In diesem Bild steht die wichtigste Person ganz rechts: Werner Josts Ehefrau Karin tut im Stillen viel wichtige Arbeit für den Familienbetrieb. Foto: Mikulcic Foto: Schwarzwälder-Bote

Werner Jost züchtet am Kühlenberg Berberpferde / Im Oktober darf er Hengst Cayyal in Marokko präsentieren

Von Marija Mikulcic

Nagold-Emmingen. Werner Jost züchtet Pferde. Damit ist er so erfolgreich, dass er seinen Berberhengst Cayyal nun sogar in Marokko präsentieren darf. Im Rahmen der prestigeträchtigen Pferdemesse "Salon du Cheval d’El Jadida". Schirmherr des Pferde-Großereignisses an der Atlantikküste ist kein Geringerer als der König – Mohammed, VI. von Marokko – persönlich.

Auf Werner Josts Terrasse sitzt man wie in einem kleinen Paradies. Auf der einen Seite bewegt der Wind die Blätter hoch gewachsener Bäume. Nach vorne hin hat man freie Sicht auf eine Koppel. Im offenen Stall nebenan steht Cayyal. "Vor 12 Jahren habe ich nicht gewusst, was ein Berber ist", erinnert Jost sich an die Anfänge seiner Züchtertätigkeit zurück.

16 Jahre ist es her, dass Jost seinen Job bei Porsche an den Nagel gehängt hat, um ganz für die Arbeit mit Pferden frei zu sein. Dann, nach vier Jahren als hauptberuflicher Reitlehrer und Ausbilder, wurden drei Berberpferde auf seinen Hof gebracht. Zum Einreiten. "So bin ich auf den Berber gekommen", sagt Jost. Er lacht. Der Spruch, dass das Glück der Erde auf dem Rücken der Pferde liege, scheint sich im Familienbetrieb der Josts, am Kühlenberg oberhalb Emmingens gelegen, zu bewahrheiten.

Aus dem Rohdiamant wird ein lebendiges Kunstwerk geformt

Acht Hektar umfasst das Gelände, auf dem Werner Jost, seine Frau Karin und der Sohn Marco mit Frau und Kindern ihren Familienbetrieb rund ums Pferd aufgebaut haben. Heute hat Marco Jost Helm und Schutzkleidung angelegt. Mit dem Trimmer schneidet er den Elektrozaun frei, der den großen Rasenplatz vor dem Haus einfasst. Die Anlagenpflege ist sein Hoheitsgebiet. Zusätzlich ist er von Beruf Huforthopäde. Wenn, wie Werner Jost sie nennt, "kaputte" Pferde auf dem Hof eingeliefert werden, nimmt Marco sich körperlicher Reha-Maßnahmen an.

Dazu zählt beispielsweise das Zurechtschnitzen der Hufe. Damit das Pferd nicht über seine eigenen "Zehennägel" fällt. Mit Marcos Ehefrau gehört zudem eine studierte Pferdewirtin dem Familienteam an. Karin Jost hat die praktischen Tätigkeiten im Blick, ohne deren Verrichtung kein Hof lange bestehen könnte: "Ich bin der Mister und Fütterer", meint sie lachend.

Zu den vier hauptsächlichen Dienstleistungen, die der Hof der Josts bietet, zählen neben der Huforthopädie Ferien auf dem Reiterhof und die Unterbringung und Pflege von Pensionspferden. Sowie Werner Josts Lieblingsbereich und Lebensaufgabe: Die Ausbildung von Pferd und Reiter. Natürlich-klassisch nennt er den Ansatz, dem er hierbei folgt. Diesen Namen, "Natürlich-klassisch", trägt auch seine Reitschule.

Obwohl er im Speziellen Berberpferde züchtet, arbeitet Jost in Reitunterricht, Ausbildung und Therapie mit allen Pferderassen. Schwerpunktmäßig kommen Sport- oder Freizeitpferde, also Warmblüter, zu ihm. Aber auch Ponys, Westernpferde und sogar Kaltblüter wurden bereits am Kühlenberg geschult und kuriert. Bei allem, was er rund ums Pferd tut, haben die Gesunderhaltung sowie die körperliche und seelische Weiterentwicklung des Pferdes für Werner Jost oberste Priorität.

Die Grundsätze seiner Philosophie versteht Jost so: Das Klassische bezieht sich auf die klassische Reitkunst, wie sie bereits seit dem Barockzeitalter ausgeübt wird. Hier spielen Harmonie, Schönheit und Vervollkommnung der Fähigkeiten eine wichtige Rolle. Der Rohdiamant Pferd soll zum lebendigen Kunstwerk geformt werden.

