwald in einer Mitteilung schreibt.

„Wenn man die Zersetzung toter Tiere über einen längeren Zeitraum beobachtet, wird deutlich, wie viel Leben ein totes Tier beherbergt und hervorbringt. Der Kreislauf des Lebens offenbart sich am Aas wie ein Zeitraffer im Vergleich zur Zersetzung abgestorbener Bäume“, sagt Jörn Buse, Sachbereichsleiter für wirbellose Tiere und Biodiversität im Nationalpark Schwarzwald.

Viele verschiedene Arten

Während Totholz über Jahrzehnte hinweg abgebaut wird, dauert es bei einem toten Tier oft nur wenige Wochen, erklärt der Nationalpark. Viele verschiedene Arten – vom imposanten Adler über Marder und Aaskäfer bis hin zu Bakterien und Pilzen, die mit bloßem Auge nicht mehr zu sehen sind – hätten sich auf diesen Energie-Impuls im Laufe der Evolution perfekt eingespielt.

Um mehr über den ökologisch bedeutsamen Lebensraum Aas und das bisher noch viel zu wenig erforschte Zusammenspiel der verschiedenen Arten darin herauszufinden, wurde das Projekt „Belassen von Wildtierkadavern in der Landschaft – Erprobung am Beispiel der Nationalparke“ ins Leben gerufen.

Deutschlandweites Projekt

Als einer von 13 deutschen Nationalparks ist der Nationalpark Schwarzwald seit 1. Oktober 2022 Partner des Projektträgers Universität Würzburg im BfN-Förderprojekt zur Erprobung der Wildtierkadaverbelassung in der Landschaft, die Freilandphase startete im Mai. Das Projekt läuft bis Ende 2027.

Erste Untersuchungen im Nationalpark Bayerischer Wald zeigten 17 Wirbeltierarten, 92 Käferarten, 97 Zweiflüglerarten, 1820 Bakterienarten und 3726 Pilzarten an der toten tierischen Biomasse. Ein Wildtierkadaver sei somit ein wahrer Brennpunkt der Biodiversität. Das erkläre auch, warum so selten tote Tiere im Wald zu finden seien: Der Abbau der Kadaver geht sehr rasch, wenn große Aasfresser und auch Insekten optimalen Zugang haben.

„Ökologisch bedeutsam für den Abbauprozess sind vor allem die als Totengräber bekannten Aaskäfer, von denen es im Nationalpark Schwarzwald sieben verschiedene Arten gibt. Sie sind als Gesundheitspolizei im Wald unterwegs, vergraben kleinere Kadaver sofort und verwerten das Fleisch größerer Kadaver schnell“, erklärt Jörn Buse.

Mehr Nährstoffe

Einige dieser Arten betreiben auch eine Art von Brutpflege, was bei Käfern selten sei: Die Larven werden mit vorbereitetem Fleisch mehrere Tage gefüttert. Aas gibt viel mehr Nährstoffe frei als andere tote organische Materie wie Holz oder Blätter und ist damit sehr nahrhaft. Das, was sich beispielsweise aus einem 30 Kilogramm schweren Kadaver an Nährstoffen löst, entspreche in vielen Agrarsystemen einer Düngung über 100 Jahre hinweg.

„Obwohl der Mehrwert für die Artenvielfalt grundsätzlich bekannt ist, ist es selbst in Nationalparks bislang kaum in das Management integriert worden, verunglückte Wildtiere der Natur zu überlassen, um Zersetzungsprozesse zu fördern“, sagt Raffael Kratzer, zuständig für Wildtierforschung und Wildtiermanagement im Nationalpark Schwarzwald. „Der Prozessschutz soll im Rahmen des deutschlandweiten Projektes jetzt auch bei uns im Nationalpark Schwarzwald um diesen wichtigen Aspekt erweitert werden.“