Die Natürlichkeit besagt für Werner Jost, dass jedes seiner Pferde zuallererst Pferd sein dürfen soll. "Das Pferd hat ein ganz anderes Wesen als wir", erklärt Jost. Allzu häufig würden heutzutage Pferde vermenschlicht, bekämen ihnen nicht gemäße Rollen als Partnerersatz oder Sportgerät aufgezwungen, bedauert Jost. Die Beziehung zwischen Mensch und Pferd könne keine gleichrangige sein. "Das Pferd ist ein ganz anderes Wesen als wir", schickt Jost voraus. "Pferd und Reiter sind eine Mini-Herde", reicht er erläuternd nach.

Dem Menschen kommt dabei die Rolle des Herdenführers zu. Insbesondere Hengste fordern ihre Herdenführer aber immer wieder gerne heraus. Denn einfach klein beizugeben, kommt bei den Damen womöglich überhaupt nicht gut an. Wer angesichts solcher – nur natürlicher Manöver – souverän reagiert, erwirbt die Achtung seines Tieres. Und dessen Vertrauen.

Bei Werner und dem 12-jährigen Cayyal hat es funktioniert. Jost erinnert sich noch genau, welch unbändiges Temperament da zu der friedlichen Mensch-Pferd-Gemeinschaft am Kühlenberg stieß. Erworben hat er Cayyal in der Pfalz. Unter besonderen Umständen: "Ich habe ihn nur bekommen, weil er ein absoluter Ausreißer war", erinnert sich Jost. Doch aus dem Wildfang ist ein gelehriger Prachtbursche geworden. Diese Entwicklung erklärt er sich unter anderem mit der "Sozialtherapie", die er Cayyal verordnete.

Berber sind echte Spätentwickler

"Hengste stehen bei Züchtern oft in Einzelboxen", verdeutlicht Jost. Auch, weil sie für diese einen gewissen Wert besitzen. "Unsere Hengste kommen mit auf die Koppel", stellt Jost dem sein Konzept gegenüber. Auch Cayyal habe er gemeinsam mit anderen Hengsten und Wallachen, kastrierten männlichen Tieren, aufgezogen. Ganz normaler Herdenalltag. "Das funktioniert", meint er. Und begründet: "Weil ich sie auf natürliche Weise geprägt habe."

Mit Cayyal ging dann, berücksichtigt man, dass Berber "Spätentwickler" sind, alles ganz schnell. "Berber werden erst mit etwa vier Jahren eingeritten", erläutert Jost eine Besonderheit dieser Pferderasse. Im Alter von fünf Jahren habe er Cayyal erstmals auf einer Leistungsschau präsentiert. Er hatte die Qualitäten seines Zöglings nicht überschätzt. Cayyal brachte es auf Anhieb zum Championatssieger seiner Altersklasse.

Schönheit, Korrektheit der dargebotenen Kür, Bewegungsqualität, Ausprägung der Rassemerkmale und Rittigkeit – so lauten die gängigen Kriterien, nach denen ein Pferd bei einem solchen Vergleich bewertet wird. Mit dem Gesichtspunkt "Interieur" finden auch die inneren Werte eines Pferdes, also sein Charakter, Eingang in die Gesamteinschätzung seiner Wertigkeit.

Auch beim "Salon du Cheval" in El Jadida werden die teilnehmenden Pferde prämiert. Doch könne man die Schau in Marokko überhaupt nicht mit Pferdemessen hierzulande vergleichen, meint Jost. In El Jadida stehe die Traditionspflege ganz im Mittelpunkt. Alles drehe sich um das Präsentieren eines kulturellen Erbes. Insbesondere regionaltypische Rassen wie Berber würden gezeigt, führt er aus. Der kommerzielle Aspekt fehle völlig. Nicht einmal Sättel oder Halfter würden am Rande verkauft. "Es geht dort nur ums Pferd, um sonst gar nichts", sagt er.

Dass man in El Jadida nun speziell ihn auf Cayyal, also genau diese Pferd-Reiter-Paarung, sehen will, freut Werner Jost besonders. Schließlich verkörpert Cayyals Entwicklung durch und durch die Grundwerte seiner "Schule". Die Darbietung der beiden auf dem Treffen der deutschen Berberzüchter im saarländischen Gebroth vergangenen Herbst hatte anwesenden Zuchtrichtern aus Nordafrika offenbar sehr gut gefallen. Anfang des Jahres flatterte die Einladung zur Messe nach El Jadida ins Haus.

Die verbleibende Zeit bis Oktober werden Werner Jost und Cayyal dazu nutzen, weiter ihre Kür zu vervollkommnen. Eins verliert Werner Jost dabei nie aus dem Blick: "Arbeit am Pferd" – so steht es am Eingang zur Reithalle auf dem Kühlenberg zu lesen – "ist in erster Linie Arbeit an sich selbst". Das ist, nicht erst, seit er Cayyal kennt, Werner Josts feste Überzeugung.